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Letztes Gespräch sinnvoll?

W
Zitat von E-Claire:

Nein, niemand sollte so mit sich umgehen lassen. Trotzdem tun es ganz viele von uns. Warum? Ach weißte, nennen wir es Lernerfahrung.
Persönlich (nur meine Meinung) halte ich Kommunikation für recht überschätzt, weil verbal zumindest die meisten Menschen einfach nur gnadenlos aneinander vorbei reden.
Ich habe genau wie du, die Nummer mit dem und ich erkläre und erkläre mich, bis dem anderen das Blut zu den Ohren heraustropft, hinter mir. Und irgendwann habe ich festgestellt, daß dies zumeist einfach nur eine Form von bitte ändere dich, damit ich nicht gezwungen bin zu handeln, war.

Das war mir damals natürlich nicht bewusst und ich hab das sicher nicht böswillig getan, aber ich habe halt auf Worte anstatt auf Taten geachtet. (Da muß man vielen hier im Forum einfach Recht geben. Taten statt Worte).

am Anfang dachte ich, es würde um die Taten meines Gegenübers gehen und bis zu einem gewissen Punkt stimmt das natürlich auch. So lassen sich die Dampfplauderer schon recht schnell entlarven.

aber eigentlich geht es um die eigenen Taten. Ich habe erklärt, statt zu handeln. Mich gerechtfertigt, statt zu handeln. angeklagt statt zu handeln.
Warum?

Die Wahrheit? Aus falschen Kindheitsmustern heraus natürlich, aber im Grunde aus einer absolut tiefen, damals unerschütterlichen Angst heraus, daß ich nicht in der Lage wäre, ein netteres und hübscheres Leben für mich selbst aufstellen zu können. Ich war gefangen, in dem Dilemma zu glauben, ich hätte besseres verdient, aber gleichzeitig auch absolut davon überzeugt, daß ich nichts besseres bekomme.

Was Du schilderst, ist ja letztlich die Frage nach Respekt.
Damals habe ich geglaubt, ich müßte Respekt einfordern. Notfalls mit Drama.
Heute respektiere ich (!) meine Taten, Gefühle und Worte und ziehe, wenn es dieser Respekt verlangt die Konsequenzen.

Auch dir alles, alles Gute und nicht vergessen: es wird besser!

Vielen Dank ! Wann bist Du zu dieser Einsicht gekommen ?
Ich warte und sehne ihn förmlich herbei.
Ich habe versucht so einiges zu ändern,damit es ihm auch ja recht ist.
Nicht geklammert , nicht zu viel Gefühl bekundet, denn das war nicht sein Ding ... warum macht man das alles mit ?
Und hinterher kriegt man auf deutsch gesagt einen Tritt und leidet wieder .
Vielleicht war es richtig so , es wäre wohl immer so weiter gegangen .
Aaaaaaaaber es ist so schwer , weil es auch so traurig und demütigend ist.

13.08.2019 22:48 • #106


E-Claire
Zitat von Watergate:
Ich habe versucht so einiges zu ändern,damit es ihm auch ja recht ist.

Been there, did it, got many t-shirts to prove. siehe das Zitat, finde den Fehler!

Wo genau hast du dich (SELBST) respektiert?
und genau an der Stelle entsteht auch das Gefühl der Demütigung.
Eleanor Roosevelt schreibt man zu, Folgendes gesagt zu haben: niemand kann dich ohne dein Einverständnis dazu bringen, dich minderwertig zu fühlen.

Hey, Du hast gekämpft, dir war die Beziehung wichtig. Wenn es geklappt hätte, würdest Du jetzt im Unterforum wie rette ich meine Beziehung/Ehe schreiben.

Will sagen, das Gefühl der Demütigung ist bestimmt durch das Ergebnis und vielleicht auch, weil du Deine Grenzen nicht respektiert hast.

Zitat von Watergate:
Wann bist Du zu dieser Einsicht gekommen ?

Lange Geschichte. Wirklich lange und ziemlich grausige und traurige Geschichte. Nix mehr für heute Abend und auch etwas, was dich nicht so auf Anhieb trösten könnte.
Aber ich kann dir erzählen, was ich nach der in diesem thread erzählten Trennung gemacht habe. Erst war ich recht schnell wieder in einer Beziehung, aber da setzte die Erkenntnis ein, daß es das ewig gleiche ist, nur mit anderem Personal. Außerdem habe ich gemerkt, daß ich überhaupt nichts (mehr) zu geben hatte.
Danach habe ich meine Zelte abgebrochen und noch mal komplett von vorn angefangen. So in echt mit zwei Koffern.

Ist jetzt natürlich nicht der beste Ratschlag, wenn man ein komplettes Leben hat, meins war damals hin und beruflich hätte ich eh ne Entscheidung treffen müssen.
aber man könnte auch endlich die Reise machen, die man schon immer machen wollte. Das wäre mein tipp.
Shice auf die Kohle.

Ach und naja, ich war lange und bin noch bei einer Therapeutin. allerdings nicht wegen der lieben Herren, das war immer nur Kollateralschaden eines anderen Problems. Aber Therapie kann wirklich helfen.
Entschuldige, das war vermutlich nicht, was Du hören wolltest. Ich mag an der Stelle wirklich noch mal betonen, daß dies mein Weg war und dieser für mich absolut notwendig, weil meine Geschichte an einer völlig anderen stelle anfängt.

Und bevor Du fragst, beantworte ich, bevor ich dann ins Bett gehen, noch die dazu am häufigsten gestellte Frage: woher weiß man, daß Therapie für einen als Möglichkeit in Betracht kommt? Denn eigentlich sollte man ja in der Lage sein, daß Problem zu bewältigen und andere Leute haben viel (sic!) größere Probleme.

Antwort: Therapie bestimmt sich nicht durch die Größe des Problems, sondern den ur-eigenen Leidensdruck.

13.08.2019 23:11 • x 2 #107


A


Letztes Gespräch sinnvoll?

x 3


perpetuum
Das ist ein sehr schöner Thread, wow, was für kluge Kommentare.

Für mich, und Johanna für Dich vielleicht auch, ziehe ich eine Essenz aus den Worten von E-Claire:

aber eigentlich geht es um die eigenen Taten. Ich habe erklärt, statt zu handeln. Mich gerechtfertigt, statt zu handeln. angeklagt statt zu handeln.

Johanna, es wird gut. Du bist gut. Du alleine.

13.08.2019 23:44 • x 4 #108


J
@E-Claire

Hallo E-Claire,

aus der Antwort an @Watergate entnehme ich, dass Du durch die Hölle bist und Dich dank Therapie mittlerweile auf einer Metaebene befindest und dadurch in der Lage bist, Dynamiken ganzheitlich zu beleuchten. Ich freue mich für Dich, dass Du soweit gekommen bist.

So weit bin ich noch lange nicht, deswegen entschuldige schonmal im Vorfeld, dass für mich einige Deiner Anmerkungen noch ziemlich abstrakt klingen.
Hilfreich war, dass die Gefühle und der Frust des Überlegenen/Verlassers natürlich durch das eigene Erleben oft untergehen und zu wenig Beachtung und Reflexion erfahren haben.
Ebenso das man es in der Hand hat, SELBST zu agieren und zu handeln anstatt abzuwarten.

Auf der anderen Seite hatte ich einen Mann, der alles an Zukunft mit mir wollte, der mir lange von großer Liebe erzählt hat. Seine Taten sprachen eine gegenteilige Sprache. Ich habe ihm aber geglaubt und vertraut. Auf die Frage, warum es keine Umsetzung gibt, gab es keine Antworten. Jetzt hätte ich laut Dir, die Möglichkeit gehabt, für mich zu handeln, um aus dieser Misere herauszukommen. Das geht aber nur, wenn ich über meinen Partner gemutmaßt hätte. Ich hätte interpretieren müssen, ok er macht nix, ich fühle mich nicht wohl, reden bringt nix, ich gehe. Aber ist das nicht auch vermessen? Was wäre gewesen, wenn seine Worte gestimmt hätten und er noch Zeit brauchte? Was ist, wenn doch alles echt war und ich schmeiße es hin, nur weil ich nicht vertraue oder selbst unsicher bin? Was, was, was?

Auch bin ich noch nicht in Lage, seinen Mut anzuerkennen, die Beziehung zu beenden, obwohl er gesellschaftlich der Ar... sein könnte. Mittlerweile ist man ja soweit, dass man sagt, es gehören immer zwei dazu und ich denke, dass ist uns beiden klar.

Du schreibst ebenfalls, man kann seine eigenen Werte und seine Form von Liebe nicht auf andere übertragen. Das habe ich getan, ist ein wichtiger Punkt zum nachdenken.
Dennoch glaube ich an eine Art Verantwortung für die eigenen Worte. Wenn man heiraten und zusammen ziehen will sind das für mich große Schritte, die einfach eine unumstößliche Bedeutung haben. Wenn man das möchte, lässt es ja nur den einen Handlungsspielraum zu, z.B. eine Wohnung suchen.

Meine Frage bleibt, warum hält man solche elementaren Dinge so lange aufrecht (verbal) und handelt nicht. Vielleicht komme ich noch dahinter.
Und für mich: warum macht man so ein Drama und (wie sagtest Du so schön) redet man dem anderen die Ohren blutig, anstatt wirklich zu handeln?

Vielen lieben Dank für deinen Beitrag.

14.08.2019 11:21 • x 2 #109


W
Zitat von Johanna15:
@E-Claire Hallo E-Claire, aus der Antwort an @Watergate entnehme ich, dass Du durch die Hölle bist und Dich dank Therapie mittlerweile auf einer Metaebene befindest und dadurch in der Lage bist, Dynamiken ganzheitlich zu beleuchten. Ich freue mich für Dich, dass Du soweit gekommen bist. So weit bin ich noch lange nicht, deswegen entschuldige schonmal im Vorfeld, dass für mich einige Deiner Anmerkungen noch ziemlich abstrakt klingen. Hilfreich war, dass die Gefühle und der Frust des Überlegenen/Verlassers natürlich durch das eigene Erleben oft untergehen und zu wenig Beachtung und Reflexion erfahren haben. Ebenso ...

Vielleicht wusste er selbst nicht was er wollte ?

Ich frage mich nun auch warum es aufrecht erhalten wurde wenn es denn so schnell auszuradieren geht ?
Und ich bekomme nicht mal mehr eine Antwort auf das Warum ?
Es wird der Fall sein, dass er die Ansicht hätte ich will meinen Willen durchsetzen und ihm meine Erwartungen auferlegen.
Aber kein Gespräch- nichts .

14.08.2019 11:32 • #110


B
Liebe Johanna,

jetzt, wo Du mehr von der Beziehung schreibst, kommt viel mehr ans Licht. Mein Ex. war wie Dein Ex. Das selbe Muster. Es ist unglaublich, aber es gibt den Typen des aktiven Bindungsvermeiders und die Mechanismen, die letztendlich den Partner auf Abstand halten sollen, sind immer dieselben.
Ich hatte ja bei Deinem ersten Post schon aufgrund eines Satzes den Verdacht was ablief, aber jetzt schreibst Du konkret von Deinen Erfahrungen.
Es ist ja eigentlich zum Lachen, weil Individuen immer zu denselben Verhaltensmustern greifen. Ja, heute kann ich darüber schmunzeln, weil es ja so durchsichtig ist. Wenn man allerdings drinsteckt, ist nichts mehr lustig, sondern bedrückend, verwirrend, traurig machend.

Was tut der aktive Vermeider?
Er vermeidet eine echte Bindung, bleibt irgendwie in einer Oberfläche hängen. Es gibt hin und wieder Situationen, wo man merkt, dass auch im aktiven Vermeider ein Herz da ist. Wo sie scheinbar auch in einer symbiotischen Beziehung befindlich sind, aber diese Situationen sind eben recht kurz.

Sie beziehen nie klar Stellung. Du stellst brennende Fragen, die Dich seit langer Zeit quälen und hast endlich den Mut, zu fragen. Was erntest Du? Verschwurbelte Äußerungen, verwirrende Aussagen, die am Ende Dir die Schuld zuweisen und - ganz beliebt - Gegenfragen. Statt einer Antwort kriegst Du den Ball wieder zurück.
Als meine Beziehung in einem starken Ungleichgewicht war und ich unter großen Sehnsüchten litt, da traute ich mich einmal, folgendes zu sagen: Du, ich möchte gerne mal mit Dir wegfahren. Nur mal so übers WE, irgendwohin.

Es hatte mich Mut gekostest und es war der Mut der Verzweiflung. Im Grund genommen wusste ich die Antwort schon, aber ein Funken Hoffnung trieb mich an, dass er vlt. mal was Nettes darauf sagen würde.
Er grummelte irgendwas vor sich hin und las weiter in seiner Zeitschrift. Die Antwort lautete: Können wir schon mal machen!
Aber ohne Begeisterung. Also war es nur so dahingesagt, dass Ruhe im Karton war.

Was passierte in mir? In Sekundenschnelle wandelte sich mein Hormonhaushalt. Abgrundtiefe Traurigkeit machte sich bemerkbar. Ich weinte nicht, aber die Traurigkeit zog mich förmlich hinunter. Er las weiter.

Irgendwann bemerkte er, dass ich so traurig aussah und er fragte mich nach dem Grund. Ich sagte nur: Du weißt schon, was Du vorhin gesagt hast, oder? Das ist traurig!

Er hatte nicht bemerkt, was er mit seiner dahingesagten Äußerung bei mir anrichtete. Er hatte irgendwie keine Empathie und konnte die Wirkung seines Verhaltens nicht einschätzen.
Das Ganze endete so, dass er es verdrehte. Denn er sagte, damit wertest Du unsere Wochenenden ab, denn sie sind Dir nicht genug!

Es war sinnlos zu diskutieren, ich fühlte Ratlosigkeit und war fassungslos. Es gelang ihm immer wieder, mich als Idioten dastehen zu lassen und im Notfall war ich die Schuldige.

Es ist wirklich interessant, sich das anzuschauen, weil zwei Menschen agieren und immer das Falsche machen.
Wäre ich innerlich gefestigt und selbstbewusst gewesen, hätte ich die Achseln gezuckt und mir gedacht. Okay, dann halt nicht!
Seine Reaktion wäre dann auch eine andere gewesen. Er stieß aber bei mir eigentlich auf Watte. Ich gab letztendlich immer nach und zeigte viel zu wenig innere Stärke. Hätte er diese bei mir gefühlt, hätte auch er sich anders verhalten können.
Es ist wirklich wichtig, zu erkennen, dass zwei hier eine Art Choreografie aufführen: einen Schritt vor, zwei zurück, einmal im Kreis herum und wieder von vorne.
Klar, vom Unterlegenen wird das als Machtdemonstration empfunden, die es letztendlich auch ist.

Auch meiner zeigte sich nicht mit mir. Gut, wir kannten uns dienstlich, aber die Sparte ist recht überschaubar und da wollten wir es nicht öffentlich machen, zumal ich ja obendrein verheiratet war, was ja schon mal gar nicht geht. Ich durfte keine Erwartungen haben.
Aber dennoch lernte ich keinen seiner Freunde jemals kennen, obwohl er viel über sie erzählte. Wir gingen kaum aus und wenn dann nur in Gebiete und Lokale, wo wir nicht Gefahr liefen, gesehen zu werden. Trotzdem tat es mir weh, denn auf irgendwelche Parties, zu denen lose Bekannte mal einluden, ging er allein. Und ich blieb draußen.Nicht nur dort, sondern auch generell in seinem Leben.
Er entschied für sich Unternehmungen und ich wurde informiert, wenn ich Glück hatte. Ansprüche durfte ich keine stellen, denn es war von vornherein eine total verfahrene Beziehung. Er ledig und ich verheiratet, aber natürlich unglücklich und bedürftig.

Es sind toxische Beziehungen, in denen der eine sich immer mehr an Macht aneignet, einfach weil er es kann. Er ist ja sicher, denn er hängt weniger am Partner als umgekehrt und er weiß genau, dass er außer gelegentlichen Tränen und Vorwürfen nichts zu befürchten hat. Der andere Teil wird immer schwächer und inaktiver. Er wartet, was ja schon mal keine Aktion ist, auf bessere Zeiten, auf eine Änderung, die nicht kommt. Da nichts kommt, leidet er und das zieht sich irgendwann durchs ganze Leben.
Ich bin heute noch fassungslos, in welchen Strudel ich da hinein geraten war. Es war tatsächlich wie ein Strudel, der mich immer wieder nach unten zog, nach oben katapultierte, so dass ich kurz Luft holen konnte und es wieder von vorne los ging. Es war hochstressig, es raubte mir Energie und ich fühlte mich wie ein Hindernisläufer, der klaglos seine Runden lief, gegen Hürden stieß, im Graben stürzte und doch immer weiter lief, getrieben von ihm, meinem Partner, der mein Energiefresser war.
Das alles war nur möglich, weil ich es ihm ermöglichte. Für Parole war ich meist zu schwach, zu mutlos, zu angstvoll. Also fraß ich alles in mich rein. Die kaputte Beziehung beschäftigte mich irgendwann Tag und Nacht. Ich dachte fast permanent an ihn und über ihn nach. Ich nährte Hoffnungen, die sich nicht erfüllen und ich schöpfte immer wieder Mut, obwohl es vergebens war. Aber aufgeben kam nicht in Frage! Warum nicht?

Alles, nur keine Trennung, denn ein Leben ohne ihn erschien mir schlimmer als eines in dieser Beziehung. Ich habe mich oft gefragt: warum hast Du alles hingenommen, hast Dich kalt stellen lassen, hast Dich demütigen lassen (zumindest empfand ich es oft so), hast gelitten anstatt einmal aufzustehen und Position zu beziehen.
Die Krux ist, der passive Part setzt keine Grenzen. Er nimmt alles hin und re-agiert nur noch auf ihn, den Meister.
Grenzen spürt das Gegenüber, aber wenn dort keine Grenzen gesetzt werden, dann kann der andere immer weiter bohren. Es geschieht ja nichts. Nicht mal Wut kommt, nein, eher Verzagtheit.

Die hilflosen Mittelchen des Unterlegenen: im Stillen leiden, Tränen, die oft hinunter geschluckt werden, dann Vorwürfe, Klagen, ab und zu Forderungen, die sofort abgewehrt werden. Ein sich Wehren der Hilflosen hat sich eingeschlichen.
Natürlich spürt auch der Mächtigere das Ungleichgewicht. Da er aber oben ist, muss er ja viel weniger einstecken. Im Zweifelsfall geht er seiner Wege, macht was mit Kumpeln aus, geht zum Fußball oder auf ein Konzert und verschwindet irgendwann ganz.
Für den aktiven Vermeidet ist es oft genug Flucht aus der Beziehung. Probate Mittel, die auch in Ehen ausgelebt werden: zeitaufwändige Hobbies, die er mit anderen teilt oder denen er alleine nachgeht, viel Engagement im Beruflichen, weitere Tätigkeiten in Vereinen, Ehrenämter und so weiter.
Alles Dinge, gegen die man nicht viel sagen kann, die aber einen Zweck haben: der Nähe zu entfliehen.

Und warum geriet ich in diese Beziehung? Bedürftigkeit war das eine. Bedürfnisse wurden auch erfüllt, zumindest am Anfang. Aber warum die Schieflage?
Weil ich es so gelernt hatte. Ich kann mich gut an meine Kindheit erinnern. Ich hatte Glück und wurde in stabile Verhältnisse geboren. Aber dennoch hatte ich oft Angst. Schlüsselfiguren waren meine Eltern, wer sonst. Eine Mutter, die oft launisch war. Einen Tag war das Loch in der Hose ein Drama, am anderen Tag war es kein Problem. Lässt sich ja flicken und fertig. Aber leider wusste ich nie, wie die Reaktion sein würde. Sie hatte was unberechenbares an sich. War oft mit sich uneins und von inneren Stimmungen abhängig.
Ich wurde kein sehr mutiges Kind, denn ich hatte oft Angst und ich fühlte mich oftmals einsam, allein, unverstanden, ungeliebt. Mein Vertrauter war mein Stoffpinguin. Ich fühlte mich oft klein.
Das hinterlässt Spuren, wird aber ins Unterbewusstsein verschoben. Die Maske, die ich mir zulegte, war eine andere. Leider wirkt das Unbewältigte aus dem Unterbewusstsein gerade in Beziehungen sehr stark nach, denn hier sind wir wirklich innerlich berührt. Und genau das lebte ich nun zum wiederholten Male in dieser Beziehung nach. Ich hatte vorher schon ab und an Beziehungen, die im Endeffekt nicht viel anders verliefen. Der Ex. allerdings wurde zu meinem Lehrmeister, denn der ließ mich tanzen und ich hing an seinen Fäden.

Er war derjenige, durch den ich mir Monate nach der Trennung auf die Schliche kam. Ich war eben irgendwie deformiert durch einige Kindheitserlebnisse. Nicht schlimm, denn ich lebte mein Leben stabil. Ich war gut in der Schule, ehrgeizig, weil es auch ein Mittel war, Anerkennung zu erreichen. Von den Eltern, aber auch den Mitschülern. Ich studierte, ging in einen Beruf und wurde recht erfolgreich. Keine Krisen, zumindest nicht von außen. Innerlich gab es sie durchaus, z.B. in der letzten Beziehung und nach der Trennung. Ich zeige ungern Schwäche, ich will immer stark erscheinen, aber mein Ex. hat mir die anderen Anteile meiner Persönlichkeit gezeigt. Die, wie es hinter der Fassade aussieht.

Ich fand mal einen Stapel Briefe beim Aufräumen im Keller, die in einem Schrank lagen und vergessen waren. Alles Briefe meiner Mutter an meinen Vater aus der Zeit vor der Hochzeit. Die Briefe waren aufgrund einer Überschwemmung nass. Erst wollte ich sie nicht lesen, aber ich legte sie dann doch zum Trocknen aus. Einige las ich und da wurde mir ganz sonderbar. Das war ja ich! Diese Briefe hätten von mir sein können!
Dasselbe vorsichtige Betteln um ein Treffen. Die Eigenwerbung, die sie betrieb, um sich in ein positives Licht zu rücken. Oh mein Gott! Ich war in der Beziehung wie meine Mutter. Auch sie hatte die unterlegene Rolle, während mein Vater sein Ding machte.
Abgeschaut, übernommen aus der Kindheit! Beziehungsmuster nachgelebt.

Mein Therapeut sagte mir mal: wir leben als Erwachsene immer das, was wir kennen. Anders geht es nicht, denn wir können kein anderes Leben leben. Wir sind geformter als wir glauben.

Warum leidet man dann und das freiwillig? Doch nicht nur, weil man es gelernt hat? Dahinter steckt was Anderes: die Seele leidet durchaus, sie wird aber abgeschoben, klein gehalten. Sie strebt nach Heilung. Das kann sie nicht selbst tun, ohne uns und unser Bewusstsein. Ihr einziges Mittel ist die Wiederkehr in bekannte Situationen. Wieder eine Beziehung, die so endet und in der ich die Unterlegene war. Ein Mechanismus, der mich, Dich, uns auf etwas hinweisen will.
Sieh hin, da tut es weh! Das ist nicht verarbeitet, das wütet im Untergrund und darum musst Du Dich kümmern.

Es geschieht nichts umsonst, es hat fast alles seinen tieferen Sinn. Durch die Verknüpfung mit der Kindheit erschloss sich mir manches. Ich wehrte mich zu wenig, weil ich auch das nicht gelernt hatte. Lieber klein beigeben, sich ducken und zurück ziehen, keine Probleme zu machen, waren meine Strategien. Andere Kinder wählen andere wie Wildheit und Aufbegehren.

Mir erschloss sich manches und irgendwann beim Frühstück erkannte ich es dann. Ca. zwei Jahre nach der Trennung erst. Lange hatte ich nicht mehr an ihn gedacht, aber an diesem Morgen fiel er mir ein. Was machte er wohl? Interessierte es mich? Eigentlich nicht. Und dann machte es Klick und ich sah unsere Beziehung wie ein Theaterstück auf der Bühne. Ein Zweipersonenstück, in dem zwei Menschen aufeinander reagieren und agieren und oft das Falsche taten. Beide hatten ihren Anteil und beide hatten Schuld, aber es war ausgewogen. Der Unterlegene agierte aus dem Untergrund, der aktive Teil offen. Im Grund genommen gab es kein schuldig und unschuldig.
Irgendwie aber doch, denn mir wurde auf einmal klar, was ich von ihm gewollt hatte: Erlösung von meinen inneren Dämonen. Bitte beweise mir, dass ich es wert bin geliebt zu werden. Bitte zeige Du mir, dass ich geachtet werde, damit ich endlich an mich selbst glauben kann.

Das war verwerflich, denn ich hatte ihn unbewusst instrumentalisiert. Mir geht es schlecht, hier hast Du mein Herz. Ich gebe es Dir. Richte Du es und gib es mir geheilt zurück. Er sollte das für mich erledigen, weil ich es selbst nicht konnte. Weil ich nicht wusste, wie ich mit mir umgehen sollte.

Seither bin ich anders. Reflektierter, bewusster und ich kann jetzt sogar eine Bindung gut aushalten. Ich stehe mir nicht mehr selbst im Weg und suche nicht mehr dort nach Liebe, wo sie nicht ist.
Bin ich geheilt? Sicher nicht, es gibt noch viele Baustellen. Die können auch bleiben, denn ich darf vor lauter Baustellen eines nicht vergessen: zu leben und es mir gut gehen zu lassen!

Noch was zum Schluss. Du fragst Dich warum er in der Beziehung blieb, obwohl er keine endgültige Beziehung mit Dir wollte. Er hat Dich ausgenützt, Dich hingehalten und Dich ausgenützt. Das ist die Variante die Du siehst. Aber das ist sicher nicht die ganze Wahrheit. Er blieb, weil auch er was davon hatte. Nicht im Negativen Sinn, nein. Diese Beziehung hatte einen Wert für ihn, auch wenn es für Dich nicht so aussieht. Sonst hätte er es ja schon früher hingeschmissen.
Und vielleicht dachte er sich auch, dass er mit der Zeit schon beziehungsfähig werden würde. Vielleicht wollte auch er sich eine Chance geben.
Er ist auch nur ein Spielball seiner unbewussten Mechanismen und Du auch. Einen kleinen Teil können wir ans Licht holen, denn was im Licht, also Bewusstsein ist, tut nicht mehr so weh. Es darf da sein, es ist ein Teil von uns, aber wir müssen nicht mehr daran zerbrechen.

Begonie

14.08.2019 11:37 • x 5 #111


J
@Begonie

Liebe Begonie,

vielen lieben Dank, dass Du ein bisschen von Deiner Geschichte mit mir teilst. Ich konnte unheimlich viel rausziehen und nicht nur die Ex-Partner agierten ähnlich, ich finde mich mit meinem Verhalten so sehr in Dir wieder. Sei es in beschriebenen Situationen, den Ängsten und auch den Wünschen.
Du bist so befähigt, einem Dinge zu verdeutlichen, sie transparent zu machen. Eigentlich müsstest Du ein Buch schreiben!

Herzlichen Dank und liebe Grüße von Johanna.

14.08.2019 19:23 • x 2 #112


LoveLoveMUC
Begonie hat es mal wieder auf den Punkt gebracht...

toxische Beziehungen, und all die Dinge die sie erzählt hat, habe ich auch bereits erlebt und jetzt wo ich es wieder lese, finde ich es ganz schlimm - der Art und Weise wie man mit einem umgeht und auch schlimm wie wir selbst haben mit uns umgehen lassen und Bedürftigkeit alles auslösen kann

die Zeilen von Begonie kann man sich in der Phase Trauer nur IMMER und IMMER wieder durchlesen und es hilft weil man sich denkt nein- so lass ich nicht mit mir umgehen!

15.08.2019 07:30 • x 2 #113


J
@Begonie

Liebe Begonie

ich möchte Dich gern noch was fragen. Du hast geschrieben, dass Du nach der Trennung auch eine Freundschaft versucht hast. Magst Du ein bisschen erzählen, wie das war? Von wem ging das aus und überhaupt....

Ich bin nach wie vor gefestigt, es bei keinem Kontakt zu belassen. Also mein Kopf und meine Vernunft. Alles andere wird bekämpft.
Ich habe auch gemerkt, dass ich diesen Freitag nicht schaffe. Kläglich, aber ich hab jetzt meinen Dienst getauscht. Werde ihn trotzdem kurz sehen, aber ich muss nicht mit ihm arbeiten. Dann geht er in den Urlaub und ich habe nochmal 14 Tage Luft.

Liebe Grüße von Johanna

15.08.2019 08:47 • x 1 #114


C
Liebe Johanna, sorry ich hatte die letzten Tage nicht so viel Zeit zum schreiben und auch jetzt bin ich etwas Stress. Deshalb nur kurz: es ist doch gut, dass du den Dienst getauscht hast und kannst dich in den 14 Tagen noch etwas stabilisieren.

Ich kann dir, was eine Freundschaft mit dem Ex angeht, nur sagen, dass das erst möglich ist, wenn man wirklich mit der Beziehung abgeschlossen hat und die Gefühle nicht mehr da sind. Ich hab es probiert, als wir noch unser On Off hatten und ich habe mich nur selber belogen, denn ich wollte ihn über die Freundschaftsschiene zurück gewinnen. Als er mir nun nach der endgültigen Trennung Freundschaft angeboten hat, habe ich es abgelehnt, eben weil ich immer noch Gefühle für ihn habe.

Ganz wichtig, belüge dich nicht selbst.

Begonie, deine Beiträge sind einfach klasse und du hilfst auch mir damit.

Johanna, dir weiterhin ganz viel Kraft, du schaffst das.

15.08.2019 14:43 • x 1 #115


J
Danke @Chrissi26

Ich möchte auch keine Freundschaft. Waren zu Anfang Überlegungen, aber wirklich mit der Motivation, ihn vielleicht in meinem Leben zu behalten bzw zurück zu erobern. Die Illusion ist vorbei.

Dir wünsche ich auch weiter viel Kraft und das es Dir jeden Tag ein Stück besser geht.

LG Johanna

15.08.2019 16:08 • x 2 #116


L
In den seltesten Fällen klappt eine Freundschaft, weil einer meist mehr Gefühle hat.
Ein letztes Gespräch finde ich für den Abschluss gut.
Falls es verweigert wird, kann man nicht viel machen- leider.

15.08.2019 16:13 • x 1 #117


C
Danke, liebe Johanna. Ich hatte am Wochenende einen krassen Tiefpunkt und letzte Nacht von meinem Ex geträumt... Da ging es mir heut morgen mies, aber das ist inzwischen auch wieder vorbei, zum Glück... Also alles in allem sind die Tiefpunkte zwar noch da, halten aber nicht mehr so lange an.

Wir schaffen das schon, alles dauert seine Zeit.

15.08.2019 16:53 • x 2 #118


B
Liebe Johanna,

ja, wir hatten noch eine Art Freundschaft. Natürlich ging die von mir aus, von wem auch sonst? Ich war ja bedürftiger als er.
Es erschien mir als ein Mittel, die Not des Abschieds zu lindern. Denn dieser Mann war ja so wertvoll! Nicht zu vergessen, dass er mich ja Tag und Nacht beschäftigte. Während der Beziehung hatte ich mehr und mehr den Kontakt zu mir selbst verloren, ich war wie ferngesteuert. Da das so allmählich ging, merkte ich es zunächst nicht mal. Aber mein ganzes Interesse galt irgendwann fast nur noch ihm und der Beziehung. Warum nur war er so? Warum war unsere Beziehung so schwierig.
Dass wir ein klassisches Beziehungsmuster hatten, wusste ich damals noch nicht. Ich dachte mir nur immer, nur wir hätten diese einzigartigen Probleme. Auch diese Gedanken sind typisch: meine Beziehung ist ganz besonders und lässt sich nicht mit anderen vergleichen.
Und auch das machte die Trennung so schwer. Von einer Minute zur anderen hatte ich praktisch meinen Lebensinhalt verloren. Was interessierte mich denn noch groß außer ihm, dem wundervollen Mann, der immer unerreichbar blieb!

So bot ich ihm also die Freundschaft an. Die gestaltete sich so, dass wir zunächst noch recht häufig telefonierten, einfach um uns auszutauschen. Als ich dann zum Therapeuten zu einer Beratung ging, schrieb ich ihm per Mail und das schien ihn tatsächlich noch zu interessieren.
Dann war wieder mal drei Wochen Funkstille, ehe ich doch wieder anrief.

Ganz ehrtlich, es tat mir nicht gut. Es verlängert lediglich den Abschied, der unweigerlich irgendwann doch kommt. Ein Ex-Back würde es nicht geben, das wir mir klar. Dennoch hoffe ich, ich könnte für ihn wenigstens eine Freundin sein, wenn schon nicht die Eine. Und ich hoffte und dachte mir, er wird ja nicht gleich eine Andere haben, weil er hat ja das was er will. Das Alleinsein, das ihm immer wichtig war.

Oftmals quälte mich Eifersucht, wenn er sagte, was er am WE machen würde. Andererseits konnte ich ja auch nicht fragen, mit wem er sich rumtrieb. Das hatte mich als EINER Freundin ja nicht zu interessieren. Aber ich glaube, da war schon was.

Er berichtete nämlich von einer seltsamen Unternehmung , irgendwas mit Kultur und irgendein neuartiges Konzept. Er sei dorthin eingeladen worden.
Aha, denk, denk, wer lädt den denn dorthin ein? Tja, wie gesagt, fragen konnte ich nicht, aber es beschäftigte mich natürlich doch. Was war da dahinter?

Zwei Wochen später fragte ich ihn mal so beiläufig-scheinheilig: Sag mal, Du warst doch damals auf dieser eigenartigen Veranstaltung. Wie war denn das?
Er berichtete lang und breit, was mich nicht interessierte. Denn ich wollte ganz was Anderes wissen. Wie das mit der Einladung denn war? Wie sollte ich das herausfinden.
Ich wusste, dass er ein phänomenal kurzes Gedächtnis hatte, was Dinge betraf, die er mir erzählte. Ich merkte mir alles, er vergaß wahnsinnig viel, weil es ihm ja gar nicht wichtig war, was ich so daher brabbelte oder was wir mal ausgemacht hatten.
Da fragte ich dann: Sag mal, wie bist Du denn eigentlich darauf gekommen?
Er: Hmppff, ööööh, weiß ich nicht mehr. Muss ich wohl in der Zeitung gelesen haben oder so!

Ich kannte ihn: Ööööh, war immer sehr verräterisch, weil er es als Denkpause brauchte.Und dann die Aussage: Muss ich wohl ....
Ja klar, das sagt Jemand, der eine Ausflucht sucht. Und dann noch das oder so. Auch das war immer ein Indiz für eine Lüge.

Also war es klar. Er hatte gelogen, denn das mit der Einladung von wem auch immer stimmte, was er mir aber nicht erzählen wollte, weil es von Bedeutung war. Es war nicht Jessica oder Sandra oder sonst irgendwer, mit dem er mal rumzog, es war was Anderes.
Es war wie immer. Wenn ich was fragte, was er nicht beantworten wollte, kamen Ausflüchte. Richtig ehrlich, wann war er das schon?

Ich wusste zwar so viel wie vorher, aber diese Sache hatte durchaus eine besondere Bedeutung. Ich schob das weg. Geht Dich nichts an, er lügt allerdings weiter und es wird schon nichts sein.
Die Angst, er könnte schon die Nächste haben, ging aber dennoch um.

Tja. Es ging noch einige Zeit weiter. Eine Bekannte war in jungen Jahren an Krebs gestorben, wie er berichtete.Und er war letzthin auf einem Tangokonzert. Das tat mir weh, denn ich liebe Tangomusik. Mit mir ging er nicht, wahrscheinlich war auch nichts geboten oder wir wären eh nicht hingegangen, denn wir könnten ja gesehen werden. Eifersucht keimte auf.
Schön sei es gewesen, sagte er. Ob er allein dort war oder mit wem, sagte er nicht und ich fragte nicht. Hätte eh nur eine Ausrede gehört oder eine Lüge.
Es war niederschmetternd. Jetzt tat er Dinge, die ich gerne mit ihm unternommen hätte.Mein Herz schmerzte, denn ich war ja schon draußen aus seinem tollen Leben. Meines war weniger toll.

Im Februar dann kam der Klassiker. Er schrieb mir eine Mail. In letzter Zeit hatte ich mehr geschrieben als er, war mir schon aufgefallen. Aber ich bemühte mich immer noch, ihn in meinem Orbit zu halten, ich ließ nichts unversucht, ihn zu interessieren. Ein Blinder mit Krückstock hätte erkannt, dass er nicht mehr zog, dass ich ihm egal war. Aber ich war zu dumm dazu.
Er schrieb also, er habe spontan (eines seiner Lieblingswörter, bei dem sich mir schon die Nackenhaare sträubten, weil er es ständig gebrauchte!) beschlossen, seiner Kollegin XY beim Umzug nach E-stadt zu helfen. E-Stadt war ein paar Hundert Kilometer entfernt.
Er habe zwar jetzt Halsweh und das Wetter ist gräßlich, aber es würde schon gehen.
Dieser Satz diente dazu, dem ganzen einen Anstrich von Bedeutungslosigkeit zu geben. Ich sollte denken, er habe vor lauter Edelmut seine Dienste angeboten, aber eigentlich würde er jetzt doch lieber zu Hause bleiben. Aber blöd, ich habe es ihr ja angeboten, also muss ich jetzt doch.

Egal, meinte er, ein paar freie Tage werden mir gut tun! Ich überlegte. Häh, ein paar freie Tage. Hallo, es war Samstag! Und er werde sich am Montag melden, wenn er wieder da sei.

Ich saß das, las das zweimal und dann verstand ich. Der half nicht nur beim Umzug, er hängte gleich eine Woche Urlaub in E-Stadt an! Dann war mir alles klar. Dieses komische Kultur-Event, der Tangoabend und jetzt die ach so selbstlose Hilfe beim Umzug. Läppische 500 km, da hilft man doch gerne!

Oh Mann, es war so weit. Er hatte eine Neue, eine Kollegin, die die Stelle wechselte. Sie war mir vom Namen her auch bekannt, er hatte sie schon während unserer Beziehung ab und an erwähnt.
Irgendwie zog es mir den Boden unter den Füßen weg. Jetzt war ich endgültig abgemeldet. Er würde sich natürlich nicht am Montag melden und das war auch so.
Ich sagte auch nichts. Ein paar Wochen später setzte ich ihm das Messer auf die Brust und schrieb: Du hast Dich nach dem Umzug ja nicht mehr gemeldet. Ich wollte nur wissen, ob wir den Kontakt jetzt ganz einstellen sollen. Ich wünsche mir eine klare Antwort, weil ich unklare Zustände nicht schätze.

Die Mail hatte ganz klar einen aggressiven Unterton. Die Retourkutsche kam umgehend:
Du hast auf meine letzte Mail nicht geantwortet (was hätte ich denn schreiben sollen, viel Spaß beim Bettenaufbauen vielleicht?), ich habe zweimal angerufen und Du hast nicht abgehoben (das war wahrscheinlich gelogen, denn natürlich hätte ich abgehoben). Ja, ich möchte den Kontakt einstellen. Es ist besser so. Mach's gut und viele Grüße.

Das waren seine letzten Worte. Nett. Mein Haß war unbeschreiblich. Ich wünschte ihm alles Übel dieser Welt. Er sollte verunglücken, auf dem Weg nach E-Stadt und dann im Rollstuhl sitzen. Oder noch besser sterben.

Nun ja, weder ist er verunglückt noch gestorben. Und im Grund genommen hat er nichts Schlechtes getan. Er hatte die Neue, als ich weg war. Vielleicht war sie auch der Grund für die Trennung.Aber er hat mich schon in der Beziehung oft die Wahrheit nicht gesagt. Das habe ich ihm nachgetragen. Er war kein schlechter Mensch, aber hatte doch keinen guten Charakter. Daher würde ich heute auch keinen Kontakt mehr mit ihm haben wollen.
Ich sehe ihn heute nüchtern und sachlich und muss sagen, dass er eine Verirrung war, die ich hochstilisiert hatte.

Daher mein Rat: Zieh die Sperre durch. Alles andere tut nur weh. Ich denke, dass es kaum Jemanden gelingen kann, von Beziehungswunsch und Trennungsschmerz eine Freundschaft zu etablieren. Die Freundschaft tut nur weh, solange man gefühlsmäßig so drin hängt.

Begonie

Wir hatten eine Fernbeziehung mit 150 km und außerdem war er ja nur eine Affäre. Affären sind meistens sehr leidenschaftlich, das ist die Natur der Affäre. Wir sahen uns während der Beziehung im Schnitt alle zwei Wochen, wo wir von Freitag Abend bis Sonntag Abend zusammen waren. Insofern hatten wir keinen Alltag. Die Beziehung entwickelte sich nicht positiv, sondern negativ, weil das Machtgefälle recht schnell zu Tage trat. Und damit geht es keinem gut. Dennoch, ein Aufgeben wäre für mich nie in Frage gekommen.
Diese Beziehung ergriff Besitz von mir. Obwohl wir uns eher selten sahen, telefonierten wir recht häufig, immer nach der Arbeit und wir hatten auch Kontakt per Mail.

16.08.2019 14:33 • x 3 #119


C
Liebe Begonie, vielen Dank für deinen wieder mal echt klasse Beitrag.

Es sind einige Parallelen auch zu meiner Beziehung und ich kann die Notwendigkeit eines Kontaktabbruchs nur unterstreichen. So hart es auch ist, es ist einfach die einzige Möglichkeit, um loszulassen und irgendwann wieder bei uns selber anzukommen.

Auch dir weiterhin alles Liebe und Gute. Eine Frage noch: wie lange genau ist euer Kontakt jetzt her und bist du drüber weg?

16.08.2019 15:00 • x 1 #120


A


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