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Ich komme einfach nicht zur Ruhe

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Hallo ihr Lieben,

ich lese hier schon eine ganze Weile still mit – heute ist der Tag, an dem ich mich endlich traue, selbst zu schreiben. Es geht mir im Moment so schlecht, dass ich heute mehrere Psychotherapeuten und Selbsthilfegruppen kontaktiert habe. Ein Schritt, der mir schwerfiel, aber irgendwie auch Hoffnung macht.

Und jetzt versuche ich es auch hier – in der Hoffnung, dass Schreiben wirklich hilft. Dass vielleicht jemand da draußen meine Gedanken versteht. Und vielleicht ein bisschen Mut für mich übrig hat.

Ich war 18 Jahre mit meinem Ex-Partner zusammen. Wir haben einen gemeinsamen Sohn, 12 Jahre alt, der ebenfalls sehr sensibel ist und seine eigenen Herausforderungen hat. Im April 2024 bin ich aus unserer gemeinsamen Wohnung ausgezogen – nach so vielen Streitigkeiten, Vorwürfen und fehlender Wertschätzung. Ich wollte mit diesem Schritt etwas retten, Abstand schaffen, das „Gift“ aus dem Alltag nehmen. Aber für ihn war das der Schlussstrich.
Er trennte sich sofort – und machte sich fast genauso schnell auf die Suche nach einer neuen Partnerin. Mit der er jetzt wohl seit einem Jahr zusammen ist.

Und ich? Ich vermisse ihn noch immer. Und es tut immer mehr weh.
Ich habe lange über unsere Beziehung nachgedacht und meinen Anteil erkannt – vielleicht sogar zu sehr. Die Erkenntnis, wie sehr auch ich zu unserem Scheitern beigetragen habe, macht es nur noch schmerzhafter.
Vor drei Monaten kam dann noch eine unerwartete Diagnose: Meine Ärztin stellte fest, dass ich vermutlich seit über zehn Jahren in der Menopause bin – ohne es zu wissen. Stimmungsschwankungen, Antriebslosigkeit, der Rückzug aus Nähe und Intimität – all das, was auch zwischen uns stand, hatte wohl einen hormonellen Ursprung. Seit drei Monaten nehme ich Hormone, und es ist, als wäre ich plötzlich wieder ich selbst. Früh aufstehen, Energie, sogar meine Libido existiert wieder. Aber das alles kommt zu spät.

Wir haben sehr viel Kontakt – allein wegen unseres Sohnes. Und dieser Kontakt reißt mich immer wieder auf. Er ist freundlich, wir sprechen sachlich – aber ich merke, wie sehr mich jede Begegnung, jeder Anruf, jede kleine Erinnerung zurückwirft. Ich sehne mich nach ihm – obwohl ich weiß, dass er weitergezogen ist.

Unser Sohn scheint mit der Trennung gut umzugehen. Er fühlt sich beim Vater wohl – und auch mit der neuen Partnerin meines Ex versteht er sich gut. Und doch habe ich Angst, dass ich ihn verliere. Nicht, weil er mich nicht liebt – sondern weil ich kaum noch Energie habe, für ihn die Mutter zu sein, die ich gern wäre. Ich trage eine Maske, funktioniere, bin für ihn da. Aber innerlich breche ich fast täglich. Und manchmal bin ich sogar erleichtert, wenn er beim Vater ist – weil ich dann endlich kurz nicht „so tun“ muss.
Ich weiß, dass Kinder spüren, wenn etwas nicht stimmt. Und genau das macht mir solche Angst.

Mein Ex weiß nichts von alledem. Ich zeige ihm nichts. Nicht mehr. Ende letzten Jahres bin ich ihm gegenüber zusammengebrochen – das war mir so unangenehm, dass ich mir geschworen habe, das nie wieder zuzulassen. Und nun rede ich mit ihm über die Planung des Geburtstags unseres Sohnes, als wäre alles in bester Ordnung, während in mir alles schreit.

Ich weiß nicht, warum ich diesen Text schreibe. Vielleicht, weil ich nicht mehr schweigen kann. Vielleicht, weil ich spüren möchte, dass ich nicht allein bin. Vielleicht, weil ich mir von euch ein kleines bisschen Verständnis wünsche. Oder einfach Worte wie: Es wird besser. Oder sogar: Es gibt noch Hoffnung!

Danke, dass du bis hierhin gelesen hast. Wirklich.

29.08.2025 16:06 • x 13 #1


Heffalump
Knuddels tröst

Man weiß gar nicht was man sagen soll, aber es steckt ja oft hinter der Geschichte eine Geschichte. Von einer Krankheit, von der man nichts wusste. Diese aber beeinflusst die Ehe und das Verhältnis zueinander.

Wenn er das wüsste, was du uns hier berichtest, wäre er vermutlich anders zu dir, aber da er sogleich eine andere Frau hatte, wird er einem gemeinsamen Euch nicht mehr zur Verfügung stehen.

Ich drücke dir die Daumen, das du hier Antworten bekommst, die dir helfen

29.08.2025 16:33 • x 4 #2


A


Ich komme einfach nicht zur Ruhe

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A
Danke Heffalump,

wie lieb von dir, dass du antwortest. Danke! Heute ist ein Tag voller Tränen – endlich kommen die Tränen.

Weißt du, mir fehlt es so sehr, loslassen zu können, und das macht mich fertig. Immer wieder diese Hoffnung, dass er in seiner Beziehung vielleicht nicht glücklich ist … Asche auf mein Haupt.

Ein wenig haben wir schon darüber gesprochen, er merkt, dass ich mich verändert habe. Vielleicht habe ich ja noch die Gelegenheit, die Diagnose in ein Gespräch einfließen zu lassen. Mehr kann ich nicht tun – er ist nun einmal in einer Beziehung.

Meine große Angst ist, irgendwann einfach vor ihm zusammenzubrechen. Nächsten Monat hat unser Sohn Geburtstag, und ich weiß noch nicht, ob wir nachmittags etwas zusammen machen. Morgens kommt er jedenfalls mit unserem Sohn vorbei, damit wir den Geburtstagstisch vor der Schule zusammen feiern können.

Zum Geburtstag bekommt unser Sohn Comedy-Tickets, die wir schon vor der Trennung gekauft haben und die wir auch gemeinsam mit ihm einlösen werden.

Ich kann einfach nicht aufhören zu hoffen, dass er sich „uns“ zurückwünscht. Immerhin habe ich aber schon eine Antwortmail von einem Psychotherapeuten bekommen, den ich am Montag anrufen kann.

29.08.2025 16:51 • x 5 #3


A
Dass er so schnell eine andere Frau hatte …

Ja, ich denke, er hat sich bei mir einfach nicht mehr als Mann fühlen können. Meine Libido war quasi nicht mehr vorhanden, und das hat sicher eine Rolle gespielt.

Laut einem Freund ist er direkt nach der Trennung wieder „auf die Pirsch“ gegangen – vielleicht aus Angst vor dem Alleinsein? Vielleicht ist es auch eine Midlifecrisis. Ich hatte wirklich gehofft, dass es nur eine Rebound-Beziehung wäre. Warum sollte gerade die erste Frau, die ihm begegnet, gleich „die Richtige“ sein?

Aber anscheinend sieht es so aus. Sie ist inzwischen immer öfter bei ihm, auch dann, wenn unser Sohn da ist. Richtig Angst macht mir der Gedanke, dass er vielleicht irgendwann mit ihr zusammenzieht. Ich kenne sie nicht, und ehrlich gesagt ist das im Moment wohl auch besser so.

Sollte es allerdings wirklich so weit kommen, dann könnte ich die Fassade nicht mehr aufrechterhalten. Dann müsste ich ihm offen sagen, dass wir den Kontakt auf ein Minimum reduzieren müssen, um mich selbst zu schützen.

Für meinen Sohn werde ich das Ganze aber noch ein paar Jahre aushalten müssen.

29.08.2025 16:59 • #4


GreenTara
Liebe @Angel5, manchmal geht das Leben seine eigene Wege. Wohl mag dein Auszug letzten Jahres zu spät für eine Wende gewesen sein. Vielleicht hätte die Hormonbehandlung euer gemeinsames Leben verbessern können. Nun hilft es dir nicht weiter, Tränen um ein Vielleicht, und was wäre wenn zu vergießen. Und such nicht, über deine Schuldanteile zu grübeln.
Ihr hattet keine gute Kommunikation, als es nicht gut lief.
Und jetzt ist es so, dass dir durch die ärztliche Kunst neue Energie und Kraft geschenkt wurde. Nun wäre das sinnvollste, dieses Geschenk zu nutzen um dir und deinem Sohn ein neues Leben aufzubauen. So weh es auch tut, das alte kommt nicht wieder zurück. Du kannst in kleinen Schritten beginnen, dich neu aufzustellen. Ideen zu sammeln, was euer Leben bereichern könnte. Alte Freundschaften aktivieren, und neue Kontakte knüpfen. Neue Hobbys ausprobieren, altes aus der Mottenkiste holen. Gönne dir selbst ein neues Äußeres, gestalte euere Wohnung um, mit sanften hellen Farben, mit wohltuenden Düften, mit schönen Klängen.
Am Anfang mag es dir vielleicht wie eine äußerliche Handlung vorkommen. Aber deine Seele wird aufblühen, wenn du ihr wohlwollende Aufmerksamkeit schenkst. Deinem Kind wird die neue Leichtigkeit zugute kommen. Und dann wird euer Zuhause mit der wertvollsten Gaben geschmückt, das wir haben: Mit Freude.

29.08.2025 17:06 • x 5 #5


A
Ganz lieben Dank, Green Tara,
genau das versuche ich wirklich. Ich setze mich gerade sehr mit den Themen Mindset und Positive Energie auseinander. Im Kopf ist mir vieles klar – aber beim Umsetzen und vor allem beim Fühlen hapert es einfach noch, und das macht mich manchmal mürbe.
Im Moment habe ich auch Urlaub, und irgendwie tut mir das gerade nicht so gut. Andererseits weiß ich ja, dass die Ablenkung durch die Arbeit letztlich auch nur ein Unterdrücken ist und kein wirkliches Heilen … oder?
Immerhin habe ich gerade eine kleine positive Nachricht: Ich habe inzwischen schon die zweite Antwortmail von einem Psychologen bekommen und kann dort am Montag anrufen Ich hätte gedacht, dass das viel schwieriger wäre! Mein Plan ist jetzt, erst einmal mehrere Termine auszumachen, bis ich jemanden finde, der wirklich zu mir passt und mit dem ich gut vorankommen kann.

29.08.2025 17:36 • x 3 #6


GreenTara
@Angel5
Zitat von Angel5:
Andererseits weiß ich ja, dass die Ablenkung durch die Arbeit letztlich auch nur ein Unterdrücken ist und kein wirkliches Heilen … oder

Deine Arbeit sichert euch euer Ein- und Auskommen. Sie gibt dir auch Struktur. Vielleicht gibt es nette Kollegen, mit den du einen zwischenmenschlichen Austausch hast. Ich sehe das nicht als Ablenkung, sondern als Bestandteil deines Lebens. Aber auch deine Trauer sollte einen Raum einnehmen dürfen. Du kannst ihr ein kleines Ritual einrichten, bei dem sie präsent sein darf. Und dann bittest du sie, den anderen Bereichen des Lebens wieder zunehmend mehr Platz zu machen.

29.08.2025 17:44 • x 1 #7


A
Es fällt mir einfach unglaublich schwer, zur Ruhe zu kommen.
Mein Ex hat schon immer bis ins kleinste Detail alles planen und besprechen wollen. Für unseren Sohn ist das sicher wichtig, aber für mich bedeutet es ständige Unruhe.
Wir haben kein klassisches Wochenwechselmodell, wohnen aber recht nah beieinander. Leider hat sich eingebürgert, dass derjenige, zu dem unser Sohn geht, ihn beim anderen abholt. Ich hatte seinen Vater schon einmal gebeten, das zu ändern – mein Vorschlag war, dass immer derjenige unseren Sohn bringt, bei dem er vorher war. Dann müsste ich ihn nur kurz rauslassen und müsste nicht in die Wohnung, warten und auch nicht zwangsläufig meinen Ex sehen. Das würde mir wirklich helfen! Leider hat er das damals abgelehnt, warum genau, weiß ich gar nicht mehr.
Ich werde das Thema aber noch einmal ansprechen. In der Schulzeit wird es hoffentlich ohnehin etwas einfacher, weil unser Sohn dann meist allein nach Hause kommt und nicht mehr abgeholt werden muss.
Ich merke einfach, dass ich dringend mehr Abstand brauche. Ich muss das wieder reduzieren – für meine eigene Ruhe und um besser loslassen zu können.

29.08.2025 17:46 • x 3 #8


A
@GreenTara

es ist wirklich schön, wie du schreibst. Danke!

Meine Kollegen sind super, aber ich bin noch nicht lange dort und würde über meine Situation nie sprechen. Und das tut wirklich gut.

Ich spreche eh sehr selten wirklich ehrlich über meine Gefühle mit Freunden. Das tut tatsächlich gut hier. DANKE

29.08.2025 17:49 • x 2 #9


GreenTara
@Angel5
Er ist gut, dass dir deine Bedürfnisse bewusst sind. Es ist ja mehr als ausreichend, dass er früher alles gestalten wollte. Jetzt ist es nicht mehr angebracht, und das könntest du ihm freundlich und deutlich zugleich klarmachen.

29.08.2025 17:51 • x 1 #10


GreenTara
@Angel5
Zitat von Angel5:
Meine Kollegen sind super, aber ich bin noch nicht lange dort und würde über meine Situation nie sprechen

Das macht nichts, Kollegen müssen nicht alles private wissen, und können trotzdem wertvolle Menschen füreinander sein.

29.08.2025 17:53 • x 1 #11


A
Da hast du Recht Tara, ich werde es auch noch einmal ansprechen: Morgen müsste ich ihn abholen beim Ex. Da wird mir schon was einfallen, dass er ihn hier absetzt.

Ich wünschte, ich könnte euch einen richtig spannenden Beitrag liefern …
„Dies oder jenes ist passiert!“
Und ja, ich könnte natürlich jede Menge in unsere Treffen hineininterpretieren – schließlich sind sie wirklich harmonisch. Aber wenn ich ehrlich bin, steckt wohl leider keine aufregende Bedeutung dahinter.
Immerhin merke ich, wie gut es tut, hier zu schreiben. Also werde ich das wohl einfach weiter tun – auch auf die Gefahr hin, dass meine Beiträge so unspektakulär sind, dass sie kaum jemand lesen mag.

29.08.2025 17:59 • x 1 #12


GreenTara
Oh @Angel5, sei froh, dass du nicht zu jenen gehörst, die spektakuläres verbreiten. Für dich wäre es eher passend, wenn du hier Zuspruch und Anregungen bekommst.

29.08.2025 18:04 • x 1 #13


Heffalump
Mach dir um die Tiefe der Beiträge keine Sorgen. Du machst eh scheinbar mehr als du gesundheitlich kannst.

Andere Frage, warst du schon bei Anwalt für Familien Recht? Oder drücktst du dich? Wenn ihr die Betreungsregeln schriftlich festlegt, kann ein Anwalt dich auch stützen, wenn du strauchelst

29.08.2025 19:37 • x 1 #14


A
Hallo Heffalump,

nein, über einen Anwalt läuft bei uns nichts. Wir waren auch nicht verheiratet und handhaben die Betreuungsregelungen so, wie es für unseren Sohn am besten ist. Wir wohnen nicht weit auseinander, und er ist mit seinen 12 Jahren gerade eher ein Papa-Kind – was völlig okay ist. Er ist sehr sensibel, und ich glaube, er spürt auch, dass bei mir gerade viel Trauer da ist. Trotzdem haben wir eine 50/50-Regelung, und ich denke, eine ganze Woche ohne einen Elternteil wäre für ihn wirklich schwer.

Gerade habe ich mit meiner Schwester telefoniert und dabei zum ersten Mal so richtig losgeweint. Heute kommt der ganze Schmerz der letzten Monate einfach hoch. Meine Schwester war richtig perplex, weil niemand so wirklich weiß, wie es mir innerlich geht. Sie meinte auch, dass ich unserem Sohn vielleicht sagen sollte, dass ich an der Trennung zu knabbern habe – einfach damit er es nicht auf sich bezieht, wenn er das Gefühl hat, mir geht es nicht gut. Das will ich natürlich auf gar keinen Fall! Gleichzeitig möchte ich aber auch vermeiden, dass er in einen Loyalitätskonflikt gerät, nach dem Motto: „Mama geht es wegen Papa schlecht.“

29.08.2025 20:19 • x 1 #15


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