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Kein Halt mehr nach Trennung, alles ist vorbei

W
Zitat von Woelkeline:
Und gleichzeitig lese ich an der Art, wie Du es formulierst, dass Du es Dir selbst nicht wert bist.

Das trifft es wahrscheinlich gut. Ich habe immer das Gefühl, dass dieses Leben es eigentlich gar nicht wert ist, sich dafür anzustrengen. Aber eigentlich bin ich ja dieses Leben und ich bin es mir damit nicht wert.
Zitat von Woelkeline:
So vieles hast Du verschüttet und ignoriert in dieser Beziehung.

Ja. Ich grübel schon immer, was ich gerne gemacht habe, bevor ich ihn kennengelernt habe. Aber es ist ja lange her, da weiß ich gar nicht, was ich wegen ihm nicht mehr mache. Ich habe Computerspiele gespielt, das hat er so schlecht geredet, dass ich es plötzlich selbst blöd und peinlich für eine Frau meines Alters fand und wieder gelassen habe. Aber es wurde ja sowieso weniger über die Jahre, also vielleicht hätte ich es auch so irgendwann aufgegeben. Sport, ja. Ich war mal sehr, sehr schlank und mochte das eigentlich. Das fand er furchtbar, hat mir sogar mit Trennung gedroht, wenn ich nicht zunehme. Aber ich kann mich ja jetzt nicht aus Trotz auf 50kg runterhungern. Ja, ich habe viel verschüttet und weiß nicht, wie ich mich wiederfinde.

24.02.2022 20:56 • #166


hai
Vielleicht hilft es Dir ja mal die Beziehung auszublenden und zu überlegen was die Unterschiede zu deinem Leben vor Ihm und jetzt sind (Freunde, Clique, Sport, Job, Aktivitäten, Leben, Freizeit, Träume, Ziele,....).

Hab das gerade selber gemacht und musste feststellen das sich an meiner Situation eigentlich nicht wesentlich was zur Situation vor 1 1/2 Jahren geändert hat. (Mal abgesehen von der sehr schönen gemeinsamen Zeit und dem Schmerz der Trennung. Aber auch das ist Lebenserfahrung...)

Bei euch war es natürlich viel länger...

24.02.2022 21:28 • #167


A


Kein Halt mehr nach Trennung, alles ist vorbei

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MoMaSi
Liebe WeisseKatze,

gestern habe ich mich hier angemeldet um einen eigenen Thread zu eröffnen.
Mit dem Ziel dass ich mir meine eigene Dummheit, klar und strukturiert vor Augen führen kann und in der Hoffnung dass einige Forenmitglieder mir den Kopf waschen...

Gerade eben habe ich deinen Thread gelesen und festgestellt dass es mir ähnlich geht wie dir. Und es hat mich sehr berührt wie offen und ehrlich du zu dir selber bist. Wie reflektiert du dich selber beschreibst. Was mir aufgefallen ist und was ich ebenfalls in der letzten Beziehung gemacht habe ist, dass du dir persönlich für die Trennung die Schuld gibst.
Aufgrund deines Verhaltens. Nur, damit diese Idealvorstellung der Zukunft, real wird.
Ich habe dass auch gemacht... und ich bin 50ig.

Mir hilft aktuell die Akzeptanz dessen was passiert ist. Nicht die Zustimmung, nicht das verarbeiten müssen, sondern einfach annehmen was gerade ist. Mir meine eigene Dummheit einzugestehen.
Ich hoffe sehr du bekommst deine zusage zur Therapie und bin gespannt auf deine nächsten Einträge.

glg

25.02.2022 10:44 • x 1 #168


W
Zitat von hai:
Hab das gerade selber gemacht und musste feststellen das sich an meiner Situation eigentlich nicht wesentlich was zur Situation vor 1 1/2 Jahren geändert hat.

Das ist bei mir anders. Ich war damals wirklich ganz anders, hatte andere Interessen und andere Freunde. Ich war viel jünger, hatte die Themen Partner und Familie gründen vom Gefühl her noch vor mir und hatte beruflich gerade Fuß gefasst. Ich hatte nicht so sehr das Bedürfnis, anzukommen, weil ich noch etwas erleben wollte. Ich habe in einer Stadt gelebt, in der ich nicht auf Dauer bleiben wollte und das war völlig ok. Es war ein Übergang. In meinem Freundeskreis hatte noch kaum jemand Familie, daher waren alle verfügbar, wir konnten reisen und unterwegs sein. Freunde waren wichtig und für alle ein großer Halt, auch für diejenigen in einer Beziehung. Ich hatte auch viele Single-Freunde. Jetzt ist das völlig anders. Ich habe keine einzige Single-Freundin, ein paar Bekannte. Das Thema Kinder hab ich abgehakt. Meine damaligen Hobbies geben mir nichts mehr, das liegt aber wohl teilweise auch am Alter oder einfach an der Zeit.
Zitat von MoMaSi:
Was mir aufgefallen ist und was ich ebenfalls in der letzten Beziehung gemacht habe ist, dass du dir persönlich für die Trennung die Schuld gibst.
Aufgrund deines Verhaltens.

Ja, definitiv. Ich gehe die letzten Tage der Beziehung immer wieder durch, was ich hätte anders machen können, um die Situation zu verändern. Mich nicht beschweren, nicht so negativ sein. Nicht auf das Gespräch bestehen sollen, das dann zur Trennung führte. Er hatte ja eigentlich einen Film angemacht, wollte nicht reden. Vielleicht hätte ich es einfach laufen lassen sollen, am nächsten Tag ganz normal zur Arbeit gehen. Oder die Tage davor ... jede einzelne Situation gehe ich im Kopf durch, immer wieder.
Zitat von MoMaSi:
Mir hilft aktuell die Akzeptanz dessen was passiert ist. Nicht die Zustimmung, nicht das verarbeiten müssen, sondern einfach annehmen was gerade ist. Mir meine eigene Dummheit einzugestehen.

Ich versuche das auch. Ich versuche mir zu sagen, dass die Beziehung nicht gut war und ich besser dran bin, weil das ständige Runtermachen und die Lieblosigkeit auf Dauer niemand erträgt. Und dass ich dumm war, daran festzuhalten. Leider endet es am Ende immer in Heulkrämpfen und dem Satz Wie dumm konnte ich sein, zu glauben, dass ich ein gutes Leben haben könnte. Erst recht dumm und selbstmitleidig, ich weiß.

25.02.2022 11:09 • #169


Kittie
Das liest sich schwer nach einem Mann mit sehr starken narzisstischen Tendenzen.
Der hat dich von vorn bis hinten manipuliert...
Solche Menschen sind leider ein Fass ohne Boden. Da kann man noch soviel Liebe, Aufmerksamkeit und Anerkennung reinstecken, es ist nie genug, weil es einfach unten wieder raussickert.

Ich muss dir jetzt aber auch leider etwas sagen, was dir vermutlich nicht gefallen wird:
Dass jemand so lange mit dir umgehen konnte zeigt, dass auch du gewisse Defizite hast, die du dringend therapeutisch aufarbeiten musst um nicht wieder Opfer von so einem Typen zu werden.
Und das sagte dir hier eine, die auch an so einen Kerl geraten war und auch erkennen musste, dass sie auch ihre Anteile daran hatte, dass es so kommen konnte. Der eine macht und der andere lässt mit sich machen.

25.02.2022 13:02 • x 2 #170


Hola15
Zitat von WeisseKatze:
Wie dumm konnte ich sein, zu glauben, dass ich ein gutes Leben haben könnte.

Das hört sich doch allzu sehr nach einem Glaubenssatz an. Nämlich nach Ich habe nicht das Recht/bin es nicht wert ein gutes Leben zu haben.

Ok, du dachtest du hattest es, aber du bist nur nicht weit genug gegangen.

Du hattest anscheinend gute äußere Bedingungen, aber der Mann war doch nix. Lass es mal in deinem Kopf und in deinem Herzen ankommen, dass er dir nicht gut getan hat.

Wer weiß, vllt. war es gerade die Mischung mit der du am Besten umgehen konntest?!

Gute äußere Bedingungen UND ein netter, einfühlsamer Partner.
Stimmt das hast du tatsächlich nicht verdient. *Ironie Off.

25.02.2022 13:11 • #171


B
Es gibt keine Verpflichtung, sich abzuwerten und sich unterlegen zu fühlen. Das ist alles hausgemacht, das liegt in einem drin, weil man es so gelernt hat. Du bist nicht gut genug, für Liebe muss ich viel hinnehmen und aushalten, Du müsstest anders sein, damit Du liebenwert bist sind Glaubenssätze, die man verinnerlicht hat.
Mir wurden sie tatsächlich erst nach dem Ende der Affäre bewusst, dass ich die meiste Zeit damit befasst war, mich selbst abzuwerten, zu kritisieren, in Frage zu stellen und im Gegenzug dazu andere mit Neid anzuschauen. Da das schwer auszuhalten ist, führt das dann auch oft zur Abwertung von Mitmenschen, weil sie einem ein scheinbar erfolgreiches Leben vor Augen führen, das man selbst nicht auf die Reihe bringt.

Liebe ist gepaart mit Leid: auch so ein Glaubenssatz, den mir meine Mutter beigebracht hat. Sie strampelte sich auch oft ab und arbeitete sich an meinem Vater ab und ich übernahm das, natürlich unbewusst. Sie zeigte mir natürlich auch unbewusst ein fragiles Selbstwertgefühl, das auf Zuspruch und Lob ausgerichtet war. Bekam sie es aber, so wertete sie sich selbst wieder ab. Ach, ich bin doch nicht schön ... nein, da gehe ich nicht hin, ach so, ja das ... war auch nicht so toll.
Diesen inneren Glaubenssatz sehe ich auch bei Dir. Anpassung, den Mann auf Händen tragen, Gefallsucht, Einstecken und Hinnehmen von empathielosen Äußerungen, Wehrlosigkeit und das ständige sich selbst in Frage-Stellen (bin ich auch gut genug? Bin ich es wert, dass er mich liebt und mir treu ist?) sind systemimmanent und werden in Beziehungen getragen.
Was dazu führt, dass die Frau sich immer mehr anpasst, geduldig alles hinnimmt, sich selbst in Frage stellt (vielleicht hat er ja Recht, die Mädels mögen mich ja eigentlich nicht ... Die Computerspiele sind was für dumme Leute und niveaulos ... naja, damit hat er wohl nicht Unrecht) und sich unterordnet, nur dass der Typ bleibt.

Du kannst diesen Mann abhaken, nicht nur weil er Dir nicht gut getan hat und Deine Minderwertigkeitsgefühle und Deine Selbstüberprüfungen verstärkt hat und Dir nicht gut getan hat.
Er ist aber insofern von Bedeutung, dass er Dir klar vor Augen führt, woran es bei Dir hakt und wo Deine Defizite liegen. Du hast ihn gewählt, weil Dein Unterbewusstsein Dich zu ihm führte, denn Deine Seele will ihre Traumata auflösen. Sie kann sich nicht aus sich selbst heraus heilen, sie braucht Dich dazu, Dein Bewusstein, Deine Klarsicht. Und so führt sie dich in defizitäre Beziehungen mit instabilen Partnern, die selbst ein schwaches Selbstgefühl haben, es aber anderweitig kompensieren, um Dich darauf hinzuweisen, dass Du da mal bitte genauer drauf schauen solltest.
Wenn Du das nicht tust, ständig nur davon rennst und wartest, bis es nicht mehr weh tut, wird sie das wiederholen. Solange bis du kapierst, dass es an Dir ist, ein glücklicherer Mensch zu werden.

Und glücklichere, stabilere, zufriedenere Menschen, die nachsichtig mit sich und ihren Fehlern umgehen können, umgeben sich auch mit entsprechenden Partnern.

Ich fand durch einen Zufall uralte Briefe, die im Keller in einem alten Schreibtisch lagen und vergessen worden waren. Alte Briefe, von einer Schleife umgeben lagen da und weckten mein Interesse. Da wir einen Wasserschaden im Keller hatten und das Päckchen aufgeweicht war, öffnete ich die Briefe (im trockenen Zustand hätte ich sie ziemlich sicher auch angeschaut ...) und legte sie zum Trocknen aus. Es waren Briefe meiner Mutter an meinen Vater, handgeschrieben und einige las ich, ehe mir fast übel wurde.

Es berührte mich zutiefst, was ich da las: ihre Unsicherheit, ihre Selbstbeweihräucherung (ich bin eine treue, fleißige Frau, war der Tenor, besser als viele andere), ihre schüchternen Anfragen nach einem Treffen, wenn er am WE vom Wehrdienst heim kam.
Es war erbärmlich und sehr traurig das zu lesen und ich heule manchmal heute noch, wenn ich daran denke.
Denn das war ja ich!
Ich ging genauso vor, ich litt ebenso unter der Eigenständigkeit des Mannes, bettelte förmlich um Beachtung, hatte innere Sehnsüchte, die nicht gestillt wruden.
Oh mein Gott, das hat mich fast umgehauen und es war mir peinlich und zutiefst unangehm, dass mir ihre Briefe einen Spiegel vorhielten.
Da soll mal einer sagen, dass man sich als Kind nichts abschaut und es für sich übernimmt!

Sie tat mir rückblickend leid (sie ist schon lange tot) und dann tat ich mir selbst leid, weil die Briefe zeigten, wie ich mir selbst im Weg stand und wie verzagt ich innerlich war. Weich, hochsensibel, verletzlich, leidensfähig, innerlich traurig, nicht von sich überzeugt, nicht mal ansatzweise, wehrlos, ängstlich - die Latte an selbst verletzenden Wesenszügen ist lang.
Du warst doch mit diesem US-Man nicht anders! Hast auch nicht aufgebehrt, Dich angepasst, Dich in Frage gestellt, weil er es scheinbar besser wurde, gefallsüchtig (das und jenes mache ich nicht mehr, weil er es blöd findet).
Ja, für ein kleines bißchen Liebe, die keine ist (denn geht man mit einer Frau, die man liebt, so um?) muss man viel investíeren, viel aushalten, viele Tränen weinen (im Geheimen), sich selbst immer wieder aufbauen, viel hinnhemen und man darf nicht aufbegehren, denn das könnte unabsehbare Konsequenzen haben und womöglich hat er ja Recht und ich nicht.

Stattdessen tut man das, was ihm gefällt oder gefallen könnte, kleidet sich so, wie es ihm wohl gefällt, schminkt sich oder auch nicht (wie er es halt haben will) und fühlt sich dabei noch großartig.Schau her, ich richte mich ganz nach Dir. Gell, jetzt hast Du mich lieb!

Wie ein Kind, das sich anpasst. Oh, Mami ist nicht zufrieden mit mir, sie schimpft und zur Strafe stellt sie mich kalt. Ich weine und fühle mich einsam, ich habe Angst, aber Mami hat ja Recht. Ich bin nicht so, wie ich sein sollte. Ich müsste ganz anders sein, dann ... Also strenge ich mich mächtig an, dass ich hoffentlich so bin, wie sie mich haben will. Ich bin brav, schreie nicht rum, benehme mich anständig, schreibe gute Noten, mach mich nicht schmutzig ... Gell, jetzt hast Du mich lieb!
Und dann reichte es doch nicht. Ich bin halt ein Versager, ungenügend, sitzen geblieben. Weder Du noch ich haben bzgl. Beziehung das Klassenziel erreicht.

Können wir auch nicht, wenn wir uns selbst immer nur in Frage stellen und uns selbst abwerten.

Weisse Katze, Du gestehst Dir nicht zu, Dich ein wenig fröhlicher, leichter und unbeschwerter zu fühlen. Du bestrafst Dich selbst mit Leid und Abwertung (Berlin ist Sch..., München auch...) , weil es so sein muss. Denn Du hast es nicht geschafft, Du hast versagt, Du hast Dein Waterloo erlebt.

Ob Du an diesem oder jenen Abend vielleicht nichts hättest sagen sollen, ist völig bedeutungslos, denn irgendwann musste es aufs Tablett. An diesem Abend hast Du Eigeninitiave ergriffen, wahrscheinlich von Deinem Unmut und Deinen Zweifeln gesprochen und ihm die Botschaft mitgeteilt, dass Du unglücklich und unzufrieden bist. Als er das erkannte, fühlte er sich minderwertig und gedemütigt und das konnte er nicht auf sich sitzen lassen und ertragen. Also musstest Du gehen. Früher oder später, Du hättest es nicht abwenden können und es war gut so.

Du solltest drei Kreuze machen und eine Kerze stiften, dass Du dieser Vorhölle entronnen bist und ausgesondert wurdest. Das Beste was Dir passieren konnte, denn nun ist es so weit: Du musst Dich Dir stellen und daran wirst Du wachsen.

Als die Affäre zu Ende war, durchlebte ich alle möglichen Gefühle: Untröstlichkeit, große Traurigkeit, panikartige Zustände, scheinbar grundloses Weinen, Wut und Fantasien, in denen er im Rollstuhl sitzen würde, todkrank würde oder noch besser, sterben würde und ständiges sich selbst martern (hätte ich doch, wenn ich doch...), Abwertung seiner Person und viel Leere.
Ich lebte weiter, was sonst, aber Ablenkung war spärlich, es war immer da. Mit der Zeit kam auch der Trotz: die miese Ratte an Mann hatte mich gedemütigt, kritisiert, aber Dir zeige ich es: ich kann auch mein eigenes Leben leben, nicht nur Du. Und ich lasse es mir auch mal gut gehen, genauso wie Du! Dir werde ich es zeigen, wie ich mein Leben jetzt anpacke, auch wenn Du es nicht mitkriegst und es Dich nicht interessiert.

Kindische Gedanken, aber ich denke, die kennt jeder.Was will ich ihm denn beweisen? Nichts, er bekam es ja nicht mit. Aber mir selbst wollte ich es beweisen, dass ich nicht auf seine Liebe und Beachtung angewiesen bin.

Mit der Zeit fand ich ich rein in mein Schmalspurleben und erlebte einige interessante Dinge. Z. B., dass ich mich so in diese Schrottbeziehung verheddert hatte, dass ich mich oft miserabel fühlte und das normal fand (Liebe und Leid gehören zusammen) und vor allem, dass ich kein eigenes Leben mehr gelebt hatte. Alles was ich tat, setzte ich in Beziehung zu ihm. Ich teilte ihm viel mit, Taten, Erfolge, Erlebnisse, denn er sollte daran Teil haben. Fast wie ein Kind, das alles mitteilen möchte.
Und mein gesamtes Fühlen und Denken kreiste um ihn und um die Beziehung, die in einer gewaltigen Schieflage war. Er hatte von mir Besitz ergriffen, ohne dass ich es merkte.
Vieles von dem, was ich nach der Trennung tat, interessierte mich zunächst nicht sonderlich. Ein Treffen mit Freundinnen, ja, nett, aber ... Da bin ich eingeladen. Ich könnte mich freuen, aber eigentlich wäre ich lieber bei ihm und mit ihm zusammen.
Ein Event: ja, schön, aber ohne ihn nur halb so schön.
Egal, was ich tat, es fühlte sich irgendwie null und nichtig an.
Und da merkte ich, dass alles nur um ihn kreiste und ich mich selbst aufgegeben hatte.

Ich wurde selbstständiger nach der Trennung, unternahm viel, fing an meine ständige Selbstkritik einzustellen und dachte mit viel Abstand betroffen daran, wie er mich in der Hand gehabt hatte. Er hatte über meine Gefühlslage entschieden! War er lieb und nett, fühlte ich mich großartig, war er abweisend und kalt, überfielen mich sofort Ängste, Selbstzweifel und tiefe Trauer.

Ich hatte mein Leben eingeengt, verkürzt und auf einen Punkt ausgerichtet und dieser Punkt war er. Es war fast verstörend, als mir das bewusst wurde. Wieso war ich da rein geraten, warum hatte ich alles hingenommen, dass dieser Vollkoffer blieb? Warum war alles hohl und schal, wenn ich es nicht mit ihm teilen konnte?
Und dann wurde ich doch verlassen, wieder mal.
Wir suchen uns unbewusst Partner, die unsere Traumen bedienen.

Es dauerte verdammte zwei Jahre bis ich ganz von ihm los war. Natürlich wurde es im Lauf der Zeit besser, die Trauer weniger, ich entwickelte wieder Lebensfreude (wo war die in der Beziehung eigentlich hingekommen?), ich löste mich los, ich dachte nicht mehr viel an ihn. Dazwischen mal eine Phase, in der ich mir einbildete, ich sollte Kontakt aufnehmen, Witterung aufnehmen, ob ich noch ein Thema war oder ich hoffte, er würde sich mal melden, was nicht geschah. Zum Glück tat ich auch nichts, es wäre doch wieder nur ein Fiasko für mich geworden.

Was blieb? Nichts, er ist Vergangenheit. Ich lebe anders, bewusster, genussfreudiger, bin nachsichtiger mit mir und anderen Menschen, aufmerksamer mir selbst gegenüber, bin fröhlicher und zufriedener als in der Zeit mit dieser Trantüte von Mann (was hatte ich je an ihm gefunden?). Bin ich glücklich? Vielleicht, jedenfalls glücklicher als Damals.
So gesehen hat er mir einen großen Dienst erwiesen und dafür bin ich ihm sogar dankbar. Keiner hat mich vor ihm je mit meinen eigenen Defiziten so bekannt gemacht wie er. Nur durch ihn habe ich so viel erkannt. Mir wurde so viel von dem bewusst, wie ich mit mir selbst umging, mich in Beziehungen verhielt und wie ich mich oft durchs Leben quälte.
Wäre er nicht gewesen, würde ich womöglich noch so rumeiern wie früher - ziellos, in Ungewissheit befangen, zweifelnd und zaudernd.
Er war mein Lehrmeister und führte mich zu mir selbst. Es wäre Quatsch zu glauben dass ich jetzt rundum geheilt bin. Jeder Psychologe würde darüber lachen. Aber ich fühle, dass ich heiler als früher geworden bin.

Gut, dass er kam und gut, dass er ging.

25.02.2022 14:37 • x 16 #172


W
Zitat von Begonie:
Stattdessen tut man das, was ihm gefällt oder gefallen könnte, kleidet sich so, wie es ihm wohl gefällt, schminkt sich oder auch nicht (wie er es halt haben will) und fühlt sich dabei noch großartig.Schau her, ich richte mich ganz nach Dir. Gell, jetzt hast Du mich lieb!


Zitat von Begonie:
Und dann reichte es doch nicht. Ich bin halt ein Versager, ungenügend, sitzen geblieben. Weder Du noch ich haben bzgl. Beziehung das Klassenziel erreicht.

Ja, genau das. Deshalb auch die Scham. Zusätzlich zum Liebeskummer, zum Vermissen, zu der Leere, kommt das Gefühl des Scheiterns. Dass ich zu dumm, zu hässlich, zu anhänglich bin, um einen Mann wie ihn halten zu können.

Zitat von Begonie:
An diesem Abend hast Du Eigeninitiave ergriffen, wahrscheinlich von Deinem Unmut und Deinen Zweifeln gesprochen und ihm die Botschaft mitgeteilt, dass Du unglücklich und unzufrieden bist.

Ja, so war das. Ich habe gesagt, dass ich es nicht mag ignoriert zu werden, wenn er nach Hause kommt. Er hat genervt mit den Augen gerollt, gesagt er wäre halt kein so extremer Kuschelbär, hat mich nicht mal angeguckt und den Fernseher lauter gedreht. Er hat dann einfach so getan, als wär nichts gewesen, wollte Abendessen machen. Ich musste aber immer wieder die Tränen wegdrücken und hab dann gesagt, dass es viel zwischen Kuschelbär und ignorieren gibt, ein hallo und ein Lächeln hätte mir ja gereicht, da ist es dann eskaliert und er hat gesagt, dass er mich nicht liebt und nicht atmen kann, seit ich bei ihm lebe. Und ich zerfleische mich, warum ich es nicht bei dem ersten Kommentar belassen konnte, essen, alleine schlafen gehen, weitermachen.
Zitat von Begonie:
Und ich lasse es mir auch mal gut gehen, genauso wie Du! Dir werde ich es zeigen, wie ich mein Leben jetzt anpacke, auch wenn Du es nicht mitkriegst und es Dich nicht interessiert.

Ich schaffe es noch nicht, bei jedem Schritt darüber nachzudenken, was er wohl dazu sagen würde. Er hat ja immer gesagt, dass ich eigentlich nichts kann und daher würde ich ihm gerne sagen, dass ich schnell einen Job gefunden habe, sogar noch eine Alternative hätte. Ich denke bei jeder Wohnung, ob ihm die wohl gefallen würde. Ich gucke also bei den Wohnung weniger, ob ich mich da wohlfühlen würde, sondern versuche sie durch seine Augen zu sehen. Dabei ist das völlig schwachsinnig, ihn interessiert nicht im geringsten, was ich mache und wo ich bin.
Zitat von Begonie:
Alles was ich tat, setzte ich in Beziehung zu ihm. Ich teilte ihm viel mit, Taten, Erfolge, Erlebnisse, denn er sollte daran Teil haben.

Ja, so war ich auch. Er hat mir das auch mal gesagt. Dass ich ihm ständig so belanglose, banale Alltagsdinge erzähle und ob ich eigentlich denke, dass das irgendwen interessiert. Solche Sachen hab ich nie irgendwem erzählt, dass er sowas sagt.
Er war ja völlig für meine Stimmung verantwortlich, nach so einem Kommentar hab ich dann geheult. Wie oft ich im Büro geheult habe, weil er mir irgendwas Gemeines geschrieben hat und mir dann Ausreden ausgedacht habe ... Allergie, Todesfall im Bekanntenkreis, irgendwas.

Zitat von Begonie:
Egal, was ich tat, es fühlte sich irgendwie null und nichtig an.
Und da merkte ich, dass alles nur um ihn kreiste und ich mich selbst aufgegeben hatte.

Ja, so geht es mir auch. Über allem liegt eine dicke, dunkle Decke. Einerseits würde natürlich alles mit ihm mehr Spaß machen - oder überhaupt nur mit ihm Spaß machen. Andererseits ist mein größeres Problem, dass ich nicht weiß, was mir überhaupt Spaß macht, was mich interessiert. Ich würde gerne etwas machen, obwohl er es vielleicht sch. finden würde, nur für mich. Aber mir fällt nichts ein. Es ist ein bißchen so, als würde ich ohne ihn gar nicht mehr existieren.

Gestern hat er sich gemeldet, aber nur eine ganz kurze Nachricht: Er bekommt das Geld von der Bank am 30.3. und schickt es mir dann, er dachte das würde ich wissen wollen, ich muss ihm nicht antworten. Keine Frage, wie es mir geht, was ich mache, wo ich bin. Mich schockiert das und er würde anderen gegenüber wohl behaupten, dass er mir nicht unnötig weh tun will, aber ich vermute, dass es ihn tatsächlich nicht interessiert. Ich hab dann noch gefragt, ob er mir schon was über die Rückerstattung unseres gemeinsam gebuchten Urlaubs sagen kann und er sagte nein. Das war es. Ich habe auch nichts mehr gesagt. Es tut so verrückt weh.

Mein neuer Job ist auch nicht so, wie ich ihn mir vorgestellt habe. Einerseits ist es gut, weil alle sehr sehr distanziert sind und mich so niemand nach meinem Privatleben gefragt hat. Andererseits ist mir das ganz fremd so. Alle siezen sich, es wird kaum gelacht und der Umgang miteinander ist sehr förmlich. Trotzdem habe ich schon mitbekommen, dass ich in dem Büro mit 6 Leuten als einzige keinen Partner habe. Angeblich gibt es ja so viele Singles, aber irgendwie machen die alle einen riesigen Bogen um mich. Ich bekomme frisch Verliebte und Familienglück um die Ohren gehauen.

04.03.2022 20:13 • #173


B
@Begonie
Dein Beitrag berührt mich sehr. Vielen Dank dafür!

05.03.2022 22:37 • #174


B
Zitat von WeisseKatze:
Ja, so geht es mir auch. Über allem liegt eine dicke, dunkle Decke. Einerseits würde natürlich alles mit ihm mehr Spaß machen - oder überhaupt nur mit ihm Spaß machen. Andererseits ist mein größeres Problem, dass ich nicht weiß, was mir überhaupt Spaß macht, was mich interessiert. Ich würde gerne etwas machen, obwohl er es vielleicht sch. finden würde, nur für mich. Aber mir fällt nichts ein. Es ist ein bißchen so, als würde ich ohne ihn gar nicht mehr existieren.

Beziehungen wie solche sind für jeden der Beteiligten toxisch. Er fühlte sich überfrachtet, vereinnahmt und eingeengt, auch wenn Du ihn bewusst nicht eingeengt hat. Aber der Partner fühlt instinktiv, dass er eben doch vereinnahmt wird, indem die Partnerin ihn zu ihrem Gott, ihrem Heilsbringer hochstilisiert und ihm immer die stille Botschaft mitteilt, dass er dafür da ist, Dich glücklich zu machen.
Das ist weder Dir noch ihm bewusst, aber gerade in engen Beziehungen laufen unbewusst viele Prozesse ab, die keiner bewusst erkennt, die aber wahrgenommen werden. Oftmals kann man sie nicht mal richtig artikulieren, am wenigsten, wenn man drin steckt. Meist erkennt man erst mit einem großen Abstand, was da eigentlich ablief.

Ich hatte mal ein Schlüsselerlebnis. Die Trennung lag lange zurück, ich hatte mein Leben neu eingerichtet, alles lief gut. An ihn dachte ich kaum mehr. Der Kontakt war lange abgebrochen und das war auch gut so.

Ich saß an meinem Tisch - allein und frühstückte. Auf einmal fiel er mir ein und ich fragte mich warum das so ist. Verspürte irgendeine Faser meines Herzens noch Sehnsucht? Nein, da war keine da. Wollte ich vielleicht insgeheim Kontakt aufnehmen und mich wieder bei ihm ins Spiel bringen, denn dass ich so schnell gestrichen war in seinem Leben, machte mir arg zu schaffen. Verletzter Stolz und wieder mal das Gefühl aus der Kindheit: ich bin nicht wichtig, nicht gut genug, nicht liebenswert, ich habe versagt ...

Aber auch danach verspürte ich keinen Wunsch. Ich war eher erleichtert, dass er weg war und in meinem Leben keine Rolle mehr spürte. Warum also dachte ich an ihn?
Und auf einmal geschah etwas Merkwürdiges: ich sah uns beide auf einer Bühne, wie wir ein trauriges Zweipersonenstück aufführten. Ich sah, wie einer den anderen verletzte, ihm weh tat, obwohl er das gar nicht wollte und wie wir uns aneinander abarbeiteten. Er mit seinem Wunsch nach Freiheit, Unabhängigkeit und doch innerlich mit einer großen Sehnsucht nach Akzeptanz und Zuneigung. Die gab ich ihm ja im Überfluss, aber das war für ihn wieder auch Vereinnahmung, denn er hatte das dunkle Wissen: sie will was dafür!

Und es war auch so, ich war nicht so frei von Eigennutz wie ich dachte. Ich erinnerte mich mal an etwas, was er mal gesagt hatte und zwar nach der Trennung. Er meinte, ich hätte ihn ausgenützt und ich war tief betroffen! Ich ihn ausgenützt, nein, das war falsch und es war wieder mal eines der Manöver zur Schuldumkehr. Er hatte mich ausgenützt, so war das doch! Er hatte meine Liebe, meine Zuneigung, meine Bewunderung seiner Person angenommen und dann mit Füßen getreten und mich weggeworfen wie einen nassen Putzlappen, der ausgedient hatte.
Wir einigten uns damals darauf, dass keiner den Anderen nicht ausgenützt hatte, zumindest nicht mit Absicht. Und doch hatte ich diese eine Aussage nie vergessen! Wenn so was kleben bleibt, hat es eine Bedeutung und ein Korn Wahrheit.

Und auf einmal sah ich es und es wurde mir erstmal bewusst: Ja, ich konnte nun verstehen, wie er sich mit mir gefühlt hatte, mit meiner Liebessehnsucht, meinem Wunsch nach Anerkennung und Geltung. Wie das kleine Kind, das nach Aufmerksamkeit sucht. Gell, jetzt hast Du mich lieb! Von wegen!
Und ich verstand, wie er sich wohl fühlte: er war eine Art Gott für mich, ich bestätigte ihn, hielt zu ihm, sah ihm alles Mögliche nach ( er hatte halt eine schwere Kindheit usw.) , rannte ihm gefühlt hinter her, was ich nach Kräften verbergen wollte. Ich hatte ihn auf ein Podest gestellt und auf einem Podest lebt es sich auch nicht so gut. Denn der Andere weist sich damit selbst einen Platz zu seinen Füßen zu. Die Achtung des sich freiwillig Unterordnendem schwindet, man wird als langweilig, reizlos und irgendwann als lästig empfunden.

Und inwiefern hatte ich ihn ausgenützt? Ich hatte ihn zu einer Art Lebensretter gemacht und jede Menge Aufgaben an ihn gehabt.
Bitte mach Du mein ödes Leben bunt, werte es auf und werte damit mich auf. Bitte zeige Du mir, dass ich liebenswert bin, damit ich endlich glauben kann, dass auch ich es wert bin, geliebt zu werden. Bitte achte Du mich, wo ich mich doch selbst nicht achten kann.
Hier, ich gebe Dir mein trauriges Herz! Mach es bitte heil und dann gib es mir wieder zurück.
Erledige Du, was ich selbst nicht für mich tun kann, weil ich einfach nicht an mich glaube.

Und im Gegenzug bekommst Du die beste Frau an Deiner Seite, die Du Dir vorstellen kannst.

Ich merkte auf einmal, dass in meinem Verhalten tatsächlich viel Eigennutz steckte. Natürlich wollte ich ihm auch was dafür geben - meine bedingslose Liebe. Naja, so bedingungslos war sie natürlich doch nicht, denn ich gab sie ihm, damit er mich aufwertete.
Da wurde ich traurig und einige Tränen flossen auch. Ja, er hatte Recht gehabt, ich hatte ihn auch ausgenützt, ihn benützt und hatte es nicht gemerkt. Er sollte mein Heilsbringer sein und mich endlich ganz machen, damit ich mich gut mit mir fühlte.

Es war ein lichter Moment und eine Botschaft aus dem Unterbewusstsein, die lange brauchte, bis sie den Weg auf die bewusste Ebene fand. Ich sah frühere Beziehungen an und erkannte die Wiederholung.
Ich hatte meine Männer immer sehr geliebt, aber dahinter steckte viel Egoismus und wenig Verständnis für den Anderen. Und dann war ich doch nicht gut genug und fühlte mich weggeworfen und wertlos.
Eine Beziehung muss in der Waage sein, Jeder muss etwas geben und darf etwas nehmen, aber ich hatte etwas Sträfliches getan: ihn zu einem Retter gemacht, der mir das Gefühl geben sollte, dass ich seiner Liebe wert war. Denn dann fühlte ich mich endlich ganz. Wichtig, wahrgenommen, geachtet.
In der Beziehung fühlte ich mich alles andere als das: ich war ein Zaungast, der ihm traurig bei seinem tollen Leben zusah und gerne die Hauptrolle hätte spielen wollen. Das verwehrte er mir, denn er blieb autark. Er brauchte mich nicht, aber ich brauchte ihn.
Ich war der Spielball, den er an die Wand knallen konnte oder mit dem er fröhlich spielen konnte - nach Belieben. Denn ich hatte mich selbst aufgegeben und mich in eine emotionale Abhängigkeit begeben, die ich normal fand.

Eigentich kein Wunder, wenn man da als Klotz am Bein empfunden wird. Er war ja nicht bösartig, er wollte mir nicht schaden, aber natürlich war auch er sehr beschädigt. Seine Bindungsängste, sein Streben nach Freiheit verletzten mich, weil sie mir einen Spiegel vorhielten, dass ich genau das Gegenteil war und wollte.
Seine Bindungsänste kollidierten mit seinem Wunsch nach Liebe und Anerkennung, denn auch er hatte ein schwaches Ego, das beständig Futter brauchte. Denn tief in sich war auch er davon überzeugt, dass er der Liebe nicht wert war.

Zwei defizitäre Menschen können sich nicht heilen, nicht helfen, sie leben nur ihre Mechanismen an sich aus und tun weh ohne es zu wollen. Wir beide waren bindungsgestört, lebten es aber unterschiedlich aus. Er vermied aktiv zu feste Bindungen, machte sein Ding, entzog sich und hatte dafür ein nettes Repertoire an Distanz schaffenden Mechanismen. Er stellte mich immer wieder kalt, er sprach verschwurbelt und immer war ich gefühlt die Dumme, Nein, so habe er das nicht gemeint, gesagt ... Ich hatte es falsch aufgefasst.
Naja, vielleicht hatte er ja Recht und ich gab klein bei - wieder Mal. Ich hasste seine verschwurbelten, halbherzigen Antworten auf brennende Fragen. Er war nicht ehrlich, auch wenn er nicht direkt log. Aber er hinterging mich doch und er war charakterlich auch ein Schwein. Ich weiß nicht, ob ich so viel besser bin und war.
Seine Selbstbeweihräucherungen, die ich verachtete: Ich kenne jetzt übrigens Frau X von der Firma Y (scheinbar sehr wichtig) und Herr S hat mir letzthin das Du angeboten, was sehr selten bei ihm ist. Eine Auszeichnung für ihn und ich dachte mir bloß wieder: Meine Güte, was bist Du daran angewiesen! Ich fühlte sein schwaches Selbstwertgefühl, aber auch wenn ich versuchte, es aufzuwerten, so war es doch umsonst. Es wirkte nicht, denn wenn Jemand nicht an seinen Wert glaubt, so kannst Du oben reinschütten, was Du willst und kannst, es läuft doch durch.
Und wieso war ich eigentlich dafür da, ihm seinen Selbstwert aufzumöbeln, wo ich doch selbst keinen hatte!

Und ich? Ja, ich trug meine Liebe zu ihm wie auf einem Tablett. Sieh her, wie liebenswert ich doch bin, ich bringe Dir ein ganz volles Fass voller Liebe und Nachsicht und das gab ich dann einem Mann, der das gar nicht wollte. Was wollte ich denn mit einem Bindungsvermeider? Wo ich doch dringend einen liebenden Mann suchte, der mich aufmöbeln sollte und mir beweisen sollte, dass ich es wert war. Was trug ich das einem Mann hin, von dem ich wusste, dass er keine Beziehung halten konnte, weil sie ihm die Luft abschnürte?
Ich ging den Weg hintenrum. Ich hängte mich an Männer, von denen ich merkte, dass sie bindungsgestört waren. Die wollte ich dann heilen, ihnen beweisen, wie toll ich doch war. Ich suchte da nach Liebe, wo ich sie nicht fand.
Mein Unterbewusstsein ist klüger als ich. Es lehnte sich entspannt zurück und dachte sich: ich bin safe, keine Gefahr, denn es gibt keine Beziehung. Denn auch ich vermied feste Bindungen, indem ich die falschen Männer suchte. Dass ich mich auf der bewussten Ebene aufarbeitete, mich quälte und mein fast nicht vorhandenes Selbstwertgefühl von ihm ganz kaputt machen ließ, ist dem Unterbewusstsein ziemlich egal. Es weiß nur, feste Bindungen tun weh und sollten daher vermieden werden. Wenn meine Mama mich schon nicht genug liebte, wer sollte es denn sonst tun? Ich war es ja doch nicht wert.

So was verfestigt sich natürlich und ist ein innerer Glaubenssatz. Und von nichts verabschiedet sich ein Mensch schwerer als von verinnerlichten Glaubenssätzen. Man muss sie erst mal bemerken, das ist schon mal Voraussetzung. Aber ach, da gibt es ja Gott sei Dank so viele Verdrängungsmechanismen, dass man sich lieber nicht damit abgibt. Darüber breiten wir den Mantel des Vergessens, das wollen wir doch gar nicht wissen. Aber es ist eben doch da und es wirkt in unser Leben, steuert unser Verhalten ohne dass wir es merken.

In Dir steckt ein sehr verletztes kleines Mädchen, das so gar nicht an sich glauben mag. Denn derjenige, der das Mädchen hätte heil machen sollte, hat es nicht getan. Im Gegenteil, er hat Dich eiskalt aus seinem Leben geschmissen und tut es noch.
Es ist eigentlich egal, was er tut oder auch nicht, es ist eh falsch. Schreibt er sachlich, dann ist er ein gefühlskaltes Ar..., schreibt er emotional, denn ist es heuchelerisch und dient nur seinem guten Gewissen. Schreibt er nicht, so ist das ja nur typisch für ihn, denn liebevoll war er ja nur zu seinem Hund. Schriebe er, so würdest Du es auch abwerten.

Ich will Dir nicht sagen, Du bist Schuld an der Misere. Nein, beide haben ihren Teil dazu beigetragen und meist ist die vermeintliche Schuld sogar gleichmäßig verteilt. Ich war nicht der altruistisische Engel, der ihn von einer wundervollen Liebesbeziehung überzeugen wollte. Ich wollte was dafür, ich wollte viel, zu viel. Denn wer sein Wohl und Wehe von einem anderen Menschen abhängig macht und ihm die Verantwortung für das eigene Wohlbefinden aufdrückt, der wird scheitern. Denn das was gewünscht wird, kann der Andere nicht leisten, vor allem, weil er ja selbst unter seinem Unvermögen leidet.
Die eigentlichen Dynamiken erkennt man erst mit viel Abstand. Es war damals eine Botschaft, die mir mein Unterbewusstsein schickte mit der Aufforderung, das mal genauer zu betrachten. War es so einfach? Ich die Gute und er der Schlechte? Die Gute ist auch schlecht und der Schlechte ist nicht nur schlecht, weil er seine Haut retten wollte.

Ich verstehe heute so vieles besser. Und daher habe ich gerade vom Scheitern viel profitiert. Ich habe mich selbst angeschaut und so manches entdeckt, was leider im Argen lag oder noch liegt. Aber es hat mir auch geholfen, irgendwie ein besserer Mensch zu werden, der seine Umwelt nicht aburteilt und abwerten muss, um sich selbst groß zu fühlen. Ich denke, ich bin recht großmütig und man kann mit mir auskommen, denn ich bin freundlich, rücksichtsvoll und gebe mir Mühe, die teils befremdlichen Eigenarten anderer Menschen zu akzeptieren. Ich will ja auch akzeptiert werden und ich habe auch befremdliche Eigenarten.

Ich habe gelernt, dass ich selbst für mich verantworlich bin und dass ich auch gut zu mir sein darf.Wenn ich mich nicht um mich kümmere, tut es keiner. Ich kann keine Liebe erwarten, wenn ich keine Eigenliebe in mir habe. Ich kann keine Achtung erwarten, wenn ich mich selbst nicht achte und alles mit mir machen lassen. Kein anderer Mensch ist so verantwortlich für mich wie ich selbst. Ich glaube, auch daran hapert es bei Dir. Selbstfürsorge, Achtsamkeit gegenüber sich selbst ist zu wenig ausgeprägt. Stattdessen wird die Umwelt betrachtet und sich mit anderen verglichen. Oh je, die nächste Klatsche. Alle haben es geschafft, leben happy family und glückliche Liebe, aber ich ... ich habe es ja nicht geschafft. Ich fühlte mich wohl mit meinem Verheiratetenstatus, weil der zeigt, dass ich der Liebe wert bin.
Ist es so einfach? Sind alle anderen glücklich, weil gebunden? Vielleicht denkt die ein oder andere, die hat es gut, die darf ihr Leben ohne Verantwortlichkeiten leben.

Gib Dir selbst mal eine Chance! Anstatt schon wieder alles abzuwerten, sieh mal das Positive. Eine Arbeit ist keine Kontaktbörse und keine Kuschelkita. Eine Arbeit bedeutet Lebensunterhalt und manchmal stellen sich KollegInnen auf den zweiten Blick als netter heraus als vorher gedacht. Du kennst doch den Spruch: wie man in den Wald hinein schreit, so schallt es zurück.

Er war halt nicht der Traummann, den Du in ihm sehen wolltest. Er fühlt sich doch mit sich selbst nicht wohl und der einzige, der ihm das kalte Herz wärmt, ist sein Hund. Er ist einsam und verlassen und merkt es nicht. Und vermutlich hat er narzistische Züge. Auch er ein Opfer seiner Kindheit.

Mein Goldexemplar war ja immer recht kulturbeflissen, kannte sich aus mit Musik, auch wenn sie nicht meinem Geschmack entsprach und mit Filmen. Ich weniger. Aber ich wusste, ich würde gerne ins Theater gehen. Warum kann ich nicht sagen. Aber ich hatte ja Niemanden. Meine Schwester wohnt ein gutes Stück weg, mein Partner hat kein Interesse, Freundinnen hatte ich auch nicht die dafür geeignet gewesen wären. Man könnte auch alleine gehen, könnte man meinen. Aber ach, nö, da stehst Du blöd in der Gegend rum, allein und alle anderen sind zu zweit oder kennen Jemanden. Und Du? Sieht ja jeder, dass Du keine Begleitung hast.
Da fühlst Du Dich dann unsicher und minderwertig, also kein Theater. Nach der Trennung keimte der Wunsch nach einem Theaterbesuch wieder auf.
Und dann besorgte ich mir eine Karte und ging hin - allein. Und ein Wunder geschah, ich fühlte mich nicht allein, auch wenn ich ohne Begleitung war. Es gefiel mir, es gab mir was und ab da ging ich oft ins Theater und habe teilweise wunderbare Schauspiele gesehen. Komödien interessieren mich nicht, zu banal. Aber Dramen, die mir was sagen die eine Botschaft haben, sagen mir zu. Ich merkte, was mir gefiel und was nicht, aber das muss man ausprobieren. Aber ausprobieren setzt voraus, dass man in die Gänge kommt.
Ich merkte rasch, dass ich lieber allein ins Theater gehe. Ich muss mich nicht austasuchen, ich bin dann ganz bei dem Stück auf der Bühne und will mir hinterher Gedanken machen, ohne dass mich Jemand stört. Es war ein Gewinn für mich und das habe ich erst nach der Trennung angefangen, weil ich es versuchen wollte und mir nicht dauernd selbst im Weg stehen wollte. In der Pause hole ich mir einen Prosecco und stehe allein und schau mir andere Leute an. Aber ich fühle mich nicht mehr minderwertig.
Ich ging viel ins Kino, sah schlechte und gute Filme, auch immer allein.

Und dann kam ein großer Kongress in Berlin. Ausgerechnet Berlin. Er, der Ex. war schon oft dort gewesen, hatte sogar eine Art Freundin dort, bei der er übernachten konnte, natürlich umsonst, denn aufs Geld schaute er immer. Mir war das ein Dorn im Auge, aber was hätte ich dagegen sagen sollen? Du, ich bin eifersüchtig und was ist das mit dieser Frau? Ich schwieg und sagte nichts und fragte nichts. Mein Traum war es, einmal mit ihm gemeinsam nach Berlin zu fahren, von meinem Wohnort sind das schon einige Hundert Kilometer.
Tja, auf dem Kongress würde er wahrscheinlich auch sein. Die Sparte ist nicht so groß. Und ich hatte ihn seit der Trennung nicht mehr gesehen. Was würde das mit mir machen? Ich würde traurig werden, ihn sehen und mein Herz würde schmerzen und ich würde in meinem Hotelzimmer sitzen, traurig und verlassen und allein. Die Einsamkeit würde mich überrollen.

Kein Problem, es war ja freiwillig und wenn ich nicht dorthin fahren würde, wäre es auch egal.
Es nagte in mir. Sollte ich oder lieber nicht? Ich würde mich garantiert verfahren, mich nicht auskennen. Berlin ist riesig, ich lebe in der Provinz. Wie sollte ich das schaffen? Und doch, immer wieder sagte eine Stimme, los, fahr dahin.
Und dann buchte ich mein Zimmer, meine Bahnkarte, meine Teilnahme am Kongress und hatte eine Tasche mit sämtlichen Verbindungen des ÖPNV bei mir. Der Weg vom Bahnhof zum Hotel und umgekehrt, der Weg vom Hotel zum Kongress und umgekehrt usw.
Und dann war alles so einfach. Ich traf Kollegen, hatte Spaß und jeden Abend etwas anderes vor. Lernte neue Kollegen kennen, einfach so. Ich fühlte mich gut, ich fand mich zurecht. Und dann hängte ich noch zwei Tage dran. Vier Tage Kongress und zwei Tage für mich. Ich hatte mir ein Programm gemacht und war begeistert.
Ich fuhr heim und fühlte mich so wohl wie lange nicht mehr. Berlin war mein Freischwimmer gewesen. Er war gar nicht gekommen, was gut war.
Ich ging auch in Berlin ins Konzert und hinterher setzte ich mich in ein Lokal und bestellte mir ein Glas Wein und war glücklich. Glücklich, tatsächlich! War ich in der Beziehung glücklich gesesen? Die meiste Zeit nicht, denn ich war von Verlustängsten und Unsicherheiten geplagt. Und der Ex? Wann hatte ich denn schon mit ihm gelacht? Er lachte ja nicht, er lächelte allenfalls. Richtig lachen konnte er nicht, weinen sicher auch nicht. Denn er war lau, es war kein Feuer in ihm. Und ausgerechnet dort suchte ich Wärme.

Mir wurde bewusst, dass ich in der Beziehung meine Lebensfreude weitgehend verloren hatte. So viel Macht hatte er über mich gehabt, denn ich lebte ja für ihn. Und wenn er nicht liebevoll war, war ich unglücklich und fühlte mich wertlos. Und das war die meiste Zeit der Fall. Ich hatte ihn über mein Wohlbefinden, meine Eigenständigkeit entscheiden lassen.

Ich musste erst lernen, dass ich eigenständig etwas unternehmen konnte und wenn ich allein in einem Lokal saß, freute ich micht, dass ich es nun schaffte, es auch allein zu können. Ich bin gerne mit mir allein, trotz Beziehung, die ich jetzt erst richtig ertagen kann. Ich kann eigenständig entscheiden und dennoch in einer Beziehung sein. Ich darf glücklich sein, was ich mir lange verwehrt habe und das strahlt auch auf den Partner ab. Ich bin nicht mehr abhängig von der Zuwendung eines Menschen und dieser Mensch entscheidet nicht über meine Stimmung, wie es der Ex getan hat. Er ist nicht perfekt. Gut so, ich bin es auch nicht. Seltsamerweise kann ich jetzt eine Beziehung haben, ohne mich abzuarbeiten.
Der Schlüssel dazu ist Eigenliebe und Akzeptanz des eigenen Ichs. Ich darf glücklich sein, mich freuen, ich gestehe es mir zu.

Irgendwann hatte ich genug gelitten. Ich finde, Du hast auch genug gelitten. Du darfst es Dir auch mal gut gehen lassen. Geh halt ins Theater oder ins Kino oder mach sonstwas. Probiere was aus und erwarte nichts. Das Leben zeigt Dir schon, was zu Dir passt. Und irgendwann ist dann der Weg frei für eine neue Beziehung. Jetzt nicht, viel zu früh und zu wem solltest Du auch Vertrauen haben, wo Du Dir selbst nicht vertraust?

Lass ihn nicht über Dein Leben entscheiden. Das hat er lange genug getan. Es reicht irgendwann und Du bist ohne ihn genauso viel wert. Ach ja, wo ist er hin, der Selbstwert, denn über den hat ja er bestimmt? Finde ihn und es wird Dir besser gehen.
Du darfst glücklich werden, aber das musst Du Dir auch zugestehen.

07.03.2022 13:40 • x 12 #175


DieSeherin
Zitat von WeisseKatze:
Und ich zerfleische mich, warum ich es nicht bei dem ersten Kommentar belassen konnte, essen, alleine schlafen gehen, weitermachen.

Zitat von WeisseKatze:
Er hat ja immer gesagt, dass ich eigentlich nichts


alles, was du über ihn erzählst, lässt mich durchatmen und sagen: na gottseidank ist das an dem abend eskaliert, weil er sie sonst weiter und weiter kleiner und kleiner gemacht hätte

Zitat von Begonie:
Lass ihn nicht über Dein Leben entscheiden.


genau... entziehe ihm die macht über deine gefühlswelt!

07.03.2022 14:28 • #176


B
Zitat von DieSeherin:
alles, was du über ihn erzählst, lässt mich durchatmen und sagen: na gottseidank ist das an dem abend eskaliert, weil er sie sonst weiter und weiter kleiner und kleiner gemacht hätte

Irgendwann wäre es ohnehin dazu gekommen, weil Du unglücklich genug warst und eine Linderung erreichen wolltest. Aber leider fehlt es ihm auch an Empathie. Er fühlte sich belästigt, wollte seine Ruhe haben und sich mit Deinen Nöten auseinander setzen. Seine Bereitschaft, auf Dich einzugehen, war nicht vorhanden.
Es gärte sicher schon länger in ihm, daher auch sein liebloses Verhalten. Und dann kam das Fass zum Überlaufen und er beendete die Beziehung.

Es war das Beste was Dir passieren konnte. Du wirst es irgendwann erkennen.

07.03.2022 15:35 • #177


B
Zitat von WeisseKatze:
Dass ich zu dumm, zu hässlich, zu anhänglich bin, um einen Mann wie ihn halten zu können.

Wobei wir wieder bei der Selbstabwertung angekommen sind. Wie immer. Du willst Dinge, die Du nicht schaffst und dann bist Du enttäuscht von Dir.

Pff, einen Mann wie ihn halten zu können!
Einen Mann, der grußlos ins Haus kommt, den Fernseher anmacht, Dich nicht beachtet, lieblos ist, Dich abwertet und drangsaliert, über Dich bestimmt aber seinen Hund verwöhnt. Also echt!
Der Mann ist untere Kategorie, aber Du hast ja Recht. Nicht mal den konntest du halten!

Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man direkt darüber lachen.

08.03.2022 21:03 • x 1 #178


W
Zitat von Begonie:
Ich fühlte mich wohl mit meinem Verheiratetenstatus, weil der zeigt, dass ich der Liebe wert bin.

Ja, genau so war es. Ich finde mich wirklich nicht liebenswert, nicht mal mögenswert. Ich bin kein Hauptgewinn, eher so ein Trostpreis, wenn überhaupt. Eigentlich habe ich gar keine Persönlichkeit. Vor lauter Angst, dass mich jemand nicht mag, passe ich mich überall an. Eine Kollegin hat das mal gesagt, sie bewundert mich dafür, dass ich wie ein Chamäleon bin und daher überall zurechtkomme. Ich würde mit ihr völlig anders reden als beispielsweise mit einer Geschäftspartnerin, ich wäre wie ein anderer Mensch. Sie dachte, ich mache das im beruflichen Kontext bewusst. Habe ich aber nicht, mich hat das sehr erschreckt, weil ich es nicht mal bemerkt habe. Ich könnte nicht mal sagen, welche von beiden Personen ich WIRKLICH bin, ich hatte nie das Gefühl, dass ich mich verstelle, so sehr läuft das unterbewusst ab.

Zitat von Begonie:
Eine Arbeit ist keine Kontaktbörse und keine Kuschelkita. Eine Arbeit bedeutet Lebensunterhalt

Ich weiß. Ich habe immer anders gelebt, meine Arbeit war Teil meiner Persönlichkeit. Ich habe mich sehr eingebracht und mich aus Interesse am Thema immer auch im Privatleben damit beschäftigt. Meine Freunde waren oft Kollegen oder Ex-Kollegen, die aber noch in der gleichen Branche gearbeitet haben, so dass wir immer viel über die Arbeit geredet haben. Nach dem Arbeitstag waren wir noch gemeinsam etwas trinken oder sind einfach mit einer Flasche Sekt länger im Büro geblieben. Ich habe Überstunden gemacht, bin überall eingesprungen, wenn es gebrannt hat, war für die Arbeit immer erreichbar. Das hat oft Spaß gemacht, aber es hat auch gezehrt. Als ich zu ihm gezogen bin, hatte ich dann plötzlich einen völlig anderen Job, der körperlich fordernd war, fachlich weniger, Überstunden gab es nicht und die Kollegen hat privat kaum miteinander zu tun. Und ich fand es TOLL! Weil die Arbeit nicht so im Mittelpunkt stand, es gab ja noch so viel anderes.

Zitat von Begonie:
Ich merkte rasch, dass ich lieber allein ins Theater gehe. Ich muss mich nicht austasuchen, ich bin dann ganz bei dem Stück auf der Bühne und will mir hinterher Gedanken machen, ohne dass mich Jemand stört.


Eigentlich kenne ich das. Ich habe vor der Beziehung irgendwann entdeckt, dass ich gerne alleine reise. Natürlich auch in Gesellschaft, aber gerade Städtereisen mache ich am liebsten alleine. Ich kann ein unerträglicher Reisepartner sein. Ich stehe gerne früh auf, mache alles in Hochgeschwindigkeit, hab ganz skurrile Vorlieben, was ich gerne angucke und ausprobiere. Mit anderen musste ich mich da immer sehr einschränken. Also habe ich immer wieder was alleine gemacht, erst nur mal ein Wochenende nach Prag, Budapest oder Stockholm, dann irgendwann Bangkok, Kuala Lumpur, 3 Wochen alleine nach Kanada. Auch während der Beziehung bin ich noch viel alleine gereist, da ich deutlich mehr Urlaub hatte und zusätzlich immer sehr sehr viele Überstunden zum Abfeiern. Ich hatte fast Angst, dass ich nicht mehr dazu komme, alleine zu verreisen, wenn ich mit ihm zusammenlebe. Jetzt könnte ich alleine reisen, muss sogar alleine reisen, wenn ich denn reisen will - und die Vorstellung ist grauenvoll. Es ist eben ein großer Unterschied, ob man alleine reisen kann oder muss.

Ich hatte eine erste Stunde beim Therapeuten, eigentlich nur ein Vorgespräch. Jetzt muss ich einen Therapieplatz suchen und es heißt warten warten warten. Ich möchte das wirklich gerne machen. Die Erwartungshaltung wechselt zwischen Es hilft eh nicht zu Dann drück ich einen Knopf und es geht mir endlich besser Ich heule immer noch eigentlich jeden Tag, mich freut nichts und er fehlt mir so sehr. Ich kann nicht mal wütend auf ihn sein, weil der Schmerz jede Wut frisst. Dann denke ich mir wieder: es sind gerade mal 2 Monate, natürlich geht es mir noch nicht besser. Oder: es sind jetzt 2 Monate, da müsste es doch langsam besser werden. Mir ist auch niemand richtig vertraut, mir sind alle fremd geworden und ich weiß nicht, wie ich da rauskommen soll. Ich jammer niemanden voll, ganz im Gegenteil, ich glaube die meisten denken, dass es mir eigentlich ganz gut geht. Du lernst bestimmt bald jemand anderen kennen. Die Vorstellung ist surreal. Es ist schon kaum vorstellbar, dass ich neue Freunde finde. Ich habe auch gar keine Lust, es ist so anstrengend. Sich langsam kennenlernen, anfangen zu vertrauen, bis man dann wirklich Privates von sich erzählt. Das würde ich gerne alles überspringen und gleich damit anfangen, in Jogginghose auf dem Sofa zu hocken, Junkfood zu essen und über alles reden zu können.

11.03.2022 19:52 • x 1 #179


B
Zitat von WeisseKatze:
Die Vorstellung ist surreal.

Absolut. Es ist abwegig, jetzt neue Freunde finden zu wollen. Du kannst dich nicht öffnen, Du bist viel zu sehr mit Dir beschäftigt, musst die Gefühle irgendwie kanalisieren und aushalten.

Es sind jetzt gerade zwei Monate. Das sind die schlimmsten Wochen, für jeden in dieser Situation. Und bei Dir kommt noch hinzu, dass Du von einer Stunde zur anderen vor einer riesigen Leere gestanden hast. Du hast es geschafft, nach Deutschland zu fliegen und hast in Rekordzeit eine Arbeit gefunden.
Aber alles andere blieb liegen und muss erst mühsam aufgearbeitet werden. Ich glaube, das war alles zu viel für Dich. Du fühlst dich wie ein Flüchtling, der sich irgendwie durchbringen muss und sich doch fremd im eigenen Leben und im eigenen Land fühlt. Quasi gewaltsamer Heimatverlust und das hinterlässt tiefe Spuren.

Die Therapie ist eine gute Idee und ich hoffe, dass Du bald beginnen kannst und sich schrittweise eine Erleichterung abzeichnet.
Du scheinst noch in einer Art Schockzustand zu sein. Du reagierst, aber fühlst Dich doch leer und orientierungslos.
Und mir fällt auch nichts ein, was Dir helfen könnte.

Mir half damals auch der Trotz. Ich wollte ihn nicht zweimal gewinnen lassen und entwickelte daher auch einen blinden Aktionismus. Ich ging wahllos ins Kino, ging oft ins Theater und ging zu einem Stammtisch mit ehemaligen Schulfreundinnen, mit denen ich eigentlich nichts anfangen konnte.
Aber durch den Aktionismus ging es mir dann auch besser. Erstens gab ich mir selbst immer wieder einen Tritt in den Hintern und zweitens profitierte ich auch davon. Ich lernte, Filme bewusster anzuschauen und zu beurteilen. Ich erlebte teils ungeheuer berührende Theaterstücke, die mit einem Minimum an Requisiten so viel aussagten. Einfach, dass mich das berührt hat, war schon wichtig, weil ich mich dadurch wieder mehr spürte.

Ich war in Berlin in dem Theater, in der glaube ich Brecht schon inszenierte. Mir fällt der Name nicht ein. Ein Tipp von einer Kollegin. Und ich sah ein Stück, das gut für mich passte. Endstation Sehnsucht. Das war überwältigend. Danach fuhr ich heim und heulte fast in der S-Bahn über die innere Einsamkeit der Protagonisten. Da hätte ich gut dazu gepasst.

Und in den Stammtisch, der zunächst nur Beschäftigungstherapie war, wuchs ich rein. Nur das erste Treffen war echt schlimm. Ich saß mit einem freien Blick zum Thresen und was sah ich? Ein offenbar frisch verliebtes Pärchen im mittleren Alter. Sie turtelten, kicherten, lachten und fassten sich immer wieder an. Das war wenige Tage nach der Trennung.
Ich fühlte mein Herz in den Bauch rutschen, ich dachte ich sterbe vor Sehnsucht, denn ich wollte dort sitzen, mit ihm. Und wo war ich? Auf einem Mädelsstammtisch, der mich erst null die Bohne interessierte und später doch wichtig wurde. Ich dachte, will mich das Leben jetzt noch damit quälen?

Viel später dachte ich mir, dass Dir das Leben zwar manchmal viel nimmt, aber doch auf der anderen Seite auch wieder was gibt. Du erkennst den Wert oft nicht und übersiehst ihn und hinterher merkst Du ,dass vieles doch ein Geschenk des Lebens war, das Dich auch weiter gebracht hat.

Vielleicht trotz Unlust einfach mal was unternehmen, trotzdem. Es würde Dir im Endeffekt doch ein wenig gut tun, besser als daheim vor sich hin zu brüten. Wenn ich wieder nach Berlin komme, schaue ich mir das Deutsch-russische Museum in Karlshorst an.
Ich liebe Berlin, weil die Stadt so ungeheuer vielfältig ist und mir für jeden Aufenthalt wieder neue Ideen bringt.
Ich habe mir beim letzten Aufenthalt vor Corona das Olympiastadion angeschaut und hatte eine Führung gebucht. Und hinterher fuhr ich nach Wannsee und besuchte das Haus der Wannseekonferenz.Und ich war im Reichstag und vorher und nachher noch im Prenzlauer Berg.

Ja, es stimmt, es ist ein Unterschied ob man es freiwillig macht oder gezwungenermaßen. Aber Du könntest Dir auch mal eine Chance geben. Eine kleine Minichance nur.

11.03.2022 20:22 • x 3 #180


A


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