@Karina14
ich versuche es jetzt nochmal.
Also Dir ging es ja um den Eigenanteil, der während der Interaktion zum Ausdruck kommt und zur Verschärfung des Konflikts beiträgt. Geschieht natürlich auf beiden Seiten und meistens völlig unbewusst.
Das sehe ich genau so.
Aber dennoch halte ich es insbesondere bei total gestörten Beziehungen, die nichtmal eine gute Basis haben, nicht für möglich, die Beziehung durch das Erkennen des Eigenanteils grundlegend zu verbessern.
In fast jeder langwährenden guten gesunden Beziehung gibt es sehr problematische Themen. In diesem Rahmen ist es sehr sinnvoll, dass beide sich nach ihren Eigenanteilen fragen und einen anderen Umgang miteinander versuchen.
Wenn eine Beziehung diese Basis aber gar nicht hat, sondern diese Basis bzw. der unbewusste Sinn der Beziehung vielleicht sogar darin besteht, ewig aneinander herum zu doktern, sich selbst zu reflektieren, den anderen verstehen zu wollen, also in ewiger Auseinandersetzung mit den Beziehungsbasics zu sein, dann besteht die Lösung darin, sich zu trennen, nicht aber weiter zu reflektieren.
Das Beziehungsproblem kann nämlich auch gerade darin bestehen, dass beide Seiten Beziehung nie anders kennengelernt haben, als miteinander zu ringen, reflektieren zu müssen, alles zu hinterfragen usw. Zu einer gelebten Beziehung kommt es ja gar nie.
Eine Art Sucht, sich ewig mit Problematischem auseinander zu setzen. Je schwieriger die Beziehung, desto mehr Stoff habe ich, um dauerhaft zu grübeln, zu diskutieren, meinetwegen auch immer weiter und weiter nach Eigenanteilen zu suchen.
Und treffe ich mal auf einen Menschen, mit dem es einfach rund läuft, schön ist, es nichts groß zu analysieren und zu lösen gibt, stehe ich ratlos da weil ich das ja gar nicht kenne. Wo sind denn meine geliebten Probleme? Wo ist mein voriger Lebensinhalt bloß hin?!
Unbewusst wurde der Partner ja gerade deswegen gewählt: damit man ewig analysieren, kämpfen usw. kann.
Und die Sehnsucht, die als Motor wirkt: wenn dies und das eeeendlich geklärt ist, wenn ich mich anders verhalte, wenn.. ., dann winkt eine schöne Liebe!, ist in dieser Beziehungskonstellation eine Illusion, denn das Verbindende ist nicht die Liebe, die hinter al den Konflikten und Eigenanteilen schlummert, sondern das nie zu Lösende, ewig Problematische. Also Stoff zum Zähne ausbeißen.
Das Erkennen der eigenen Muster oder auch der Eigenanteile kann in diesem Fall also sinnvollerweise nur dazu führen, die Beziehung zu beenden. Und sich, sofern irgendwann fähig, einen Partner zu wählen, mit dem es gar nicht nötig ist, zu kämpfen, zu ringen.
Habe das jetzt sehr plakativ dargestellt, um deutlich zu machen, warum ich der Ansicht bin, dass das weitere und weitere Suchen nach Eigenanteilen oder die Auseinandersetzung mit der Beziehung und dem Anderen nicht immer sinnvoll ist.
Oder auch so: sagen wir mal, ich verliebe mich in Woody. Woody mag ja bekanntlich nicht viele Worte, ist ein Mensch der Tat. Und nehmen wir mal an, meine Sehnsucht ist aber genau das- viel inniger Austausch usw. Dann kann ich natürlich lernen, anders mit ihm umzugehen, damit mein Gerede, meine Gefühle ihn nicht mehr auf die Palme bringen, aber das Grundproblem ist ja nicht der falsche Umgang miteinander, auch nicht, dass seine oder meine Bedürfnisse falsch wären, sondern die völlig falsche Partnerwahl, die unbewusst gerade dazu dient, dass meine Bedürfnisse bitte bitte auf keinen Fall erfüllt werden.
Oder nehmen wir mal folgendes überzogenes Beispiel. Es ist frei erfunden, aber zeigt, worum es mir geht: Eine Frau verliebt sich in einen Mann, der vergeben ist und dem sie einfach nichts bedeutet. Er schätzt sie null, will aber den guten Säggs mitnehmen. Also füttert er sie ab und zu mit irgend welchen Lügen und netten Worten, verhält sich aber nicht entsprechend.
Sie nimmt das sehr wohl wahr, ist aber aufgrund ihrer Prägung überhaupt nicht imstande, sich für einen Mann zu interessieren, der sich wirklich für sie interessiert und eine Beziehung mit ihr will. Statt dessen kämpft sie darum bei ihm. Eigenanteil. Sie versucht bsw. mit ihm zu reden, ihn zu erreichen uvm., aber stets verhält er sich sehr grob, ignorant usw. weil sie ihm ja einfach schnuppe ist. Sie wird dauafhin hysterischer, vorwurfsvoll, woraufhin er auch aggressiver wird. Der Klassiker des Irrsinns eben.
Wenn sie nun irgendwann dahin kommt, zu erkennen, was da für Muster bei ihr ablaufen, dann bringt es innerhalb der Beziehungsdynamik absolut nichts, zu hoffen, dieser Mann werde sie nun besser behandeln oder lieben, da sie ja ihre Eigenanteile erkannt hat und sich ihm gegenüber fortan ganz anders, reflektierter, bewusster verhält.
Sie ist nun ganz brav und fragt nichtmal mehr, warum er sie nur 1 Mal im Monat für eine Nacht besucht, denn sie weiß ja, dass ihn diese Frage regelmäßig explodieren lässt. Sie ist sich dieses Eigenanteils bewusst und stellt also auch keine Fragen mehr
Bestensfalls verhindert sie dadurch Streiterein, aber das Problem bleibt bestehen. Er interessiert sich nicht für sie.
In diesem Fall kann das Erkennen der Eigenanteile nur zu der Einsicht führen, dass sie sich trennen muss, aufhören muss, gerade da nach Liebe oder Lösungen, Verhaltensänderungen, zu suchen, wo sie einfach nicht geliebt wird. Nicht weil sie Affaire ist, nicht weil der Mann ein Ar** ist, nicht weil sie xyz falsch gemacht hat, sondern einfach nur weil sie diesem Mann nun einmal nichts bedeutet.
Sie wählte ihn ja gerade deswegen aus weil sie ihm nichts bedeutet. Die Lösung ist also innerhalb der Beziehung nicht zu finden.
Es gäbe zu alledem noch viel mehr zu sagen weil es wirklich ein komplexes Thema ist. Aber ich muss mich beschränken.
Aber einen Aspekt möchte ich noch herausgreifen aus solch unglücklichen Beziehungen:
Sagen wir mal, bei folgendem Paar gibt es sogar eine echte Beziehungsbasis, wenn auch klein und wackelig, aber vorhanden. Dieses Paar hat jetzt mal ein massives Nähe-Distanz-Problem. Sie sucht Nähe, er mauert. Beide haben natürlich das gleiche Problem mit verschiedenen Rollen. Sie glaubt natürlich von sich selbst, diejenige zu sein, die zu Nähe imstande ist, wenn er nur endlich einsehen, zulassen würde Blaaaa Er ist gaaanz autonom
Sie hat eine Vaterthematik am laufen. Vater, der nie da war. Er wuchs ohne jede Nähe im Heim auf.
Sie macht nun 1OO Jahre Therapie, erkennt oh oh! Eigenanteil! Ahhhh verstehe!
Und um mal das eher seltene anzunehmen: sie erkennt es nicht nur, sondern macht in der Therapie auch kleine Entwicklungsschritte.
Er tut das aber zu diesem Zeitpunkt nicht, denn es ist eher selten, dass beide zeitgleich Entwicklungsschritte machen. Oder er ist auch gar nicht interessiert daran weil er vielleicht sogar ganz zufrieden mit allem weil er eben so wenig Nähe gewohnt ist und sich auch gar nicht nach mehr sehnt. Ihr Lass doch mehr Nähe zu! ist vielleicht ein Irrtum weil es gar nicht mehr zuzulassen gibt, sondern gar nicht gewollt wird. Ähnlich wie wenn ich Woody schreiben würde: lass doch Deine Lese- oder Redelust zu.
Dann kann sie achtsamer, bewusster usw. mit ihm umgehen, so dass es keine Konflikte mehr gibt, aber Nähe gibt es dennoch noch immer nicht, da ihr verändertes Verhalten nicht automatisch die Macht hat, auch bei ihm was ins Rollen zu bringen weil er eben andere Bedürfnisse hat.
Sie kann es nun verstehen, akzeptieren, aber lebt noch immer ohne Nähe.
Will sie also wirklich etwas ändern und ist dazu auch neben einem nähefähigem Partner imstande, nicht nur fantasiert neben einem Näheunfähigen, dann beendet sie die Beziehung. Oder sie leidet im Bewusstsein, dass sie diesen Mann ja nur wählte weil sie selbst unfäig zu Nähe ist, weiter neben ihm.
Und selbst wenn auch er willens wäre, auch an sich selbst zu arbeiten, würde ihr bewussteres Verhalten natürlich konstruktiver sein, als die alten Spielchen, aber es würde auch dann noch nicht automatisch zu mehr Nähe zwischen den beiden führen weil auch er ganz unabhängig von ihr einen irre langen und intensiven Entwicklungsprozess nachholen muss. Ihre etwas geläuterte Art kann das alleine nicht leisten.
Man kann eh schon gestörte Beziehungen auf diese Weise etwas verbessern, aber den Weg muss ja doch jeder für sich alleine gehen.
Um es ganz drastisch darzustellen: selbst eine einsichtige Co-Narzisstin kann ihrem Narz- meine einen echten NPS`ler- nicht durch besseres Verhalten, das sie in Therapie gelernt hat, Empathie einflößen. Das ist ein irre langer Etwicklungsweg, den er alleine gehen muss.
Und sie ihren, was z.B. bedeuten kann, sich vielleicht mal auf einen Mann einzulassen, dem sie nicht erst über jahrzehnte etwas elementares beibringen muss, sondern es einfach so bekommt, ganz selbstverständlich, oh Schreck!
Dieses Nähe-Dstanz-Beispiel ist sogar sehr nahe an dem, was ich real als sehr junge Frau erlebte.
Ich trennte mich schließlich und kam dann nach einiger Zeit mit dem Mann zusammen, von dem Du annahmst, dass ich ihn idealisiere. Also demjenigen, mit dem es gut lief. Übrigens gaaanz viel Nähe und Schmusereien
Und mein Nähe-Dstanz-Ex sagte mir selbst Jahre später, dass er unser Drama mit der folgenden Frauwiederholte, allerdings mit tragischem Ausgang.
Damit will ich auch nicht sagen, dass ich mich ja so toll entwickelt habe und er stehen geblieben ist, denn dass ich selbst noch mächtig in derBeziehungstinte sitze, zeigt meine letzte Beziehung
Worum es mir bei alledem Irrsinnsgetexte geht, ist zu zeigen, dass es immer sinnvoll ist, nach seinen Eigenanteilen zu fragen und es generell immer klüger ist, sein eigenes Verhalten zuerst zu verändern, statt es vom Partner zu verlangen. Alles keine Frage. Aber ich wollte zeigen, dass es eben auch etliche Fälle gibt, wo dies eine Falle sein kann, bzw. das Grundproblem dennoch nicht löst.
Und darum schrieb ich, dass Das Grundproblem manchmal nicht die falsche Interaktion miteinander ist, sondern die falsche Partnerwahl. Die gegenseitige Wahl ist das Problem und solange man aneinander festhält und es wie schlau auch immer, versucht miteinander zu lösen, sitzt man noch mittendrin im Dilemma, bzw. hat einen großen blinden Fleck. Und vielleicht ist jetzt auch verständlich, warum auch ich meine, dass es nicht um die Schuldfrage geht, aber um die Sinnfrage.
Wie Du siehst, empfinde ich die Thematik als sehr komplex und es ist ja noch viel komplexer und ich weiß auch, dass man gegen all das wieder gegenargumentieren könnte, weitere Aspekte anführen könnte usw.. Darum wollte ich gar nicht so tief ins Thema einsteigen.
Vorwarnung: ich weiß nicht, wann ich dazu komme, wieder schreiben zu können.
04.12.2018 11:40 •
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