@Sargon
Vielen Dank für Deine Erklärung! Ich hatte ja nicht ohne Grund gefragt.
Es tut mir unendlich leid! Ich möchte, daß Du weißt, daß ich nicht im Ansatz verstehen kann, wie Krieg ist, ich weiß auch nicht, wie es sich an der Front anfühlt.
Für alle Mitleser hier, wir reden noch dazu über einen Bürgerkrieg. Wie unfassbar schlimm.
Mit 19 entwurzelt in einem fremden Land zu landen, ohne Familie, Hilfe oder Halt. Natürlich hast Du Fehler gemacht.
Es tut mir so unendlich leid.
Von all dem hast Du Dich nicht unterkriegen lassen, weiter gemacht, Dir schließlich etwas aufgebaut. Ein Kämpfer.
Versuch mal, folgendes zu verstehen, all das, was Dich hat überleben lassen, was dazu geführt hat, daß Du Dir etwas aufgebaut hast, sind die Verhaltensweise eines Kämpfers. Die sind wichtig, richtig und gut.
Sie sind aber nicht die, die machen, das es einer Familie gut geht. Daß die Liebe bleibt oder was Kinder brauchen.
Weißt Du, was ich meine?
Stell Dir vor, Du würdest als Feuerwehrmann arbeiten. Wenn man immer in Feuer hineingehen muß, dann braucht es die richtige Kleidung, es braucht einen Schutzanzug. Richtig?
So ein Schutzanzug ist sehr schwer und aus dickem Material, soll er ja auch, sonst schützt er ja nicht. Zu dem gehören auch richtig dicke Handschuhe. So dick, daß Du die Hitze der Dinge, die Du anfasst nicht spürst.
Mit solchen Handschuhen kann man aber niemanden anders streicheln. Nicht den Rücken Deiner Frau, noch über den Kopf Deiner Kinder.
Das ist der Anfang der Erklärung, warum manche Dinge passiert sind. Der Anfang. (ist natürlich immer ein bißchen komplizierter, aber es ist vielleicht kein schlechtes Bild).
Natürlich könnte ich Dir jetzt sagen, Du mußt einfach nur den Anzug ausziehen.
Tja.
Inzwischen hast Du beobachtet, daß das nicht so einfach ist. Du weißt (!), daß Dein Verhalten nicht gut war. Hast Du schon nach dem ersten Mal gewusst.
Erinnerst Du Dich noch daran, wie es war schreiben zu lernen? Konntest Du ja auch nicht beim ersten Mal.
Es hat Übung, Geduld, Zeit und Lehrer gebraucht.
So ist das immer mit dem Lernen, nur weil man weiß, daß schreiben können eine feine Sache ist, kann man es nicht einfach so von heute auf morgen.
Zu lernen, wie man den Schutzanzug wieder auszieht, an welchen Stellen das richtig ist und wo der überall sitzt, das ist, wenn Du wirklich willst, das sich etwas ändert, Deine Aufgabe.
Dazu braucht es Üben, Gelegenheit, Zeit und Lehrer, so wie beim Schreiben lernen.
Ich weiß leider nicht aus welcher Region Du kommst, je nach dem wird es einfacher oder schwieriger für Dich die richtigen Lehrer zu finden.
Es gibt bei der Lehrersuche drei Hauptpunkte,
es braucht jemanden, für den das Thema Krieg/Bürgerkrieg/Flucht nicht komplett neu ist, jemand der die Trauma einer solchen Umgebung kennt und damit schon gearbeitet hat.
es braucht für Dich grundsätzliche Werkzeuge (sogenannte tools), die Du lernst, um Aggression, in dem Moment, wo sie passiert umzulenken. Also zum Beispiel statt die Person vor dir anzugreifen, erst einmal auf den Tisch zu hauen, später, wenn Du weiter bist, auch das nicht mehr, sondern vielleicht eine Runde wortlos um den Block zu gehen. Was auch immer, da gibt es viele Möglichkeiten.
Schließlich fand ich es schön, wenn Du Dich mit dem Wort friedlich in all Variationen anfängst zu beschäftigen. Du kannst die Biographie von Ghandi lesen und Dir eine Meditationsübung suchen (dafür gibt es apps). Alles bei dem es um inneren und äußeren Frieden geht, all das lesen, Dokus schauen, ERFAHREN.
Saragon, Du bist nicht allein. In diesem Krieg wurde eine ganze Generation traumatisiert. Es ist nicht Deine Schuld!
Aber nur Du allein kannst in Deinem Leben dafür Sorge tragen (!), daß dieser Krieg nicht noch mehr Opfer fordert, nämlich Deine Kinder.
Bitte such Dir Lehrer, nimm dir die Zeit und erinnere Dich daran, wie mühsam Schreiben lernen war.
Ich wünsche Dir von ganzem Herzen unendlich viel Kraft.
11.12.2017 20:28 •
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