Ihr Lieben
Vor rund einem Jahr war ich regelmässiger Gast in diesem Forum, habt ihr mir alle täglich dabei geholfen, diese schlimme Zeit zu überstehen, morgens aufzustehen und den Tag zu überlegen. Irgendwie.
Heute hat eine unserer Mitstreiterinnen meinen damaligen Thread Lohnt es sich zu warten? Kann er zur Vernunft kommen? (sorry, bin zu blöd den Link einzufügen) bei ihrer Recherche wieder gefunden und mich gefragt, wie es mir heute geht. Und mich anschliessend gebeten, meine Erfahrungen mit euch in diesem Thread zu teilen.
Es erscheint mir schwierig, unsere damalige Situation in ein paar kurze Wort zu fassen. Wir haben uns als Freunde kennen gelernt, schnell gemerkt, dass wir eine spezielle Bindung zueinander hatten, aber wir waren beide in einer Beziehung. Diese scheiterten unabhängig voneinander, und wir kamen uns innerhalb der nächsten Monate näher. Merkten, dass das zwischen uns etwas Besonderes war. Kamen zusammen. Aber hatten oft Streit. Weshalb, war uns beiden nicht so ganz klar. Erst im Nachhinein gesehen war der Auslöser, dass er ein Kindheits-Trauma aufgrund der traumatischen Beziehung mit seiner Mutter hatte (mit der er seit 16 keinen Kontakt mehr hat, da sie ihn psychisch und physisch misshandelt hat)... Kurz gesagt hatte ich niemals eine Chance.
Die Trennung damals hat mir komplett den Boden unter den Füssen weggerissen. Dieser Mann war der erste, der mich echt berührt hat, und ich war damals doch 33ig. Ich habe das erste Mal richtig geliebt, und die Trennung war die Hölle für mich. Von einem Tag auf den anderen, völlig aus dem Nichts heraus hat er sich getrennt, ohne Vorwarnung, mit der Begründung: Ich will lieber alleine sein, als mich mit dir und damit auch mit ähnlichen Konfliktsituationen wie mit meiner Mutter auseinander zu setzen.
Ihr kennt die Reaktion in dieser oder ähnlichen Situationen alle selbst. Man wird aus der Bahn geworfen, die Erde dreht sich obwohl man selbst in Zeitlupe vorwärts geht, man kann nicht aufstehen, nicht essen, nicht schlafen, nur weinen. So ging es mir. Lange. Meine Freunde machten sich Sorgen um mich, sie hatten mich - sonst so starke Frau - noch niemals so gesehen. Ich war am Boden, nichts zählte mehr. Nur das Eine: Ich würde mich nicht bei ihm melden, ihm nicht schreiben, ihn nicht anrufen, nicht an den gleichen Partys auftauchen. Ich habe für mich die komplette Kontaktsperre gewählt. Von Anfang an. Ich war mir von Anfang an sicher - wenn er sich mit sich selbst und seiner Vergangenheit auseinander setzt, dann kommt er zu mir zurück, denn was wir hatten, war die einzig wahre und erste echte Liebe für ihn. Aber das machte ihm Angst. Das wusste ich.
Und auch wenn es mich echt fast umgehauen hat. Täglich. Aber ich hab mich nie bei ihm gemeldet. Tagelang, wochenlang, monatelang. Am Anfang hab ich versucht aufzustehen jeden Tag. Dann irgendwann die Tage auch wieder zu geniessen. Zu mir zurück zu finden. Zu ergründen, was ich denn überhaupt vom Leben will und mag. Was für mich eine Beziehung ausmacht.
Und dann, irgendwann, einige Monate später, erfuhr ich über Freunde: Er vermisst mich so sehr, er hat einen Therapeuten aufgesucht, der ihm hilft, sein Kindheits-Traum aufzuarbeiten. Nun gut, dachte ich. Soll er. Dann, einige Monate später, hat er sich bei mir gemeldet. Wir hatten erst nur - von meiner Seite aus - zögerlichen, oberflächlichen Kontakt per SMS, dann per Mail... und irgendwann haben wir uns getroffen, und er hat stundenlang erzählt, wie es ihm ergangen ist, welchen Einfluss seine Mutter auf unsere Beziehung hatte, und wie er heute darüber denkt... Er hat mich angefleht ihm noch eine Chance zu geben...
Irgendwann habe ich ihm diese Chance gegeben. Es war ein langer Weg, es hat lange gedauert bis ich ihm wieder vertrauen konnte. Wir haben intensiv an unseren Verhaltensmustern gearbeitet, beide eine Therapie gemacht - individuell - und mit unseren jeweiligen Verhaltensmustern aufgeräumt... es hat viele Diskussionen und Klärungen gebraucht.
Aber heute - heute wohnen wir seit 5 Monaten zusammen und sind glücklich wie nie. Wir wissen heute - es hat diesen Bruch vor einem Jahr gebraucht. Wären wir damals zusammen geblieben, hätte es diese Trennung (übrigens im Affekt aus einem blöden Streit heraus) nicht gegeben, hätte unsere Beziehung niemals funktioniert, wäre sie niemals so gesund wie heute. Und dafür sind wir jeden Tag dankbar.
Ihr Lieben, es tut mir leid, dass ich euch so vollgetextet habe. Was ich euch eigentlich sagen will, wenn ihr bis hierhin gekommen seid: Bitte seid euch bewusst, dass ihr in erster Linie einfach nur selbst den Tag überstehen, überleben müsst. Steht auf morgens, geniesst Sonnenstrahlen, unternehmt etwas mit Freunden, probiert etwas Neues, geht hinaus und erlebt das Leben! Schaut zu euch und beginnt das zu tun, was euch Spass macht! Und nur das! Ob er oder sie nun aus den falschen oder richtigen Gründen gegangen ist - egal! Schaut zu euch, und lasst euren Ex-Partnern die Zeit, zu sich selbst zu finden! Nur wenn er/sie Zeit hat, sich auf sich selbst zu konzentrieren - ohne dass er/sie von euch hört, hat euer Ex-Partner auch die Zeit, euch zu vermissen. Und nur wenn er/sie euch vermisst, können sie die nötigen Schritte dazu unternehmen, sich selbst zu hinterfragen und etwas zu ändern. Niemand kommt zurück, weil er/sie dazu unter Tränen gezwungen wird. Sondern nur, weil er/sie, es will. Aus eigenem Antrieb. Und ganz ehrlich: Wenn er/sie nicht zurück kommt, sind sie selbst schuld - aber ihr dann Gott sei Dank darüber hinweg! Irgendwann, wenn ihr euch genug auf andere Dinge konzentriert habt (funktioniert auch, hatte ich auch schon, die Situation)
Ihr Lieben, ich hoffe, das war jetzt nicht so moralapostelmässig für euch. Ich wurde darum gebeten, deshalb hab ich meine Erfahrungen mit euch geteilt. Und ich wünsche mir von Herzen, dass ihr alle wieder glücklich werdet.
Fühlt euch gedrückt.
Eure Mel
21.08.2014 22:49 •
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