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Die Schatten einer Patchwork-Ehe - ein Tagebuch

N
Hey Seashell,

wenn man einmal akzeptiert hat, dass man nicht alles in der eigenen Hand hat, wird es merklich leichter. Ein Wechselmodell ist es nicht, aber ich habe den Jüngsten jede Woche bei mir. Wir haben eine Ebene gefunden, in der meine 2. Nochfrau und ich die Elternrolle sehr gut ausführen.

Ich habe sehr viel über mich und mein Beuteschema gelernt, aber auch mit einem Lebensabschnitt abgeschlossen. Mit knapp Mitte 40 war ich gestern noch Familienvater und plötzlich nur noch Vater von ausgezogenen Kindern. Die entstehende Leere will erstmal ausgefüllt werden. Aber das habe ich durchaus geschafft. Ich weiß aber auch, dass ich nie mehr die Energie haben werde eine Patchworkfamilie zu gründen, sehe das aber nicht als Negativ - es ist schlicht eine Feststellung. Meine Kids haben zwar weniger Zeit mit mir, aber mehr Aufmerksamkeit. In der freien Zeit kann ich meinen Hobbies nachgehen und mich meiner Karriere widmen.

Es ist also keineswegs schlecht - eher anderes.

Müde bin ich von den Streitereien. Bei zwei Exfrauen und zwei Kindern habe ich gelernt, dass es immer irgendwo Baustellen gibt, die eigentlich keine sind. Es gibt einfach den Typ Mensch, bei dem sind immer die anderen Schuld. Sie haben es leichter im Leben, mehr Glück, haben mehr Geld, etc. Wenn solche Menschen dann auf den Typen treffen, der sich lieber um andere Probleme, als um sich selber kümmert, dann funktioniert das eben eine Weile sehr gut. Der Eine ist erleichtert und der andere abgelenkt. Win Win! Wenn es dann aber nicht mehr funktioniert ändert sich nur einer von beiden. Die Schuld haben weiterhin die anderen, aber da ist keiner mehr, der sie auf sich lädt.

Und so werde ich dieses Spiel noch eine Weile spielen. Das nervt, ist aber nicht zu ändern. Im Moment ist es Frau Nr. 1, die meint meine finanziellen Ressourcen sind trotz Steuerklassenänderung und halber Neueinrichtung quasi grenzenlos. Da wird nach 10 Jahren ausnahmslos überpünktlicher Zahlung und Erhöhung von Unterhalt deutlich über dem Mindestunterhalt die Beistandschaft abgegeben. Und wenn das Jugendamt dann auch zu dem Ergebnis kommt, dass ich alles richtig gemacht habe, wird die wieder aufgelöst und ein Anwalt eingeschaltet. Es geht immerhin um 24 EUR (bei mir entsprechend um 48). Nur kann das Kindeswohl nicht herhalten um alles mit sich machen zu lassen. Und wenn man sich mal mit dem Unterhaltsrecht auseinandersetzt, staunt man als studierter Kaufmann nicht schlecht.

Wenn das dann rum ist, kommt Frau 2 wieder (ich würde wetten). Der Kleine realisiert so langsam, was da eigentlich passiert ist. Er möchte gerne bei mir wohnen, stellt zunehmend die falschen Fragen aus Sicht der Mutter, nach dem warum ist das alles so passiert. Es kommt zu kuriosen Aussagen wie bspw. der Neue will nicht bei meiner Ex einziehen, solange sich die Kinder nicht benehmen können (Aussage des Kindes). Die geplante Weihnachtsfahrt, weswegen der ganze Zirkus ja veranstaltet wurde, ist aus mir nicht bekannten Gründen auch ins Wasser gefallen. Es ist vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis der Himmel voller Geigen im Alltag endet. Es wird sich dann zeigen, ob die Beziehung das aushält - ich würde es mir wünschen. Denn wenn nicht, kommt da wieder was auf das ich gerne verzichte.

Das ist aus meiner Sicht das Erbe, welches ich antreten muss und daran bin ich ja nun auch nicht ganz unschuldig - wenn man von Schuld überhaupt sprechen kann. Es ist einfach die Fortführung der Beziehungen auf anderen Ebenen. Und das wird solange gehen, bis die Kinder dann tatsächlich groß sind.

Wenn das nicht wäre, ginge es mir blendend - so geht es mir einfach nur gut

So long und danke der Nachfrage. Ich hoffe Dir geht es mindestens ähnlich gut?!
LG
NeuBeginn

23.01.2020 17:42 • x 6 #316


R
Wow...habe es geschafft alle deine Seiten zu lesen und kann nur sagen:Respekt und danke für neue Blickwickel und Einsichten!
Alles Gute weiterhin...

23.01.2020 19:14 • #317


A


Die Schatten einer Patchwork-Ehe - ein Tagebuch

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H
Ich habe deine Geschichte gelesen und du wirst noch sehr viele steinige Wege gehen, bevor du über dem Berg bist.

Wenn sich Menschen ein Versprechen geben, dann wird die Zeit zeigen, was diese wert bzw. ob es nur einfache und wertlose Worte sind.

Deine Ex hatte Schulden und sehr intensive Kontakte? So ist nunmal das Leben, denn wir alle haben eine Vergangenheit.

Du hast immer versucht, dass Richtige zu tun, aber was ist denn richtig oder falsch?

Es ging immer nur um sie? In deinem Text geht es aber vorwiegend um dich, also darum, was für ein toller Mann/Mensch du bist.

Patchwork hat viele Vorteile und auch Nachteile siehe Google... und ja, es ist Arbeit, die viel Kraft und Geduld fordert.

Jeder Mensch ist für sein Glück selbst verantwortlich und niemand sollte sein Glück von einem anderen Menschen verantwortlich machen. Aber ob sie leidet wie du, das bezweifele ich.

Wenn du mehr Zeit und Distanz benötigst, dann gönne sie dir einfach, alles Andere ist Vergangenheit.

Unsere nahestehenden Menschen hören zu, aber alles hat seine Grenzen. Andere Menschen spüren nicht unseren Schmerz, sie haben eine andere Sichtweise und eigene bzw. andere Probleme.

Wenn die Trennung gut für dich ist, dann ist doch alles im grünen Bereich, oder doch nicht...?!?

Du schreibst, dass du viel getan hast und sie fast nichts. Hört sich echt sehr einseitig an. Wenn es so war, dann hat es halt nicht gepasst.

Wir Menschen bewerten uns selber über und gestehen uns eigene Fehler natürlich nicht ein. Aber manchmal haben die anderen Menschen eben recht.

Was das Blind sein betrifft, wenn man einen Menschen wirklich liebt, dann sieht man keine Schwächen oder Fehler. Wenn man wirklich liebt, dann ist der andere Mensch perfekt.

Aber perfekte Menschen gibt es nicht!


VG Holzer60

23.01.2020 20:25 • x 1 #318


N
Holzer, das Thema und die Trennung ist nun fast zwei Jahre her und ich habe nur auf Rückfrage einen aktuellen Stand eingestellt. Von daher sind deine sicher gutgemeinten Ratschläge gar nicht mehr nötig. Hast Du mal geschaut welcher Abstand zwischen meinen Posts ist?

Allerdings finde ich das von Dir geschrieben schon sehr platt, nach dem Motto friss oder stirb. Was für ein toller Mann ich bin, erkennt man schon daran, dass ich zweimal verheiratet war und aus jeder Ehe ein Kind habe.

Ein Freund hat vor ca. 3 Jahren ein Bein verloren. Kunstfehler im Krankenhaus. Sein Leben hat sich komplett verändert und es gab eine Phase wo er einfach nicht mehr wollte. Heute hat er sich damit abgefunden, hat andere Hobbies, einen neuen Job und eine behindertengerechte Wohnung. Ich möchte sogar behaupten es geht ihm besser als vor der OP. War es deshalb gut, dass er das Bein verloren hat? Was wäre gewesen, wenn er das Bein nur fast verloren hätte und so einen neuen Blick aufs Leben bekommen hätte? Müßig, sich darüber Gedanken zu machen es ist wie es ist.

Ich will sagen, nur weil ich mich mit der Situation arrangiert habe, lässt sich wohl kaum sagen ob es gut oder schlecht war. Es ist nun schlicht so.

Was ist richtig oder falsch? Das lässt sich durchaus beantworten, denn wäre eine Antwort immer nur rein subjektiv möglich, gäbe es keinen Rechtsstaat. Unser Leben ist geprägt von gesellschaftlichen Normen. Einige davon sind weich und sehr subjektiv, andere sind hart. Die Grenze zur Objektivität ist meiner Meinung IMMER dann erreicht, wenn anderen geschadet wird. Das ist bei verheimlichten Schulden durchaus der Fall. Denn wenn man ein Haus zusammen kauft und zwei Jahre später holt einen die Vergangenheit dann ein, hat das handfeste wirtschaftliche Konsequenzen für alle. Man kann die Vergangenheit nicht ändern, sie klebt an uns. Aber sie ist auch keine Rechtfertigung für jeden schei., den man durchzieht, wie die berühmte schlechte Kindheit. Respekt und Achtung sind etwas, dass jeder haben sollte. Und gerade in der Trennung sollten die Kinder im Mittelpunkt aller Anstrengungen stehen und nicht der eigene Urlaub und das Nachholen der abhanden gekommenen Jugend.

Nein, sie litt mit Sicherheit nicht wie ich gelitten habe, aber was soll mir das sagen? Das ich zu schwach bin, dass sie der bessere Mensch ist, dass ich mich zu wichtig nehme, dass ich mir ein Beispiel daran nehmen soll? Mit Sicherheit nicht! Aus heutiger Sicht war es das sogar wert. Denn ich bin davon überzeugt, ohne diese Erfahrung hätte ich genauso weiter gemacht. Wir sind alle eben auch die Summe unserer Erfahrungen.

Falls Du es nicht gelesen hast, dies hier ist ein Tagebuch. In einem Tagebuch geht es meistens um die Person, die das Tagebuch schreibt. Ich habe viel Schwachsinn geschrieben, keine Frage. Ich habe Dinge getan, die ich heute nicht mehr verstehe. Aber in einer Zeit, in der man krank ist, sollte man sich vor allem um sich kümmern. Das recht haben Menschen nach meiner Meinung durchaus. Aber man erkennt eines und dafür schäme ich mich nicht: Den Willen gesund zu werden, alles dafür zu tun und nichts unversucht zu lassen. Es beschreibt meinen Weg mit einer Lebenskrise umzugehen nicht mehr und nicht weniger.

Ich brauche kein Google um eine Patchworkfamilie zu beschreiben. Ich habe es erlebt. Und gerade deshalb kann ich mir eine eigene Meinung bilden.

Eine Distanz kann man sich mit Kindern nicht gönnen, das widerspricht sich. Man muss die Elternrolle ausfüllen, ob man will oder nicht. Gerade das macht eine Trennung mit Kindern viel schwerer. Und aus meiner Erfahrung, gerade was Frau Nr. 1 gerade betrifft, sage ich, es ist NICHT leichter die Schuld bei anderen zu suchen als bei sich selber. Denn dann hätte man es selber in der Hand. Es ist vielmehr leichter als Mann dicht zu machen und geradewegs in die Privatinsolvenz zu steuern. Denn was unser Familienrecht da hergibt, gibt einen Einblick wie sich diskriminierte Frauen Jahrzehnte lang gefühlt haben müssen nur eben jetzt umgekehrt. Wir Männer sollten uns hier mal offen entschuldigen und im nächsten Schritt die Rechtsprechung mal in dieses Jahrhundert holen.

Den letzten Punkt zur Liebe könnte man in ein Poesie-Album schreiben. Holzer mit Respekt, ich bin keine 18 mehr.

Dir alles Gute!

24.01.2020 09:56 • x 4 #319


S
Lieber Neubeginn, du bist sehr reflektiert und ich bin mir sicher, dass du auf einem sehr guten Weg bist. )

Zitat von NeuBeginn18:
Das ist aus meiner Sicht das Erbe, welches ich antreten muss und daran bin ich ja nun auch nicht ganz unschuldig - wenn man von Schuld überhaupt sprechen kann. Es ist einfach die Fortführung der Beziehungen auf anderen Ebenen. Und das wird solange gehen, bis die Kinder dann tatsächlich groß sind.


Ich sehe es ganz genau. Die ex-Partnern werden in userem Leben so lange bleiben, bis die Kinder groß sind. Meine Geschichte ist komplizert, ich und mein Partner haben wir 4 Kinder jede zweite Woche. Es ist eine echte Herausforderung alles unter einen Hut zu bringen, aber es wird langsam..

Es gibt kein richtig oder falsch nach meiner Meinung. Es ist immer die Sichtweise auf die Dinge oder Situationen, die uns zu den Lösungen führt.

Ich wünsche dir weiterhin alles Gute! Virtual Hug

29.01.2020 20:55 • x 1 #320




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