Als Anhänger romantischer Liebesbeziehungen hatte ich ausschließlich Liebschaften dieser Art: das libidinöse Begehren war die Eintrittskarte und die charakterliche Verbindung das tragende Fundament.
Das, was gewöhnlich im Zentrum und am Anfang einer zusammen entwickelten Beziehungsperspektive steht, wenn sich die Zweisamkeit gefestigt hat, der Entwurf für eine gemeinsame Zukunft, war nichts, was ich jemals ernsthaft bedacht und berücksichtigt habe - nicht aus Vorsatz, sondern aus schierem Unvermögen.
So verlebte ich meine Zeit mit einem unsteten, abenteuerlichen und Risiko affinen Lebenswandel, den die Frauen an meiner Seite bei aller Liebe irgendwann wegen zuwider laufender Bedürfnisse nach Sicherheit und Seßhaftigkeit nicht mehr teilen und (er)tragen konnten und mich tränenreich verlassen haben.
Ich vermochte den Trennungsentscheidungen zu meinem Leidwesen nicht glaubhaft widersprechen, weil es unaufrichtig gewesen wäre, eine Änderung meines Lebenswandels zu versprechen, wovon ich wußte, daß ich es nicht kann und überdies von der Überzeugung genährt, daß wahrhaftige Liebe ein Kind der Freiheit ist. Quasi aus realistischer Einsicht in meine Defizite habe ich die geliebten Frauen kampflos ziehen lassen und lieber gelitten als zu sagen: Bleib bei mir!
Das klingt für einen Außenstehenden wahrscheinlich nach einer verkorksten, schwierigen Person und ist, in selbstkritisch reflektierter Rückblende auf mein langjähriges Beziehungsverhalten gemünzt, als das orientierungslose, chaotische Handeln eines eigensinnigen Einzelgängers gesehen, auch nicht gänzlich von der Hand zu weisen.
Das unbekannte Abenteuer reizte mich mehr als die verläßliche Erfüllung einer festgelegten Beziehungsrolle.
Allerdings war ich bei aller Unberechenbarkeit in der S. eine treue Seele. Mich reizten gesellschaftliche Grenzgänger-Abenteuer, jedoch keine Affären, die ero. mit meinen Freundinnen hat mich ausgefüllt.
Meine untaugliche Eignung für ein Paardasein bestand in der rastlosen Neugier auf neue Erlebnisse in der Fremde, dennoch gefangen in einem weitläufigen Labyrinth der Unklarheiten, geprägt von lebensgeschichtlich abrupten Wendungen und unverständlichen Abzweigungen. Kaum war ich mit irgendetwas erfolgreich, sei es mit einer wirtschaftlichen Unternehmung, einer Ausbildung, freiberuflichen Tätigkeit, kunsthandwerklich mit eigener Werkstatt oder schriftstellerisch mit einem Manuskript etc., habe ich den Weg unvermittelt abgebrochen, die Chance, eine Laufbahn zu etablieren, verschwenderisch in den Wind geblasen und eine waghalsige neue Etappe begonnen, meist verbunden mit einem Ortswechsel, entlang einer existentiellen Gratwanderung, weil gänzlich Netz und doppelten Boden, ohne eine bequeme Austiegsklausel oder Rückversicherung.
Was sich vielleicht liest wie ein Todestrieb empfand ich, euphemistisch formuliert, als pure Entdeckungslust nach dem Lustprinzip, ohne nach dem Morgen zu fragen.
Mich hat es auf diese Weise immer wieder an fremde Orte gezogen, nach der Devise: Überall ist es besser, wo ich gerade nicht bin. In der Aussage steckt bereits die Erkenntnis, die ich erst im reifen Alter nach vielen Lektionen gewonnen habe, nämlich, daß ich einige Jahrzehnte vor der Eigenverantwortung, vor mir selbst weggelaufen bin und vermieden habe, intakte Beziehungen in eine überschaubare Biographie einzugliedern.
Konsequent endeten die drei substantiellen Beziehungen meines Lebens nach der Formel:
In Liebe vereint, im Leben entzweit.
Die Frauen sind mir immerhin als gute Freundinnen geblieben, haben mit anderen Männern, die ihren Vorstellungen mehr entsprachen, ein bodenständiges Glück gefunden.
Nun hat es in meinem Leben eine einschneidende Wandlung gegeben, infolge der letzten schmerzhaften Trennung nach dem oben beschriebenen Muster aber mit einem anderen Ausgang für mein Seelenheil.
Binnen kurzer Zeit habe ich jene Bedürfnisse angenommen, die ich lange Zeit nicht verstanden und verworfen habe, habe ein Haus erworben, bin seßhaft und ein integriertes soziales Mitglied der Gemeinde geworden, gehe selbständigen Tätigkeiten nach, die mir ein sicheres Einkommen gewähren und fühle mich trotzdem frei.
Die Ironie meiner Lebensgeschichte ist, daß ich ein Erkenntnis-Spätzünder bin, der Schwimmen gelernt hat, nachdem der See ausgelaufen ist und das ist jetzt der Punkt, den ich hier im Forum folgendermaßen zur Diskussion stelle.
Seit geraume Zeit, die letzte Trennung ist emotional rückstandsfrei bereinigt, bin ich wieder Single, graumeliert und faltiger und in einem fortgeschrittenen Alter, wo man ins Grübeln kommen kann: Sich mit dem Allein-Sein arrangieren und einfach abwarten, ob sich noch eine Liasion ergibt, die dann hoffentlich Bestand hat oder eine auf Vernunft und Absprachen gegründete Beziehung eingehen, mit Abstrichen des Wesentlichen: der wahrhaftigen Liebe, die im poetischen Satz mit den drei großen Worten mündet und aus ganzem Herzen kommt?
Denn dieses, im übertragenen Sinn, das Herz für die Liebe, hat Narben gebildet und Risse bekommen und was mich gleichfalls zweifeln läßt: alle Liebschaften sind auf Reiseetappen in der Fremde entstanden, nicht jedoch in der vertrauten Seßhaftigkeit, die neu für mich ist. Bin ich füher immer lieber unterwegs gewesen, in neue Gefilde aufgebrochen und habe meinen Bedarf nach Geborgenheit mißachtet, so ist es genau diese, die ich in einer festen Paarbeziehung nunmehr ersehne, blicke aber innerseelisch auf ein verdorrtes Feld, wo offenbar nichts mehr gedeiht. Und jetzt, im fortgeschrittenen Alter von 63 Jahren, nach einem Liebesleben der ausgelassenen Chancen, überlege ich, ob ich den hehren Anspruch der Shakespear`schen Romantik aufgeben und mich mit dem Spatz in der Hand begnügen, statt der Taube auf dem Dach nachtrauern soll?
Wer kennt solche Lebenslagen und kann mir etwas dazu sagen - ich bin neu- und wißbegrierig geblieben aber gerade ratlos.
01.10.2025 20:28 •
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