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Alle Verlasser psychisch gestört?

T
Aus gegebenem Anlass mache ich hier mal einen Thread auf.

Immer wieder wird hier unterstellt, dass Verlasser gestört sind. Da fallen dann Worte wie:

Narzisstische Persönlichkeitsstörungen
Bindungsangst (die es nicht gibt, es wäre eine Bindungsstörung)
Borderline
Depression
Burnout
Cluster-B
Verlustangst
Usw.

Auf der anderen Seite wird hiervon geredet:

Für eigene Bedürfnisse eintreten
Selbstwert
Stabiles Persönlichkeit
Selbstzufriedenheit


Es wird so oft und so schnell unterstellt, dass der Verlasser eine psychische Störung hat, dass einem schwindelig wird. Was impliziert das?

Genau:
Ich bin völlig normal und der andere muss ja eine Störung haben, denn anders kann ich es mir nicht erklären, wie man mich Lichtgestalt verlassen kann. Zudem kann ich mit meiner Superdiagnostik auch gleich mein Helfersyndrom befriedigen, denn wenn ich dem Verlasser nur dabei helfen kann zu seine Störung zu überwinden, wird er schon merken, dass ich der Hauptgewinn bin.

Vermutlich alles hilflose Versuche das empfundene eigene scheitern in einer Partnerschaft zu erklären, denn man selbst trägt ja keine Anteile. Es ist so viel einfacher das einer obskuren, abgedichteten Krankheit in die Schuhe zu schieben.

Wenn ich sehe, wie viele Seiten der Narzisstenthread hat, oder der neue Bindungsängstler Thread, wird mir ganz anders. Echt? Alle gestört?

Alleine das mit dem Bindungsängstlern ist ein Witz für sich. Nur weil man nicht der Hauptgewinn für einen anderen Menschen ist, wird dem unterstellt eine Bindungsangst zu haben? Seriously?
Natürlich sind die Damen in beiden Thread überproportional vertreten. Kann ja nicht sein, dass ein Mann sich nicht binden will! Der dumme Hund, der!

Neeee, Mädels. andersrum wird ein Schuh draus. Wenn ihr es nicht schafft zu binden dann liegt das Problem nicht bei den Männern. Warum muss man(n) sich eigentlich binden? Nur weil es von Mutti und Papi vorgelebt wurde und es adaptiert wird?
Sollte ich nun auch einen Bindungsinkompetente Frauen Thread öffnen. Ist das eigene Ego so sehr im Wege, dass man nicht sehen kann, dass man eben nicht die letzte Cola in der Wüste für das Objekt der Begierde ist?

Jeder Mensch lebt seine Bedürfnisse - der eine mehr, der andere weniger. Das heisst eben auch, dass man mal hinnehmen muss bzw. können sollte, dass man eben nicht die Priorität für jemand anderen ist, sondern er/sie sich selbst an erster Stelle sieht. Sowas nenne ich dann gesund. Wie oft habe ich den Satz hier gelesen: Kümmere und sorge für dich selbst. oder du bist der wichtigste Mensch in deinem Leben.

Offensichtlich nur eine Floskel in den Augen von vielen. Hört sich toll an, oder? Aber sobald es jemand lebt, ist er in den Augen vieler hier ein Fall für die geschlossene, denn dann wird ganz schnell oben Genanntes angedichtet.

Warum der Thread? Weil es mich einfach ankotzt, wie inflationär Menschen mit den Bezeichnungen psychischer Störungen umgehen und damit wirklich Betroffenen die Glaubwürdigkeit nehmen. Ich habe damals beim Selbstmord von Robert Enke nach der bundesweiten Kampagne gedacht, es hätte wirklich Aufklärung und auch eine Sensibilisierung für das Thema stattgefunden.
Offensichtlich lag ich da falsch. Das Stigma, was auch hier von einigen gefüttert wird durch eben die häufige und unzutreffende Nutzung solcher Begrifflichkeiten, ist immer noch riesig.
Vielleicht kann ich hier den ein oder anderen wirklich erreichen, dass er/sie sich mal überlegt, was so eine leichtfertige Nutzung der oben genannten Diagnosen mit sich bringt: eine Bagatellisierung übelster Art, die eben die Glaubwürdigkeit Betroffener einschränkt.
Ich glaube, einige kennen mich hier gut genug um zu wissen, woher das bei mir kommt und warum ich möchte, dass das nicht ungehört bleibt. Die, die mich nicht kennen, sei gesagt: ich habe gute Gründe dafür, sowas zu thematisieren.

Gerne können wir das hier als Diskussionsgrundlage sehen, wenn alles im Rahmen bleibt.
Erzählt mal, wie oft hattet ihr denn gestörte Partner?

Gruss
Tin

21.11.2018 09:00 • x 18 #1


M
So etwas lese ich nicht, noch nehme ich solches wahr.
Woher hast du das?

Vieles beruht doch eher auf deiner eigenen Wahrnehmung?

Ziel dieses Thread ist es....was genau? Das Gegenteil festzustellen?

21.11.2018 09:04 • x 1 #2


A


Alle Verlasser psychisch gestört?

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6rama9
Zitat von Tin:
Erzählt mal, wie oft hattet ihr denn gestörte Partner?

Noch nie.
Zitat von Tin:
Weil es mich einfach ankotzt, wie inflationär Menschen mit den Bezeichnungen psychischer Störungen umgehen und damit wirklich Betroffenen die Glaubwürdigkeit nehmen.

Eine psychische Störung liegt dann und genau dann vor, wenn sie medizinisch diagnostiziert ist. Das ist die einzig valide Definition. Alles andere ist reine Mutmaßung.
Zitat von Tin:
Neeee, Mädels. andersrum wird ein Schuh draus. Wenn ihr es nicht schafft zu binden dann liegt das Problem nicht bei den Männern.

Das ist pauschalierend und hat nur Provokation zum Ziel.

21.11.2018 09:13 • x 5 #3


poesine
Hallo Tin,
ich stimme dir zu.
Hier scheint es immer mehr Hobbypsychologen zu geben, die schnell mit scheinbar passenden Diagnosen um sich werfen (obwohl sie weder die medizinische Ausbildung noch den Patienten jemals gesehen haben).
Ebenso wird es oft sehr persönlich, die sachliche Ebene verlassen um sich lieber anzufeinden.
Die eigene Meinung schreiben? Gerne.
Aber eine andere akzeptieren? Nein.
Wem ist damit geholfen?

Zu deiner Frage:
Mein Partner ist depressiv und hat mittlerweile alle ambulanten Möglichkeiten (Therapie, Medis, Tagesklinik) ausgeschöpft und fährt im Januar in die Reha.
Aber ich bezeichne diese Menschen nicht als gestört sondern als krank.

Gestört finde ich die Klugsch.r mit ihren Ferndiagnosen und Vorverurteilungen.
Wir sind hier nicht vor Gericht, sondern in einem Forum, welches der gegenseitigen Hilfe und Meinungs-/Erfahrungsaustausch dient.

21.11.2018 09:14 • x 6 #4


Pantaray
Also ich hatte bisher nur solche Partner, die meine eigenen Neurosen gut ergänzten oder gar spiegelten.

Insofern denke ich, jede Störung die man einem anderen andichtet sollte Grund sein, sich auf eigene Muster zu untersuchen.

Zumindest wenn man mit dem Ergebnis unzufrieden ist.

Du hast recht, dass allem und jedem eine Störung laienferndiagnostiziert wird, bagatellisiert zum einen die Erkrankungen, und das Berufsbild von Psychologen, die da erst mal paar Jahre studieren und dann noch eine mehrjährige Ausbildung anhängen, um überhaupt Diagnosen stellen zu können.

Andererseits werden einem medial diese Themen ja förmlich um die Ohren gehauen, da fühlt man sich schnell belesen und berufen, mitreden zu können.
Wem kann man da einen Vorwurf machen?

Ich bin auch langsam von dem Selbstliebe Konzept überfordert.
Alles, was einem irgendwie sagt wie man zu sein hätte um als normal zu gelten, überfordert mich regelmäßig.

21.11.2018 09:17 • x 6 #5


T
Zitat von 6rama9:
Eine psychische Störung liegt dann und genau dann vor, wenn sie medizinisch diagnostiziert ist. Das ist die einzig valide Definition. Alles andere ist reine Mutmaßung.

Danke. Leider läuft es hier oft anders.

Zitat von 6rama9:
Das ist pauschalierend und hat nur Provokation zum Ziel.

Korrekt, wie auch der Threadtitel. Allerdings pauschalisiere ich bewusst, denn ich meine ALLE, die jammernder weise in so einem Thread posten und die Schuld beim gegenüber suchen.

21.11.2018 09:19 • #6


T
Zitat von poesine:
Aber ich bezeichne diese Menschen nicht als gestört sondern als krank.

Hier möchte ich kurz einhaken. Krank ist nichts anderes als ein Synonym für gestört, also abweichend von der Norm.
Ich selbst habe eine Angsterkrankung bzw. Angststörung, die ich mittlerweile sehr gut im Griff habe. Letztes Jahr war ich auch in einer stationären Behandlung da sich eine Depression dazu gesellte.
Von daher bin ich bei diesem Thema sehr sensibel, habe viel gelesen, viele Betroffene kennengelernt und leider auch welche verloren - einer davon,weil er nicht ernstgenommen wurde, als er sich öffnen wollte. Ich habe selbst damals als ich mich Menschen anvertraut habe gesagt bekommen: stell dich nicht so an, du Pu$$y, sowas haben nur Frauen.
Das war kein Einzelfall.
Soviel zur aufgeklärten Gesellschaft.

21.11.2018 09:29 • x 4 #7


SlevinS
Zitat von Tin:
Es wird so oft und so schnell unterstellt, dass der Verlasser eine psychische Störung hat, dass einem schwindelig wird. Was impliziert das?


Meiner Einschätzung nach bedienen sich viele/einige (hab keine Zahlen) Verlassende dieser Aussagen um sich nicht mit sich selbst Auseinander zu setzen, zu reflektieren und zu akzeptieren, dass man ebenfalls einen Anteil am Scheitern der Beziehung hatte.

Gründe für Trennungen gibt es zu Haufe wie Sand am Meer, die Frage ist doch, wie diese Durchgezogen wird.
Dazu könnte schon die Äusserung fallen, dass manch Verlasser bei Ikea als unterste Schublade arbeiten könnte, da die Art und Weise der Trennung schlichtweg Charakterlich schwach war/ist.

Denke aber auch, eine Trennung ist meist für einen Teil der Partner nicht erfreulich und somit wird es auch schwer sein zu akzeptieren, dass die Art und Weise der Trennung korrekt war.

21.11.2018 09:30 • x 2 #8


G
Autsch. Als Frau aus Hannover und Anhänger von 96 seit ich denken kann, ist mir das, was du geschrieben hast, sofort ins Auge gesprungen. Weder Hannover noch der Verein hat sich von dem Freitod erholt und zumindest hier in meiner Stadt, gehen wir sehr sensibel mit dem Thema um.

Ansonsten pflichte ich dir bei (nicht so harsch, aber im Sinne schon). Jeder hat Macken, aber es tut halt nicht so weh, wenn man sich hinstellen kann Er / Sie Ex hat ne Klatsche, ist Borderliner, Narziss oder was es da alles noch so gibt. Ist mir persönlich zu einfach und außerdem bin ich kein Arzt, der das diagnostizieren kann.

21.11.2018 09:33 • x 7 #9


N
Lieber Tin, das ist ein wirklich spannendes Thema! - Meine eigenen Anteile an dem Scheitern meiner Beziehung zu erkennen und akzeptieren, war so ziemlich das Schlimmste in den Monaten nach der Trennung. Ich habe zunächst auch krampfhaft nach Problemen bei ihm gesucht: Midlife Crisis, Depressionen, eine neue Frau etc. Irgendwann landete ich dann aber bei mir. Mein Gewissen ist manchmal sehr laut! - Es läuft hier aber in den Threads nicht immer auf die Suche nach Störungen beim anderen hinaus. Ich habe einige miterlebt, in denen der oder dem TE so ganz langsam ein Licht aufging. Letztlich waren das die Threads, die auch mir geholfen haben. - Wenn man die Schuld aber nur ausschließlich bei sich selbst sucht, ist das auch gefährlich!

21.11.2018 09:53 • x 3 #10


T
Tja, hier gibt es auch so feinfühlige Leute, die meinten auch zu mir, ich solle mich umbringen und das meine Therapie gescheitert wäre, man mich hätte nie wieder rauslassen dürfen, usw.
Vor ein paar Jahren hätte mir das wohl sehr zugesetzt, zum Glück bin ich so gefestigt, dass ich nur mit dem Kopf schütteln kann, was es für Menschen (auch hier) gibt und wie unbedacht solche Äusserungen getätigt werden. Grade in einem Forum in dem so viele Menschen mit Leid und Problemen sind plus eben, dass hier einigen sofort eine Störung angedichtet wird.

Ich bin kein Kind von Traurigkeit, auch hier nicht. Mag die Provokation und auch Konflikte, aber ich weiss wo die Gürtellinie sitzt und versuche so gut es geht zu vermeiden unter sie zu rutschen.
Gelingt mir nicht immer, aber doch meistens.

Aber btt: ich glaube eben auch, dass es genug Menschen gibt, die die Schuld beim anderen suchen. Grade bei den Verlassern, die ja aktiv die Trennung eingeleitet haben. Der Initiator ist offenbar der Böse. Ich glaube wirklich, dass das so ein Ego-Ding ist. Welcher Mensch kommt denn gut mit Ablehnung klar? Und ein ich will nicht (mehr) mit dir zusammen sein ist eben Ablehnung pur.
Dann jedoch solche Gründe zu erfinden schränkt dich auch die eigene Sicht auf sich und die Anteile ein. Wie will man daraus lernen und wachsen, wenn der Verlasser immer der Böse ist?

21.11.2018 09:55 • x 5 #11


Kummerkasten007
Ich denke, es ist einfacher das ODB als krank oder psychotisch hinzustellen als zuzugeben, dass er/sie einfach nicht genügend Interesse/Gefühle hatte. Hat wohl was damit zu tun, dass man sich selbst nicht eingestehen will, nicht der Hauptpreis gewesen zu sein (wer will schon Nieten?).

Bei einer empfindlichen Niederlage ist es äußerst wichtig, daß man sie erfolgreich übersteht. (Ernst Ferstl)

21.11.2018 09:58 • x 3 #12


poesine
Leute, die der Meinung sind Männer müssen immer stark sein und werden nicht seelisch krank, glauben wohl auch, dass Männer nicht von Frauen geschlagen werden.
Als wenn Krankheiten sich das Geschlecht aussuchen würden.

Ich finde seelische Krankheiten schlimmer als viele körperliche.
Die Betroffenen leiden, keiner sieht ihnen ihre Krankheit an, oft wird ihnen nicht geglaubt oder es als so schlimm kann das gar nicht sein abgetan.
Seit meiner ersten (und zum Glück bisher einzigen) Panikattacke, die völlig aus dem Nichts auftrat, weiß ich wie schnell es geht.
Der Körper und die Seele schützt sich und zeigt so eine Überlastung/Unverarbeitetes.
Es sind sensible Menschen, die warmherzig sind und oft ihre Bedürfnisse nach hinten schieben, weil ihnen die der anderen wichtiger sind.

Im allgemeinen ist es leichter, wenn man nach einer Trennung einfach dem Ex eine Störung unterstellt, anstatt die Beziehung zu reflektieren und ehrlich sein Zutun erforscht.

21.11.2018 10:05 • #13


N
@tin: Diese teilweise krassen, bissigen und extrem verletzenden Aussagen, die hier getätigt werden, sind einer der Gründe, weshalb ich meine Geschichte noch nicht ganz erzählt habe. Noch bin ich nicht so weit, dass ich damit umgehen könnte!

21.11.2018 10:08 • #14


B
Vielleicht kommen diese Diagnosen häufig im ersten Moment der Trauer.. Allerdings kann auch ein Laie eine NPS diagnostizieren. Wenn es offen genug zu Tage tritt.. Denn gerade ein NPSler mit der männlichen Form (heisst so..Obwohl das auch eine Frau betreffen kann) hat keinen Leidensdruck..Er lebt die Grandiosität und wird zu 99% nicht in Behandlung gehen. Da ist es sinnvoll sich als Partner zu schützen. . Meiner Meinung nach gibt es diese Erkrankung häufig bei der Kriegskinder Generation..Baujahr 1930 bis 1945..aufgrund traumatischer Begebenheiten in der Kindheit und deren Verdrängung .. Auch deren Kinder sind dann weiterbetroffen manchmal. .Es ist nicht verkehrt sich zu schützen wenn man das feststellt.. seltsam ist natürlich wenn nach 15 glücklichen Jahren der Partner nicht mehr will und aufeinmal wird er für krank gehalten. Ich finde hier wurde es schön beschrieben. .Es ist sicher leichter dem anderen etwas anzudichten wofür man selbst nichts kann als seinen Anteil zu sehen / aushalten zu müssen.

21.11.2018 10:08 • #15


A


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