Zitat von Nordmeer: mit Sicherheit hat er sich schon lange von mir verabschiedet. Was ich nicht zusammenbringe, ist die Art, wie er sich mir gegenüber als liebender Mann und Familienvater verhalten hat. Hatten andere Freunde, Bekannte Probleme oder haben sich getrennt, dann hat er oft gesagt, bei Problemen muss man reden und wenn das nicht klappt, dann holt man sich Hilfe (Therapeut, Beratung).
Wie es aussieht, ist in Deinem Mann ziemlich massiv das ausgebrochen, was man zweiten Frühling nennt, und das kann einen Menschen so verändern, dass er sich selbst an jene Vorsätze nicht halten kann, die er davor vielleicht tatsächlich hatte, und sich auch Ideale und Ziele und Gewohnheiten grundsätzlich ändern.
Und ganz offenbar hat dieser Vorgang bei Deinem Mann schon viel früher begonnen als es sich dann geoffenbart hat. Leicht verständlich ist das natürlich nicht, weil man üblicherweise ja zumindest eine gewisse Lebenskontinuität erwarten kann, aber bei manchen kann es zu ganz wesentlichen Umbrüchen kommen, die dann halt noch eine Zeitlang, und seien es Jahre, verborgen werden. Im Grunde hat man es dann mit einem fremden Menschen zu tun, an dem zwar das Äußere noch dasselbe ist, aber das Innere mehr oder weniger vollständig verändert ist.
Das erklärt auch, warum er sich Euren Kindern gegenüber offenbar nicht mehr sonderlich verantwortlich fühlt und auch das so hindreht, wie es ihm gerade gefällt. Landläufig würde man sagen, er ist auf einem Egotrip. Und sein Verhalten entspricht dem eines Aussteigers, dem es in der gewohnten Lebenswelt schlichtweg einfach nicht mehr behagt und der auf ganz neuen Wegen ist.
Es muss also nicht unbedingt sein, dass Dein Mann schon damals so war wie heute und Du Deinen Mann, auch wie er war, neu sehen müsstest. Sondern denkbar ist ebenso, dass der Mann, den Du kennengelernt hast, heute ein deutlich anderer ist. Und insoferne schiene es mir viel wesentlicher, dass Du Deinen Mann einfach so siehst, wie er heute ist, ohne nun gleich alles Frühere in Zweifel zu ziehen (damit ziehst Du nämlich auch Dich selber in Zweifel, und das wäre nicht gut).
Was ihm tatsächlich anzulasten ist, ist, dass er nicht früher darüber geredet hat und offenbar auch sein ganzes Verhalten beibehalten hat, obwohl es seinen inneren Zuständen gar nicht mehr entsprochen hat.
Was Du los bist, könnte man sagen, ist nicht Dein Mann, sondern ein Fremder, der er geworden ist. Und die Plötzlichkeit wird sich wohl daraus erklären, dass er den Dir bekannten Mann noch eine Zeitlang gespielt hat.
Jedenfalls solltest Du Dich vielleicht bemühen, so gut es eben geht, nun den Blick allmählich wieder nach vorne zu richten. Welche Gründe es auch geben, welche man finden mag - all das ändert nichts an den Folgen und der Gegenwart. Was Dir aber bleibt, ist die Zukunft, und wie sich diese gestalten wird, das liegt in Deiner Hand (rechnet man das unerfindliche Schicksal einmal ab).