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Ich will dich endlich vergessen

J
Die Trauer um dich kommt in Wellen. Und wie Wellen den Strand auffressen, so frisst sie mich auf. Stück für Stück.

Man sagt ja, man soll den Kummer zulassen, damit er vergeht. Aber ich denke, das funktioniert nicht. Stattdessen vergehe ich.

Ich habe heute frei, das Wetter ist schön und ich wollte einkaufen. Frühling überall. Ein paar neue Schuhe wollte ich. Irgendetwas schönes. Ich laufe um die Regale und erinnere mich, sehe mich vor all diesen Jahren, wie ich Schuhe kaufte, von denen ich glaubte, dass sie dir gefallen würden. Wie lebendig fühlte ich mich damals. Jung, verliebt, voller Leben. Und endlich mochte ich auch diese Frau da im Spiegel. Ich mochte mich, weil du mich mochtest. Ich lebte auf. Hatte Hoffnung auf ein Leben für mich. Hoffnung auf Glück.

Aber wie falsch war das alles. Deine Blicke waren Lügen. Du sahst nicht mich mit diesen Augen, in denen ich eintauchen und schwimmen wollte. Du hast nur geübt. Trainiert, was du verloren glaubtest. Du warst schließlich auch nicht mehr ganz jung damals. Wieder auf dem Singelmarkt nach so vielen Jahren. Ja, das kann schon Angst machen. Und du wusstest genau, wen du eigentlich wolltest. Ich war es nicht. Ich war nur dein Versuchsobjekt.

Aber du hast deine Sache so gut gemacht. Ich habe dir jedes Wort, jede Geste, jedes Lächeln geglaubt. Und ich dachte, es gilt mir. Es war als würde eine längst vertrocknete Pflanze endlich gegossen. Sogar deine Kinder machten das Spiel mit. Sie begegneten mir mit offenen Armen und ich fühlte mich fast schon, wie ihre Stiefmutter. Ich sah mich mit ihnen spielen, sie auffangen, sie bemuttern. Aber das war nicht dein Plan.

Viel zu lange verschloss ich die Augen vor der Wahrheit. Ich ging volles Risiko und verlor.

Der Tag, als du mir sagtest, dass du eine andere hast. Sie, die immer schon präsent war irgendwie. Ich habe es doch gesehen. Aber ich verschloss meine Augen. Wollte es nicht wahr haben. Zuerst fühlte ich nichts. Keinen Schmerz, keine Trauer. Ja irgendwie glaubte ich dir nichtmal.

Immer wieder wollte ich es von dir hören. Aber ich vergaß, dass du ja ein netter, lieber Kerl bist im Grunde. Du wolltest mir nicht weh tun. Deshalb bist du mir ausgewichen. Du gingst nicht ans Telefon. Du hast mich blockiert und dachtest, damit wäre es getan. Was für ein Fehler. Ich fand Mittel und Wege dich zu kontaktieren. Immer wieder.

Irgendwann bekam sie das mit. Und sie stellte sich mir, beschimpfte mich, drohte mir. Sie fand die Worte, die mich endlich aufweckten. Wie sehr hätte ich mir gewünscht, dass du mir das sagst. Ins Gesicht! Aber dazu fehlte dir der Mut. Leider!

Dann war Schluss mit ihr. Du gabst mir die Schuld. Vielleicht hattest du sogar Recht damit. Aber Freundchen, wenn man zu feige ist, die Wahrheit zu sagen, dann holt sie dich ein. Und wir waren wieder in Kontakt und meine Hoffnung keimte wieder auf. Du wolltest mich sogar wieder treffen. Es war ein glücklicher Umstand, dass ich dazu gerade gesundheitlich nicht in der Lage war. Ich sagte dir ab und du zogst sofort die Konsequenzen. Wieder verdrücktest du dich in den Untergrund. Diesmal so, dass ich dich nicht mehr kontaktieren konnte. Du hast sogar deine Nummer geändert. Wirklich? Du, der mir noch nichtmal etwas Kaffeemilch schenktest? Du hast nie Geld für mich ausgegeben. Nicht einen Cent. Aber jetzt hast du gleich mehrere Euro investiert, um mich los zu werden.

Tja, ich ließ dich tatsächlich los. Ab und zu sah ich dich noch, wenn du mit deinem Auto an meinem Haus vorbei fuhrst. Dann sah ich auch das nicht mehr. Ab und zu hörte ich noch von dir, über gemeinsame Bekannte. Dann bat ich sie, mir nicht mehr von dir zu erzählen.

Ich tauchte ein, in den luftleeren Raum, den du hinterlassen hast. Ja, man kann darin existieren. Ich lebe. Irgendwie. Ich esse, trinke, arbeite, schlafe. Jeden Tag neu. Der Schmerz kommt in Wellen und nagt an mir. Im Spiegel erkenne ich mich nicht mehr. Ja, ich werde weiter machen. Aber Hoffnung habe ich keine mehr. Ich bleibe allein. Ich vertraue niemandem mehr. Ich liebe niemanden mehr. Ich vermisse niemanden mehr.

Wen sollte ich vermissen? Den Mann, den ich zu lieben glaubte, hat es nie gegeben.

Wer auch immer du bist, ich kenne dich nicht. Ich kannte dich nie. Ich wünsche dir nichts. Weil nichts mehr zu wünschen übrig ist. Und eigentlich auch nichts mehr zu sagen.

21.03.2022 12:52 • x 23 #1


J
Ja, diese Liebe war ein Wahn. Krankhaft, schlecht. Schlimm für mich und für dich. Ich hätte nie gedacht, dass mir so etwas passiert. Was auch immer das war, es hat mich zerstört und jeden Glauben, den ich einmal hatte. Vielleicht hat es auch dir geschadet. Sollte das so sein, tut es mir leid. Aber weißt du, wenn man nur noch aus Schmerz besteht, kommt es darauf nicht mehr an.

Du wolltest mir vielleicht nicht weh tun. Aber genau das hätte ich gebraucht. Damit hätte ich umgehen können. Mit Ablehnung kenne ich mich aus. Aber dein Mitleid hat mich verletzt. Tödlich verletzt.

21.03.2022 13:04 • x 3 #2


A


Ich will dich endlich vergessen

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J
Hast du sogar aus Mitleid mit mir geschlafen?

21.03.2022 15:13 • x 4 #3


FrauDrachin
Sehr poetisch.
Sehr viel Drama.

Möchtest du hier Rückmeldung, oder nur für dich schreiben?

21.03.2022 15:28 • x 6 #4


E-Claire
Mensch Liebes!

Fühl dich gesehen hier im Forum.

Weißt Du, es geht doch gar nicht darum, was mit ihm ist oder was Du für ihn warst. Die Frage ist, warum gibst Du ihm so viel Macht über Dich?
Welcher Raum ist in Dir so leer, daß er diesen auch jetzt noch ausfüllen muss?

21.03.2022 15:28 • x 7 #5


J
Ich bin tatsächlich leer. Vielleicht war ich das schon lange vorher. Er hat mich eine Zeit lang erfüllt. Erst mit Liebe, dann mit Wut und Schmerz. Jetzt droht sogar der Schmerz zu vergehen. Was bleibt ist unerträgliche Leere und Hoffnungslosigkeit.

21.03.2022 15:43 • x 6 #6


FrauDrachin
Zitat von Jacky80:
Was bleibt ist unerträgliche Leere und Hoffnungslosigkeit.

Klingt als bräuchtest du etwas, um dein Leben erfüllt zu gestalten?
Ideen?

21.03.2022 16:01 • x 2 #7


J
Ein erfülltes Leben. Ich dachte das ergibt sich schon irgendwie. Ideen hatte ich viele. Nur die Umsetzung wollte nicht gelingen. Jetzt ist es mir egal geworden. Ich lebe von einem Tag zum nächsten.

21.03.2022 21:52 • x 4 #8


J
Ich bin 42 Jahre alt. Ich habe eine Ehe und diese Liebe hinter mir. Mein Leben hab ich mir anders vorgestellt. Ich sitze in meinem 32 qm Appartment in einem Plattenbau. Ich habe einen schlecht bezahlten Job im Niedriglohnsektor. Und dabei hab ich mal ein 1er Abitur und ein Studium absolviert. Familie und Freunde haben sich zurück gezogen. Erfülltes Leben?! Ich sch. drauf!

21.03.2022 22:01 • x 5 #9


W
Zitat von Jacky80:
Aber jetzt hast du gleich mehrere Euro investiert, um mich los zu werden.

Wie das?
Was hat er denn gemacht -wenn er sonst eher ein Geizhals ist?

21.03.2022 22:06 • x 1 #10


tina1955
Zitat von Jacky80:
Ich bin 42 Jahre alt. Ich habe eine Ehe und diese Liebe hinter mir. Mein Leben hab ich mir anders vorgestellt. Ich sitze in meinem 32 qm Appartment ...

Um Gottes Willen, was ist passiert?
HAst Du für ihn gebürgt oder einen Kredit für ihn aufgenommen?

21.03.2022 22:10 • x 2 #11


tina1955
@Jacky80, mit Abi und Studium und jetzt ein schlecht bezahlter Job ?

21.03.2022 22:11 • x 2 #12


Snipes
Zitat von Jacky80:
Ich sch. drauf!

Keine falsche Einstellung, ganz im Ernst. F.uck life denke ich mir auch oft, aber was am Ende zählt ist, dass ich lebe und was kümmern mich irgendwelche Normen, falsche Versprechen oder der ganze verlogene Rest, der sich mal Freunde nannte? Nichts, absolut gar nichts. Solange man sich selber nicht verliert oder aufgibt kommt immer wieder was neues, besser passendes, sich besser anfühlendes in dein Leben. Nur dafür muss man offen sein und dem Rest den middle finger zeigen.

Magst Du mal mehr erzählen?

21.03.2022 22:17 • x 4 #13


J
ja, ich schäme mich dafür aber ich habe für ihn viel Geld ausgegeben und meinen gut bezahlten Job an den Nagel gehängt. Ich bin 300 km weit umgezogen, um in seiner Nähe zu sein, habe mir eine Stelle gesucht, mit der ich gerade so über die Runden komme, ohne vom Amt abhängig zu sein. Mir war alles egal. Ich wollte nur diesen Mann, der mir das blaue vom Himmel versprochen hat. Als ich nichts mehr hatte, was ich ihm geben konnte, war er weg.

22.03.2022 08:42 • x 4 #14


tina1955
Zitat von Jacky80:
ja, ich schäme mich dafür aber ich habe für ihn viel Geld ausgegeben und meinen gut bezahlten Job an den Nagel gehängt. Ich bin 300 km weit ...

Du musst Dich nicht schämen.
Bist zu gutmütig gewesen und hast dem falschen Mann vertraut. Passiert Dir garantiert nicht wieder, weil Du ja jetzt die Signale kennst und nicht mehr darauf rein fallen wirst.

Hast Du noch einen Kredit dafür aufgenommen?

22.03.2022 08:47 • #15


A


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