Liebe Katinka,
ich glaube, ich habe tatsächlich alles gelesen, was du in diesem Faden geschrieben hast. All deine Gefühlstsunamis sind nachvollziehbar und logisch. Nachvollziehbar ist auch, dass du dir aktuell nicht vorstellen kannst, die Ehe weiter zu führen. Allerdings würde ich da gern einhaken
.
Ich halte es für sinnvoll, dass du es wenigstens für MÖGLICH hältst, die Ehe weiter zu führen. Was dafür geschehen müsste, ist noch offen. Aber abgesehen von allem, was geschehen müsste, wäre es gut für dich, wenn du es wenigstens für möglich hältst. So wie du es auch für MÖGLICH halten solltest, allein als Single den Lebensabend zu verbringen, oder mit einem neuen Partner. Nur wenn alles möglich und denkbar ist, hast du ja eine Wahl.
Anders als viele andere hier bin ich übrigens nicht der Meinung, dass dein Mann durch die bescheuerte Aktion mit der angeblich schönen jungen Frau (die es vermutlich so gar nicht gibt),eure Ehe beendet oder zerstört hat. Er hat etwas getan, das unverzeihlich scheint, und das eure Ehe natürlich sehr gefährdet. Ich glaube allerdings, er hat es getan, weil es sich gut anfühlte und weil er alles außen vor gelassen hat, was Realität ist. Auch dich. Denn du warst ja irgendwie „sowieso da“. Du warst selbstverständlich und es sollte ja alles geheim bleiben. Mit Realitäten hatte das alles nichts zu tun, sondern es war so etwas wie ein Spiel, dass bei ihm ordentlich Hormone in Schwung gebracht hat. Er war in einem Tunnel.
Und nun hat ihn die Realität eingeholt. Gott sei Dank. Er sieht mehr und mehr, was er angerichtet hat und in welchem luftleeren Raum er sich bewegt hat. Vor allem aber wurde ihm durch deine Reaktion klar, dass du keineswegs mehr „sowieso da“ bist, sondern dass es sehr viel wahrscheinlicher ist, dass du gehst – oder ihn fort schickst. Es wirkt also auf ihn einerseits diese Realität, mit deinem Schmerzen, deinen Verletzungen und der Möglichkeit, dass die Ehe beendet ist. Andererseits wirkt aber auch das immer größer werdende Schuldbewusstsein. Das hatte er anfangs nicht, das baut sich nun auf und das führt dazu, dass er sich sehr klein fühlt und unterordnet.
Er hat also durch seine Aktion Macht über dich ausgeübt, weil er es heimlich getan hat und dich im Ungewissen ließ. Jetzt aber kannst DU Macht ausüben, er ordnet sich unter. Du kannst ihn verlassen, du kannst ihn fortschicken, du kannst Wiedergutmachung verlangen, du kannst ihm Vergebung verweigern. Das ist viel Macht, die du da hast, auch wenn du die eigentlich gar nicht haben wolltest.
Und nun geht es darum, diese Macht klug einzusetzen. Und zwar für DICH, so dass es dir gut damit geht. So dass du dein Leben weiterhin erfüllt, zufrieden und glücklich führen kannst. Und zwar bestenfalls nicht allein, sondern mit einem liebevollen Partner in Harmonie.
Ich habe es hier schon oft geschrieben: Du bist in der Position einer Biene, die sich bedroht fühlt. Du hast die Macht, ihn zu stechen. Aber Bienen sterben, nachdem sie gestochen haben. Und bei euch ist es die Liebe, der Lebensplan und die gemeinsame Zukunft, die dann sterben wird. Wenn du stechen willst, um ihn zu bestrafen, musst du also klug abwägen, inwieweit du dich auch selber damit bestrafst. Das braucht Zeit, und die kannst dir nehmen. Das braucht aber auch kluge Gedanken und Abwägungen und viel Vorstellungsvermögen.
Am Ende bist du also entweder Single, oder du musst mit ihm wieder auf Augenhöhe kommen, ohne den jetzt eindeutigen Machtvorsprung. Das geht, das geschieht immer wieder. Dann spricht man viel miteinander ab, nimmt sich bestenfalls professionelle Hilfe dazu und heilt eine Verletzung nach der anderen. Ich wünsche dir, dass du das erlebst. Und dann wird natürlich auch besprochen, wie ihr damit umgeht, wenn einer von euch beiden doch noch mal „Gelüste nach außen“ haben sollte. Ob du oder er, das ist dann beides möglich.
Denk also an die Biene. Aber scheu dich nicht, wieder als Single zu leben, wenn das die einzig denkbare Möglichkeit für dich ist.
Alles Liebe und Gute dir.
12.09.2025 17:10 •
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