Hallo zusammen,
ich wünsche Euch ein frohes neues Jahr und hoffe, ihr nehmt mich (w/39) wohlwollend in Eure Runde auf. Ich lese schon lange Jahre in diesem Forum mit und bin sehr dankbar, dass es diesen Ort gibt, an dem traurige Herzen einen Platz finden
Nächsten Monat jährt sich der Tag, an dem ich die Trennung ausgesprochen habe, zum vierten Mal. Und es ist, als hätte ich damals das Licht in meinem Leben ausgeknipst. In grenzenloser Naivität, die ich mir bis heute nicht verzeihe.
Nach über 10 Jahren und endlosen Gesprächen über uns war er mir nicht mehr gut genug. Und ich ihm wahrscheinlich auch nicht mehr. Denn den letzten Schritt der Verbindlichkeit wollte er nicht mit mir gehen, viele Jahre lang nicht. Ich empfand ihn zum Ende der Partnerschaft (also in den letzten 6-9 Monaten) zunehmend als antriebslos, unambitioniert, ziellos. Stumm. Faul. Nicht fähig, Entscheidungen zu treffen. Am Tag der Trennung sagte er Auch das hast Du jetzt selbst machen müssen. Er weinte bitterlich, als ihm klar wurde, dass die Trennung auch ein Abschied von den Haustieren bedeuten würde. Er weinte nicht wegen mir. Mit der Begründung, er wisse ja, dass ich alleine klar kommen würde aber die Haustiere nicht.
Die Trennung war emotional grausam aber geprägt von gegenseitigem Respekt. Wir sind im Guten auseinander, trafen uns noch zwei Mal kurz danach. Ich fragte ihn (warum auch immer) was er an mir am meisten gemocht hätte. Seine Antwort: dass Du mich gemocht hast.
Ich zog aus. Und dann folgten Wochen und Monate voller selbstmitleidiger Heulkrämpfe und Nervenzusammenbrüche, in denen ich mir nicht verzeihen konnte, mir selbst das Herz herausgerissen zu haben. In einer scheinbar tollen Wohnung, die sich als Höllenloch entpuppte in dem ich zu keiner Tageszeit zur Ruhe fand, vom Morgengrauen bis tief in die Nacht. Zwei Jahre lang.
Ich wünschte mir mit aller Macht, ich könnte die Zeit zurück drehen und ihn wieder so vorbehaltlos lieben wie die Jahre zuvor. In diesen Monaten wurde mir klar, dass er mich nicht wirklich geliebt hatte. Dass mich noch nie jemand wirklich geliebt hatte. Und dass ich genau das in mir trug und lebe, was ich an ihm abgelehnt hatte: dass ich genauso bin wie er antriebslos, introvertiert, ziellos.
Meine Familie war teilweise ein Halt für mich, war aber aus meiner Sicht und auch verständlich nach einiger Zeit des Themas überdrüssig. Ich konnte mich und mein heulendes Elend, die immerwährend gleichen Gedanken ja selbst nicht mehr ertragen. Ich war ein depressives Nervenbündel. Stürzte mich in die Arbeit, massiv. Lenkte mich ab.
Ihr kennt das ja alle, diesen Tanz der Emotionen: zwei Schritte vor, fünf zurück. Das ging sehr, sehr lange so. Immer wenn ich dachte, tiefer könnte ich nicht fallen, tat sich in der Dunkelheit eine weitere Stufe nach unten auf und mir fehlte sehr oft die Kraft, auch nur den Kopf zu heben und nach oben zu blicken.
Ich hätte alles dafür gegeben, von jemandem umarmt zu werden. Nur fünf Minuten lang, den beruhigenden Herzschlag des anderen an meinem Ohr. Das ist heute auch noch so.
Meine Güte, was war ich naiv zu denken, ich könnte einfach so, irgendwann einen anderen Partner finden! Jemanden, in dem ich mich spiegeln kann. Weil ich selbst, trotz aller Bemühungen der letzten Jahre nicht dazu fähig bin, mich in mir selbst zu spiegeln. Das dazu notwendige Urvertrauen wurde mir nie vermittelt. Ich bin ein Instrument, aber nicht fähig, selbst Musik zu erzeugen.
Irgendwann fing ich zaghaft an, die Fühler auszustrecken. Das erste Mal nur wenige Wochen nach der Trennung (Fehler, da fand ich meinen Ex auf derselben Plattform, also wieder Stopp), danach nutzte ich in den ersten zwei Jahren kurze Hochphasen, wenn ich mich stabil genug dafür fühlte. Doch zwischenzeitlich habe ich es gelassen, denn es ist eine für mich wirklich schräge Sammlung der Begegnungen zusammen gekommen.
Ich bitte darum, die nachfolgende Auflistung nicht als Männer-Bashing zu verstehen, es gibt definitiv auch ganz anders gestrickte Menschen die mir nur leider noch nicht begegnet sind:
Mann 1 - (persönlich)
Erzählte, er habe ein Buch geschrieben. Entpuppte sich als Comic mit total wirrer Handlung; so wirr wie der Typ selbst. Gab an, er habe schon in so ziemlich allen Bundesländern gewohnt. Meine Frage, warum noch nicht in einem bestimmten (angrenzenden) Bundesland wies er barsch zurück mit der Aussage, diese Frage wäre ihm zu persönlich.
Mann 2 - (persönlich)
So Mitte/Ende fünfzig; saß bei einem Treffen einer Gruppe Gleichgesinnter neben mir, wiederum links neben ihm seine Frau. Schrieb mich danach auf FB an und bettelte wochenlang um Fotos. Bis ich ihn gesperrt habe. Die Gruppe habe ich nie wieder aufgesucht.
Mann 3 - (persönlich)
Total netter Kerl, leider optisch überhaupt nicht mein Fall und mit etwas speziellen Gewohnheiten, die ich nicht teilte.
Mann 4 - (digital)
Von etwas weiter weg, klang gut, bis sich herausstellte, dass er da nur unter der Woche wäre und als Ergänzung gerne was zum Mitnehmen auf dem Heimweg am Wochenende gehabt hätte garantiert war er da immer auf dem Weg zu seiner Familie.
Mann 5 - (digital)
Schrieb mich auf einer Plattform an. Er wollte mich unbedingt treffen. Ich hatte Bedenken wegen der Entfernung. Doch er bestand darauf, dass wir wenigstens mal telefonieren. Was soll ich sagen er ging nicht ran.
Mann 6 - (digital/telefonisch)
Fragte mich nach nicht einmal zwei Minuten am Telefon, wie ausgeprägt meine Körperbehaarung an diversen Stellen wäre und ob mir 6 wichtig ist. Hatte sein Profil kurz vor dem Telefonat definitiv von kinderlos in Kinder-habend geändert und ich bin sicher, der war auch verheiratet.
Mann 7 - (digital)
Startete eine Mischung aus Kreuzverhör und Vorwürfen, als er schon nach 5 Minuten fragte ob ich Kinder wolle und mit der Antwort gar nicht klar kam. Hat sich von selbst erledigt, als die Technik der Sache zum Glück einen Strich durch die Rechnung machte.
Mann 8 - (digital)
Hätte ein Problem damit gehabt, wenn ich mit hohen Schuhen größer gewesen wäre als er und bat beim geplanten Treffen um flaches Schuhwerk. Dann kamen die Fragen, ob ich denn auch Klamotten für ihn anziehen würde, in denen ich mich unwohl fühlen würde ihm zuliebe. Und ob er mir auch Klamotten kaufen dürfe. Es fand natürlich kein Treffen statt.
Mann 9 - (persönlich)
Strahlte mich an, übertrieb maßlos mit Aussagen, was er wie alles für mich tun würde. Nahm mich beim Gang durch die Menge an der Hand und streichelte meine dabei. Versprach, mich zwei Tage später zu kontaktieren. Meldete sich nie wieder.
Mann 10 - (persönlich)
Sagte mir beim zweiten beruflichen Treffen ins Gesicht, dass er mich mögen würde und zwar nicht nur, weil er mich flachl.egen wolle. Ließ sich von der Veranstaltung von seiner Frau abholen. Meldete sich alle Monate mal wieder und fing irgendwann an, mich zu beleidigen.
Mann 11 - (persönlich)
Ebenfalls beruflich. Wusste wer ich war und wie ich aussah. Schrieb tagelang mit mir, dann plötzlich zwei Wochen Funkstille. Aus dem Nichts rief an und bat um ein Treffen - bei dem er mich abschätzig musterte. Desinteresse im Wechsel mit Interesse, abweisend und dann wieder eindeutig zweideutig. Flirtete offensiv mit der Bedienung während ich daneben saß. Und verbalisierte sein Verhalten dann auch noch.
Mann 12 - (persönlich)
Klebte bei einer Veranstaltung an mir, unterhielt sich über Stunden hinweg mit mir, lief mir nach als ich mich höflich aus der Gruppe verabschiedete, um sich weiter mit mir zu unterhalten. Trug keinen Ehering. Ein dreiviertel Jahr später heiratete er seine langjährige Lebensgefährtin, von der ich nichts gewusst hatte. Das erklärte im Nachhinein auch, warum er bei weiteren Begegnungen so tat, als wüsste er nicht wer ich bin.
Das war letztes, nein. vorletztes Jahr. Und ganz neu hinzugekommen, vor zwei Wochen. ich hatte es NICHT darauf angelegt und war maximal unattraktiv und neben guten Bekannten auch mit den +10-Frust-Kilos, die ich mir in den letzten Monaten angefuttert habe, unterwegs:
Mann 13 - (persönlich)
Umgarnte mich den ganzen Abend lang bis in die Nacht, gab Vollgas in jeder Hinsicht, wollte unbedingt meine Nummer (nope) und mich wieder sehen. Obwohl klar war, dass an diesem Abend sowas von nichts laufen würde und ich mich maximal zurückhaltend gab, ließ er nicht locker. Ich sagte ihm, wenn er wirklich wolle, könne er mich auf FB finden, er wisse ja meinen Namen. Ganz klar hat sich nicht gemeldet.
Wisst ihr, das für mich wirklich traurige an Mann13 war, dass ich glücklich war. Eine Woche lang schob ich Kopfkino vom Feinsten, war hibbelig, energiegeladen, die Welt war plötzlich wieder farbenfroh und ich schaffte es tatsächlich, aus dem Haus zu gehen. Alles war so voller Möglichkeiten und ich wusste gar nicht, wo ich zuerst anfangen sollte. OBWOHL mir klar war, dass das alles nur eine Illusion war, ließ ich mich treiben von dieser Phantasie. Wollte in 2019 wenigstens eine Woche lang glücklich gewesen sein. Wie erbärmlich ist das denn?
Ich zog mir selbst den Stecker nach dieser einen Woche. Nach einem Spaziergang, in dem ich innerlich strahlend (seht her, jemand mag mich! Mich!) durch den Ort gestiefelt war und die Sonnenstrahlen, die ich sonst nicht leiden mag, genoss.
Und jetzt bin ich wieder die Alte, wie in den 51 Wochen davor. Das ungespielte Instrument steht wieder in seiner Ecke und setzt wieder Staub an. Ich mag gar nicht mehr hervorgeholt werden und ich habe auch keine Kraft dazu, mich selbst auf den Markt zu tragen. In meinem Schneckenhaus kann mir niemand weh tun. Und da ist es auch egal, wie negativ ich mich optisch entwickelt habe.
Wer so blöd ist, das Lachen, die Freude, die Verbundenheit und das Gefühl des Angekommenseins aus purer Dummheit aus seinem Leben zu werfen, hat es nicht besser verdient. Das ist es, was ich glaube, in meinem tiefsten Inneren ich bin selbst schuld. Wie man sich bettet, so liegt man. Kein Recht auf Mitleid.
Und das ist es wohl, was übrig bleibt von einem einst reichen, erfüllten Leben. Dass ich mich auf die Arbeit freue, die mich ablenken wird, so dass gefühlt in zwei Wochen schon wieder Silvester sein wird. Dass ich hoffe, niemand aus dem spärlich vorhandenen Bekannten- und Freundeskreis spricht mich an, weil ich nicht mehr weiß, wie man sich sozialverträglich verhält und ich sowieso nichts zu sagen habe. Ich habe Angst vorm Leben.
Davor, eines Tages richtig krank zu werden und alleine zu sein. Und dann nicht mehr so wie letzten Sommer um halb zwei Nachts alleine in die Notaufnahme fahren zu können. Und danach noch einen bitterbösen Rüffel von einer Freundin zu kassieren, die einfach nicht verstehen konnte, warum ich mich nicht melden konnte. Ich hab´s mir doch selbst so ausgesucht, allein zu sein, also muss ich da auch alleine durch. Ich will nicht stören. Nicht zur Last fallen. Nicht anstrengend sein.
Manchmal komme ich mir vor wie vor einem Schaufenster, hinter dem ich fasziniert das erfüllte Leben der anderen betrachte. Freunde, Treffen, Leben, Lachen, Hobbies, Ausflüge, da ist alles, und es ist bunt und schön und manchmal schwierig und anstrengend, aber es ist LEBEN.
Doch in einer Sprache, die ich nicht verstehe, weil ich Angst vor zu viel Nähe habe. Davor, dass jemand tatsächlich erkennen könnte, wer ich wirklich bin. Denn ich bin nichts außer eine leere, verkratzte Projektionsfläche.
Und das ist auch der Grund, warum ich nach so vielen Jahren hier schreibe. Weil ich mich zwischenzeitlich so sehr abgekapselt habe, dass kaum mehr jemand fragt, wie es mir geht.
Macht es besser als ich. Bitte.
01.01.2020 19:19 •
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