Ich bin fremdgegangen. Neun Monate lang. Mit einem Arbeitskollegen. Mein Freund hat es entdeckt. Es ist vor einem Jahr gewesen.
Ich wollte schon seit einer Weile hier schreiben, und mein Motiv ist, es allen zu sagen, die es gerade irgendwie prickelnd finden und überlegen, eine Affäre anzufangen. Oder auch sich in einer Affäre befinden und nicht weiterwissen. Vielleicht hilft das, sich zu entscheiden.
Denkt nach, denkt verdammt nochmal nach. Ihr habt jetzt eine Beziehung. Und das andere - das ist keine. Das ist noch keine. Es liegt alles in eurer Hand. Es hat keinen Sinn, sich als Opfer der Gefühle, der Umstände und als mißachtetes Lämmchen vom Partner sich vorzustellen. Ihr habt es wirklich in der Hand und könnt alles ändern. Ihr macht das alles selbst. Kein Mensch fällt in eine Affäre wie ein willenloser Sandsack. Seid stolz auf euch und beachtet die Würde des eigenen Partners.
Ist er es wert, dass er nichts davon weiss, was ihn persönlich zutiefst angeht? Soll er wirklich wie ein beschäftigter Idiot verweilen, während ihr im Bett, hinter der Tür, im Hotel, im Auto, im Büro euch auszieht, heiss atmet, küsst? Er wird zucken und zittern, wenn er das erfährt. Ihm wird die Luft fehlen, tagelang, Tage und Monate lang. Er wird nicht schlafen können, nicht essen, nicht arbeiten, er, nicht ihr, wird Flashbacks erleben, die seinen Körper durchfahren, wie euer Körper es in echt doch nicht so durchdringend erfahren hat. Wenn eine andere Hand euren Körper berührt, dann geht nach Hause und schaut auf den Partner und überlegt: was sage ich ihm jetzt? Wirklich jetzt, nicht später, nicht morgen, nicht es wird aufhören. Einfach jetzt, in Echtzeit, von der der Partner nichts weiss. Er wird sich auf dem Boden wälzen und schreien. Stellt euch das vor... Und jetzt: diese Schreie - und das heisse Flüstern und Atmen vom Anderen. Was werdet ihr schneller vergessen? Wird der Partner das Erlebnis je vergessen? Was will der Andere jetzt davon wissen?
Ist denn der eigene Partner jetzt wirklich so schlecht, so atemberaubend und abgrundtief schlecht, dass ihr so einen unsichtbaren spitzen Dolch ihm in den Rücken rammen wollt? Was hat er gemacht? Oder hat er etwas nicht gemacht? Ist er langweilig genug geworden, dass ihr jetzt einmal, zweimal, dreimal mit dem Anderen schlaft? Ist er so beschäftigt, dass man jede Woche den Anderen anstarrt, mit ihm redet, unter ihm liegt oder auf ihm hockt? Nichts auf der Welt wird ihn nachher von solchen Gedanken abbringen. Was hat er so falsch gemacht, wofür eure Niedertracht verständlich und gerecht wäre? Was könnte er erfahren von euren Vorwürfen, wo er sagen könnte: ach ja, genau, das verstehe ich, da konntest du nicht anders, als hinterlistig zum Anderen zu gehen?
Wollte er keinen S.? Wolltet ihr anderen S.? Gab es einen eindeutigen Grund, es ihm nicht zu sagen? Einmal, zweimal, dreimal?.. Es ist so zermürbend, Andeutungen zu machen und kein klares, helles Entgegenkommen, das keine Worte braucht, zu erleben. Kein Sprudel, keine Freude, keine Aufregung, kein Funken. Das alles spritzt jetzt aber bei eurem Erscheinen woanders. Und zwar nur aus dem Grund, weil ihr so seid, wie ihr seid... Ihr seid witzig, intelligent, gepflegtes und lässiges Auftreten, energisches Handeln und manchmal schwärmerischer Blick. Und das alles jetzt mal einfach richtig hineinhauen in Verrat, Niedertracht und Erniedrigung. Ihr wißt schon, was die Worte bedeuten. Und das macht ihr. Und es wird immer das sein, was ihr mal gemacht habt. Ihr seid dazu fähig. Kann man jemals von sich behaupten, dass man das machen würde? Es gibt doch nichts zwischen ihrem Partner und ihnen, wirklich nichts, was einen solchen Vertrauensbruch veranlassen und rechtfertigen könnte. Es gibt vielleicht Jahre und Jahre, wo es euch gut ging. Zusammen. Es gibt Zärtlichkeit, Ruhe, Couch, den Blick auf die Haut, Wärme, Verstehen ohne Worte - ich meine das schöne Verstehen, was der andere will. Ihr kennt ihn. Ihr wißt am besten, was er will. Und er auch. Vertraut doch einfach mal darauf! Redet!
Denkt bevor ihr ihn so durchbohrt. Er wird sich nicht beruhigen, wie ihr denkt. Er kann sich nicht umdrehen, ohne dass jede Bewegung scheuert. Es wird alles entzündet sein. Es ist euer und sein Heulen, Betrinken, Brüllen, Paranoia beim heitersten Wetter, Hilflosigkeit. Macht doch klaren Schnitt. Ist der Partner so unausstehlich geworden? - Dann geht. Zum Anderen. Oder auch alleine, irgendwohin, wenn man selbst Probleme hat, auf die auch der eigene Partner keine Lösung hat. Seid ehrlich zu sich selbst. Alles, was man macht, macht man jetzt wirklich selbst, kein anderer Mensch, kein Anderer, und auch der Partner, wenn er von eurer Aufgewühltheit wüßte, würde er es anders angehen, als beschäftigt und wortkarg zu sein.
Wollt ihr denn ihn haben, den jetzt da ist? Wo treibt er sich herum, weich, lieb, nachgebend, die anderen Menschen mögen ihn sehen, es gelingen ihm Sachen, von denen ihr keine Ahnung habt? Seid ihr neidisch auf ihn? Habt ihr ihm nichts zu bieten? Lacht er nicht mehr über eure Witze? Schmeckt es ihm nicht? Ach, es kommt euch schon in den Sinn, wenn er sich vor Schmerz krümmt. Die eigene Reue und Schande werden Eifer und Kreativität aufwirbeln und gleichzeitig lähmen. Die Realität wird sich so scharf anfühlen, dass man beim Fahrstuhlfahren fast ohnmächtig wird. Und der eigene Partner ist es wert... Oder nicht, dann geht ihr.
Was für Antworten möchte ich denn von euch hören?.. Ehrlich gesagt, weiss ich es nicht so genau. Ich wollte es euch einfach sagen. Es ist wichtig.
05.06.2015 21:23 •
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