Liebes Forum,
mein Partner (25) und ich (29) waren knapp drei Jahre zusammen. Wir haben auch zusammen gewohnt, haben über Heiraten und Kinderkriegen geredet. Ich war seine erste längere Partnerschaft und auch die erste Frau, mit der er zusammen gelebt hat. Am Ostersamstag hat er sich von mir getrennt (ich wollte und will die Trennung nicht, zumindest nicht in ihrer Finalität). Und ich möchte meine Geschichte mit euch teilen in der Hoffnung, hier neue Perspektiven, Empathie, Rat und Tipps zu erhalten.
Nun sind wir beide mit Päckchen ausgestattet. Zu aller erst zu mir: ich habe Borderline. Wenn ihr das googelt, werdet ihr Aussagen finden wie Hände weg von Borderlinern und dass alle Menschen mit dieser Erkrankung toxisch sind. Und es stimmt, dass ich schwierige Züge habe und in der Vergangenheit hatte, dazu später noch mehr. Ich hatte aber eine erfolgreiche Langzeitpsychotherapie und nehme inzwischen auch Medikamente, die meine Emotionen abflachen. Auch meine Therapeutin hat mir sehr positives Feedback zu meiner Entwicklung gegeben und hält mich für durchaus beziehungsfähig.
Zu ihm: er hat ein schweres ADHS (Medikamente wirken leider alle nicht, daher keine Medikation) und Autismus. Dass er im Autismus-Spektrum unterwegs ist, merkt man im Kontakt recht schnell: er redet viel, hat wenig Gefühl für Stimmungen / nonverbales Feedback, hat wenige aber dafür recht extrem ausgeprägte Interessen (Fahrräder), etc.
Zum Verlauf unserer Beziehung: wir kamen uns näher, da er mich unterstützte, nachdem ich kurz zuvor verlassen worden war. Mit der Beziehung haben wir uns Zeit gelassen, ich wollte eigentlich nichts festes, war je recht frisch getrennt, aber es hat dann eben einfach gepasst. Aber wie gesagt: wir haben uns viel Zeit gelassen. Gerade zu Beginn der Beziehung hatte er vieles zu ertragen, was jederzeit eine Trennung seinerseits gerechtfertigt hätte. Das brauche ich gar nicht schön zu reden. Ich habe mich selbst verletzt, im Streit mit Suizid gedroht, im Affekt mit Trennung gedroht oder sie sogar für wenige Stunden vollzogen. Er muss sehr gelitten haben und es tut mir von Herzen Leid. Dennoch blieb er bei mir. Irgendwann war aber klar, dass das so nicht weitergeht. Ich habe mich entschieden, Medikamente zu nehmen. Dadurch wurde es viel, viel, viel, viel besser und stabiler und obige Themen kamen kaum noch oder gar nicht mehr vor. Ich will es damit nicht schön reden. Ich will nur sagen: am Anfang war da ein unvertretbar riesiger Berg sch. meinerseits, und die wurde aber viel weniger und besser im Verlauf.
Ich habe über das offizielle Zusammenkommen hinaus allerdings sehr lang gebraucht, bis ich mir in der Partnerschaft so richtig sicher war. Ich habe Bindungsprobleme, und damit einhergehend suche ich immer wieder den Notausgang, habe Zweifel, Gefühlsschwund etc. Irgendwann, vor ca. 1 Jahr, war ich dann an dem Punkt, dass ich mir wirklich sicher war, so voll und ganz. Für mich war klar: das ist der Mann für mich. Ich will ihn heiraten. Im Rückblick war das die Zeit, in der er unsicherer wurde (davor war er immer recht gefestigt). Er hatte immer wieder Sachen, die ihn störten. Teils war das nachvollziehbar, teils irgendwie unsinnig. Er beklagte sich sogar einmal über meine Stimmungsschwankungen kurz vor der Periode, und meinte dann, es wäre leichter gewesen als ich mich selbst verletzt habe, weil er dann gewusst hätte was zu tun sei . nun ja. Insgesamt lief es nicht schlecht, aber für ihn hat eben was gefehlt. Bessere Kommunikation zum Beispiel. Daraufhin sind wir in eine Paarberatung gegangen.
Im Verlauf der Paarberatung haben wir einiges erarbeitet. Dennoch schien für ihn immer was nicht zu passen. Ich konnte nicht greifen was es war, und ich glaube rückblickend: er auch nicht. Ich merkte, wie immer was zwischen uns stand. Über Monate hinweg vermittelte er mir, dass er sich unsicher sei mit mir, was mich natürlich stresste. Wir stritten immer öfter, zuletzt täglich. Er sagte im Laufe der letzten Monate und Wochen der Beziehung auch immer wieder, dass er seine Bedürfnisse klären müsse, dass er rausfinden wolle was ihm fehle weil er es nicht genau wisse. Er wolle mit Freunden drüber reden. Wochen später hat er dann mit Freunden geredet. Dann kam er heim und er hat sofort und ohne Verhandlungsspielraum Schluss gemacht. Ich hatte das in der Form nicht kommen sehen, wir waren an dem Tag noch zusammen aus dem Urlaub zurück gekommen und hatten bei IKEA über mögliche Möbel für ein Arbeitszimmer gesprochen.
Wir hatten danach teilweise Kontakt. Ich habe ungünstigerweise versucht, die Trennung zu verhandeln, was ihn enorm stresst und nervte. Er wurde immer rigoroser. Auch von gemeinsamen Freunden hörte ich, dass er sich super sicher war und ist mit der Trennung, dass er erleichtert ist. Dass er die Nähe vermisst, aber nicht mich als Menschen. Und dass er mir an allem die Schuld gibt, er habe immer alles versucht und ich habe mich nicht genug verändert. Er wolle definitiv nie mehr eine Beziehung zu mir und ganz viel Abstand. Er bringt 10000 Argumente für die Trennung, von denen manche wieder sehr nachvollziehbar sind, andere aber null Sinn machen und wie Pseudoargumente wirken. Sein Fazit ist aber ganz fest: er will nicht, er kann nicht, wir passen nicht zusammen, wir haben alles probiert, es hat nicht funktioniert, wir sind einfach nicht kompatibel.
Ich bin 2 Wochen nach der Trennung total auf Abstand. Seitdem hat er mich interessanterweise immer wieder kontaktiert. Ca. 1 - 2 Mal die Woche. Immer wegen sachlichen und organisatorischen Sachen, aber doch deutlich kommunikativer und zugewandter und in häufigerer Frequenz als nötig. Inzwischen ist die Kommunikation nett, sachlich, recht entspannt. Ins Verhandeln bin ich seitdem nicht mehr gegangen, ihm gegenüber zumindest nicht.
Ich habe seit der Trennung extrem viel reflektiert. Ich lese das Kind in die muss Heimat finden und erkenne, dass ganz oft unsere inneren Schattenkinder gestritten haben. Ich bin mir rückblickend auch sicher, dass er tiefliegende Bindungsprobleme hat; als Kind wurde er massiv geschlagen, misshandelt, gemobbt und ausgegrenzt, und er hat es nie therapeutisch bearbeitet. Zudem hatte ich ein Gespräch mit einer Freundin, die ebenfalls ADHS und Autismus hat. Das Gespräch mit ihr war für mich ein Aha-Erlebnis. Ich gehe heute davon aus, dass wir in der Paarberatung total falsch waren, wir hätten was autismus-spezifisches gebraucht. Denn wir haben zwar viel geackert, aber immer an seinen Bedürfnissen (die er als Autist eh nicht gut spüren und benennen kann) vorbei! Die Freundin hat mir praktische Ansätze geliefert, wie ich sie damals gebraucht hätte. Zum Beispiel, dass er zu für ihn wichtigen Themen jede Woche eine Powerpoint-Präsentation erstellt (dadurch wird das für Autisten typische Bedürfnis gestillt, sich kontinuierlich mit nicht-vollendeten Themen zu befassen) und wir bekommen einen auf mich abgestimmten Rahmen, in dem diese Themen dann geteilt werden (nicht rund um die Uhr, vor allem nicht bei belastenden Themen in der romantischen Zeit). Nun ja, die Freundin hat mir empfohlen, ihn noch paar Wochen in Ruhe zu lassen und dann den Austausch (schriftlich, das fällt ihm leichter) zu meinen neuen Erkenntnissen anzubieten (nicht aufzudrängen). Ob aus diesem Austausch dann auch für ihn eine neue Perspektive wachsen kann, muss man sehen. Gerade scheine ich für ihn einfach fix als ungeeignet für Beziehung abgespeichert zu sein, und diese klare Kategorisierung braucht er auch. Möglicherweise ließe sich was an dieser Einschätzung drehen, wenn wir uns mit neuen Ansätzen über Vergangenes austauschen. Das sind alles meine Gedanken und Hypothesen, vielleicht sind eure Gedanken ganz anders, dann teilt sie gern mit mir.
So. Das war ein langer Text. Nun mein Problem: ich bin hin und her gerissen. Ich liebe ihn und bin mir sicher, dass ich keine andere Partnerschaft als mit ihm möchte, auch in Zukunft nicht. Ich habe die Hoffnung, dass ich durch oben beschriebenes Vorgehen (sachlichen Austausch anbieten) nochmal war rumreißen kann auf lange Sicht, und dass wir so vieles besser machen können mit der PASSENDEN Unterstützung von außen. Zugleich befürchte ich, dass ich mir unnötig Hoffnungen mache, mich belüge. Und was, wenn er mich einfach nicht mehr liebt, nicht mehr will? Denn dass er mich nicht mehr will hatte er ja eigentlich überdeutlich kommuniziert. Meine autistische Freundin sagte aber auch, dass das jetzt einfach sein Mechanismus sein kann, um nach dem ganzen aufwühlenden Mist seine Ruhe zu haben. Und dass autistische Menschen die Welt eben oft in Ja und Nein, Ganz oder Garnicht einteilen, weil es ihnen hilft.
Was denkt ihr dazu? Hat jemand Tipps für mich? Perspektiven? Hat jemand Erfahrung mit Trennung im Austismus-Spektrum? Ich möchte gern alles tun, um eine bessere, gesündere Beziehung 2.0 mit ihm zu starten. Derzeit halte ich einfach die Füße still und reagiere höchstens, wenn er mir schreibt.
Danke und liebe Grüße
Nebelschwaden
27.05.2025 13:04 •
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