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Der lange Weg des Scheiterns - Lernen durch Schmerz

Jetti
Bisher habe ich nur gelesen hier im Forum, aber nun den Mut, auch mal zu schreiben. Deine Gedanken und Dein Erleben, liebe Isnogud, berühren mich sehr.
Es geht mir ähnlich. Allerdings bin ich noch verheiratet, nicht mehr glücklich.
Im letzten Jahr trat ein Mann in mein Leben, der soviel veränderte. Wir haben uns über Monate nur geschrieben, einige Male für eine Plauderei getroffen, ohne dass es zu mehr gekommen wäre. Er wollte das nicht, da ich verheiratet bin.
Natürlich habe ich viel mehr darin gesehen, mich verliebt, trenne mich nun von meinem Ehemann. Aber dieser andere Mann hat inzwischen eine neue Frau kennengelernt und ist mit ihr zusammen.
Ich leide unglaublich. Er ist so ein aussergewöhnlicher Mensch, ich konnte ihm soviel erzählen, er hat zugehört, nie beurteilt und wir waren uns in unseren Interessen sehr, sehr ähnlich.
Leider bin ich jemand mit geringem Selbstwertgefühl. Aber er hat soviel verändert. Plötzlich war ich mir wieder etwas wert, nicht mehr kurz davor, mich aufzugeben. Ich war lebendig, beflügelt, alles war leicht....
Sollte ich das auch so sehen, dass eben dies alles geschehen musste, damit ich zu mir finde? Und sollte eben nicht mehr daraus werden?
Vielleicht wäre eine Beziehung ja auch gescheitert, gerade weil ich mich emotional von ihm abhängig gemacht hätte? Ich weiß es nicht, bin nur unendlich traurig. Ja, und auch die Gedanken, etwas ähnliches nie mehr zu erleben....
Bitte entschuldige, dass ich nicht auf Deine Gedanken eingehen kann, sondern nur über mich geschrieben habe.
Du bist so eine starke Frau, wie Du in den Dingen das Warum erkennst. Danke.

24.05.2021 07:28 • x 4 #46


Isnogud
Liebe @Jetti,
irgendwo hier im Forum habe ich mal gelesen Willkommen dort wo niemand sein will, das trifft es auf den Punkt!

Du darfst hier sehr gerne deine Geschichte schreiben. Jede Ressonanz, die wir uns gegenseitig geben können, hiflt uns allen, weiterzugehen!

Zitat von Jetti:
Sollte ich das auch so sehen, dass eben dies alles geschehen musste, damit ich zu mir finde? Und sollte eben nicht mehr daraus werden?

Ich persönlich glaube, wie gesagt, nicht an das Schicksal. Aber wenn dir dieser Gedanke hilft und für dich tröstlich ist, du damit besser nach vorne sehen kannst, dann finde ich diesen Standpunkt gut.

Unsere Männer haben zumindest eines gemeinsam: Wir haben in dieser Verbindung etwas für uns bisher Besonderes und Einmaliges empfunden und erlebt - sie aber scheinbar nicht, sonst wären sie noch bei uns.
Und an manchen Tagen bin ich dem Wahnsinn näher, als es hier den Anschein hat. Würde gerne bettel-sms schreiben, zu ihm ins Büro fahren und einfach alles nicht wahr haben wollen. Zum Glück ist genug Restverstand übrig der sagt: er ist nicht hier, er kommt auch nicht wieder wenn du dich erniedrigst

Ich finde es sehr gut, dass du dich jetzt trotzdem aus deiner unglücklichen Ehe löst, auch wenn keiner auf dich wartet und dich auffängt. Das hat auch dein Mann verdient, eine neue Chance für sein Leben und auch für deines.
Wie lange wart ihr denn verheiratet? Habt ihr Kinder?
Ich denke mittlerweile, es ist wirklich sehr wichtig sich mal eine Zeit lang alleine mit sich zu befassen und alte Strukturen aufzulösen, um ein bisschen aufgeräumter zu sein bevor man sich auf Neues einlässt.

24.05.2021 08:13 • x 3 #47


A


Der lange Weg des Scheiterns - Lernen durch Schmerz

x 3


Jetti
Liebe Isnogud!
Danke für Deine Antwort.
Verheiratet bin ich seit 20 Jahren, aber wir haben keine Kinder.
Vor einigen Jahren sind wir gemeinsam durch eine sehr schwierige Kinderwunschzeit gegangen. Danach jedoch irgendwie in unterschiedliche Richtungen.

Ja, im Kopf weiß ich, dass es wohl besser ist, erst einmal mein Leben zu sortieren,
bevor ich eine neue Beziehung beginne. Sicher wäre es einigermaßen kompliziert geworden mit Trennung, neuer Liebe, meinen inneren Lasten.
Aber manchmal kommt es mir auch so vor, als würde ich mir die Situation für mich erträglich zurechtbiegen, mit Hilfe dieser Sichtweisen. Denn die Gefühle und das Herz sind anderer Meinung.

Als dieser Mann, in den ich mich so sehr verliebt habe, mir schrieb, er habe eine andere Frau kennengelernt, war ich nicht nur am Boden zerstört, ich bin in ein unendlich tiefes Loch gefallen. Mich daraus zu befreien, wieder nach oben zu kommen, versuche ich jetzt seit 5
Monaten, die Tage verlaufen unterschiedlich. Er hat mir damals angeboten, weiter freundschaftlich in Kontakt zu bleiben. Ich dachte ich schaffe das, würde das Schreiben sonst zu sehr vermissen. Bis zu Ostern haben wir uns noch geschrieben, ganz alltägliche Dinge, über gleiche Interessen. Dann konnte ich nicht mehr, und bat um eine Schreibpause. So traurig war ich jedesmal, wenn eine Nachricht kam. Er hat mich bestärkt, meinen Weg zu gehen, nach vorn zu schauen, und mich gebeten, auch in ihm nur einen Menschen zu sehen. Und nicht das Idealbild, dass ich anhand meiner Wünsche, Vorstellungen und Sehnsüchte aufgebaut habe. Er hat mir also immer noch verständnisvoll zugehört, obwohl ich natürlich nicht meinen ganzen Schmerz vor ihm ausgebreitet habe.
Es fällt mir so schwer, loszulassen. Aber ich sehe ein, und das wird ja auch überall geraten, dass ich den Kontakt zu ihm komplett abbrechen muss. Sonst hören die Tränen nie auf.
Damit verliere ich leider einen außergewöhnlich wertvollen Menschen aus meinem Leben und das tut verdammt weh.
Eine Therapie mache ich momentan, die bereits vorher aus anderen Gründen lief.
Es ist gut, auch dort jetzt über dieses Thema zu sprechen. Und ich vertraue darauf, dass die Zeit mir hilft, und eines Tages an erster Stelle die Dankbarkeit steht. Weil es einfach auch viel bewirkt und mich auf den Weg gebracht hat. Auch wenn nun erstmal das tiefe Loch überwunden werden will. Und ich ihn auch aus meinem Herzen gehen lassen muss.

Ich hoffe auch für Dich und Deine Zukunft nur das Beste, und bin so dankbar, dieses Forum hier gefunden zu haben.

24.05.2021 11:03 • x 6 #48


Isnogud
Zitat von Jetti:
Es fällt mir so schwer, loszulassen. Aber ich sehe ein, und das wird ja auch überall geraten, dass ich den Kontakt zu ihm komplett abbrechen muss. Sonst hören die Tränen nie auf.

5 Monate sind wirklich schon eine lange Zeit. Und wenn man weiterhin in Kontakt bleibt, ist es sicher auch viel schwerer endgültig loszulassen. Andererseits beneide ich dich auch darum, man hat dann nicht das Gefühl, dass man dem anderen von einen Tag auf den anderen egal geworden ist... Wenn man dann selbst die Kontaktsperre einläutet, hat man zudem irgendwie mehr Macht über seine Gefühle und spürt eine gewisse Selbstbestimmung.

Mir ging es die letzten zwei Tage wieder etwas besser. Das Leben nimmt langsam wieder etwas Farbe an. Vorher hatte ich das Gefühl, es ist alles nur grau und leer.
Oft kommt mir in den Sinn, wie er beim Kochen durch meine Küche getanzt ist, und dann muss ich grinsen vor lauter Freude. Und dann bin ich froh, dass ich diese schöne Erinnerung an ihn habe und mich an ihr freuen kann, statt nur traurig zu sein.

24.05.2021 17:19 • x 4 #49


B
Zitat von Isnogud:
Willkommen dort wo niemand sein will

Und wo soll das sein? Verstehe ich nicht.

Zitat von Isnogud:
Und an manchen Tagen bin ich dem Wahnsinn näher, als es hier den Anschein hat.

High Five! Du sprichst mir aus der Seele.

24.05.2021 17:45 • #50


Isnogud
Zitat von Bumich:
Und wo soll das sein? Verstehe ich nicht.

na hier im Forum, am Punkt der absoluten Traurigkeit

24.05.2021 17:48 • x 1 #51


Jetti
Zitat von Isnogud:
Wenn man dann selbst die Kontaktsperre einläutet, hat man zudem irgendwie mehr Macht über seine Gefühle und spürt eine gewisse Selbstbestimmung.


Ja, schweren Herzens gehe ich jetzt diesen Schritt. Weil ich merke, dass ich mich sonst noch viel zu sehr damit beschäftige und in der Vergangenheit hängenbleibe. Wer weiß, vielleicht eines Tages, werde ich ihm freundschaftlich begegnen können.

Zitat:
....dort, wo niemand sein will.

Ich habe das gleich richtig verstanden. Aber ist man einmal in dieser schwierigen Situation, dann braucht man auch so einen Ort, und vorallem den Zuspruch all derer, die ähnliches erlebt haben.
Und das ist eine ganz besondere Erfahrung. In jeder Krise, die ich bisher erlebt habe (vorallem Kinderwunschzeit) durfte ich unheimlich tolle Menschen kennenlernen, die mein Leben bereichert haben. Einfach durch ihr Zuhören, den Austausch, ihre Sicht auf die Dinge...
So empfinde ich dieses Forum auch, selbst wenn man sich nicht persönlich kennt.

Liebe Isnogud! Ich freue mich, dass Du etwas Aufwind verspürst, und langsam wieder Sonne in Dein Leben kommt. Auch wenn es Rückschläge geben kann, so bist Du auf einem guten Weg.
Ja, und auch ich denke so, dass ja all die schönen Erinnerungen bleiben und zu mir gehören. Wie eben auch die Traurigkeit. Sicher wird sie sich mit der Zeit verändern, weniger Raum einnehmen. Aber ob sie jemals so ganz vergeht, da habe ich doch Zweifel.

24.05.2021 20:05 • x 1 #52


B
Zitat von Isnogud:
na hier im Forum, am Punkt der absoluten Traurigkeit

Ahhh. Verstehe. Finde ich nicht.....

25.05.2021 13:36 • #53


Isnogud
Zitat von Jetti:
Aber ist man einmal in dieser schwierigen Situation, dann braucht man auch so einen Ort, und vorallem den Zuspruch all derer, die ähnliches erlebt haben.
Und das ist eine ganz besondere Erfahrung. In jeder Krise, die ich bisher erlebt habe (vorallem Kinderwunschzeit) durfte ich unheimlich tolle Menschen kennenlernen, die mein Leben bereichert haben.

ja, da hast du absolut Recht!

Zitat von Bumich:
Finde ich nicht.....

umso besser für dich

25.05.2021 15:39 • #54


Isnogud
Die Rückkehr der Fliegen

Ich wohne sehr ländlich und im Sommer habe ich immer Stubenfliegen in der Wohnung, die sich scheinbar bevorzugt auf warme Haut setzen.
Ein Bekannter meinte mal zu mir:
Diese Männer sind wie deine Fliegen. Sie schwirren immer in einem sicheren Abstand um dich herum und wenn du dann zu schwach bist, um dich zu wehren, setzen sie sich auf dich.

Und das ist so absolut wahr. Es sind Männer die gelegentlich Interesse zeigen, alle halbe Jahre mal na, wie gehts dir?. Wenn man antwortet: sehr gut, ich bin gerade sehr glücklich, hört man wieder ein halbes Jahr nichts von ihnen.
Antwortet man großer Mist gerade, verwandeln sie sich plötzlich in sehr verständnisvolle Freunde, die einen aufmuntern und mit einem nur mal wieder spazieren gehen wollen...
Natürlich geht es nur um S., manchmal habe ich das Gefühl, es geht nie um etwas anderes.

Bei einigen fällt es mir leicht, die Fliegenklatsche auszupacken. Bei dem ein oder anderen eher nicht. Den mag ich eigentlich ganz gern. Man hat interessante Gesprächsthemen und tatsächlich nette Abende gemeinsam und ich denk dann warum nicht, bist ja frei und ein netter Abend alle zwei Wochen würde dir doch gut tun. Du hast ja weiter keine Erwartungen dran.

Diese innere Dissonanz zwischen Bedürfnisse ausleben und Bedürftigkeit nervt mich.

25.05.2021 18:27 • x 1 #55


Isnogud
Welcome back to Phase 2? Bitte nicht!

25.05.2021 18:42 • #56


B
Zitat von Isnogud:

Natürlich geht es nur um S., manchmal habe ich das Gefühl, es geht nie um etwas anderes.

Die Metapher mit den Fliegen ist gut. Und ja, dein Gefühl täuscht dich nicht. Heruntergebrochen, es geht um nichts anderes. Und es gibt auch keinen anderen Trieb in uns der stärker wäre. Im Grunde dreht sich das gesamte Leben nur um S.. S. und Nahrung. Denn S. bedeutet Leben. Die ist so stark wie ein unbendiger Drache. Kommst du nicht gegen an. Und wenn doch, dann wirst du perv. und sie entartet dir.

25.05.2021 21:26 • x 1 #57


Isnogud
Gefühlsspirale

Mal sehen, ob ich meine Gedanken hier beim Schreiben wieder etwas ordnen kann...
Mir ist bewusst, dass meine Trauer eher in spiralförmigen Windungen verarbeitet wird. Es wird nicht kontinuierlich besser, es geht immer etwas hoch und wieder runter. Und meist fühlt sich das Unten in der Wiederholung etwas weniger tief an, als beim letzten Mal.
Jetzt habe ich zwei Wochen Kinderfrei und das wird wohl der Grund sein, warum ich mir unterbewusst erlaube, mich noch etwas stärker im Tief zu suhlen als die Wochen zuvor.
Essen ist immer noch ein problematisches Thema. Ich habe zwar wieder Hunger, aber wenn ich dann normal esse bin ich danach total müde und mir ist schlecht. Das Essen im Kühlschrank läuft so nach und nach ab und wird schlecht. Die Pflanzen in meiner Wohnung vertrocknen, weil ich sie nicht gieße.
Als würde um mich herum alles absterben. Und genauso fühlt es sich innerlich auch an.

Wenn ich unter Menschen bin, gebe ich mich fröhlich. Nicht mal so bewusst, dennoch ist es eine Maske.
Ich will positiv wahrgenommen werden.

Morgen werde ich mit Peter Pan spazieren gehen - ein Kontakt aus Phase2. Einer, den ich einerseits sehr schätze, der mir andererseits emotional absolut nichts geben kann. Ich beobachte mich dabei von oben wie ein Zuschauer und schüttle den Kopf über mich. Aber ich brauche diesen Nachmittag, um die Einsamkeit mal für zwei Stunden hinter mir zu lassen.

26.05.2021 17:33 • x 1 #58


B
Zitat von Isnogud:
Jetzt habe ich zwei Wochen Kinderfrei und das wird wohl der Grund sein, warum ich mir unterbewusst erlaube, mich noch etwas stärker im Tief zu suhlen als die Wochen zuvor.
Essen ist immer noch ein problematisches Thema. Ich habe zwar wieder Hunger, aber wenn ich dann normal esse bin ich danach total müde und mir ist schlecht. Das Essen im Kühlschrank läuft so nach und nach ab und wird schlecht. Die Pflanzen in meiner Wohnung vertrocknen, weil ich sie nicht gieße.

Der Film kommt mir so dermaßen bekannt vor....Ich habe eh nur eine Palme, die ich auf Arbeit mal vor dem sicheren Tode auf dem Kompost bewahrt habe. Die wächst, blüht und gedeiht. Was ein bißchen Liebe und Zuwendung so bewirken kann....

Zitat von Isnogud:
Als würde um mich herum alles absterben. Und genauso fühlt es sich innerlich auch an.


Nicht um dir herum. In dir. Innerlich stirbt etwas. Und das wirkt sich dann auf dein drumherum aus. Der Tod ist ja nichts äußerliches. Ganz privat und intim. So herum würde ich das sehen wollen.

26.05.2021 19:37 • #59


Isnogud
Zitat von Bumich:
Nicht um dir herum. In dir. Innerlich stirbt etwas.

Ja, da stimmt natürlich. Das innere Gefühl wird im Außen gespiegelt. Weil auch gar keine Kraft da ist, das alles aufrecht zu erhalten.

Es ist so ein Zwiespalt, ich möchte es in mir schnellstmöglich verrecken lassen, damits mir wieder gut geht und gleichzeitig möchte ich die Liebe und Erinnerung für immer behalten und habe Angst zu vergessen wie es sich angefühlt hat...

Zitat von Bumich:
Was ein bißchen Liebe und Zuwendung so bewirken kann.

Wasser auf meine Mühlen

26.05.2021 19:52 • #60


A


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