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Meine Ambivalenz macht mich fertig

Hydro
Liebe trixi-77,

die zu unterschiedlichen Zeiten auftauchenden unterschiedlichen Gefühle und Gedanken kann ich gut mitschneiden: diese Dichotomie eines einzigen Menschen, auf der einen Seite das Weichgezeichnete und auch so empfundene Liebevolle, Würdige, das Du wertschätzt, auf der anderen Seite die harten Konturen oder das tief Eingemeißelte, das Dich erschreckt oder ablehnend werden lässt.
Weil die Sicht auf die Dinge nicht so stetig ist wie die Gezeiten (die Stoiker waren schon ganz schön schön schlau^), Idealbild und Echtbild mithin öfter Veränderungen erfahren oder sogar neu gezeichnet werden, erscheint all das für die so wichtige Entscheidung Richtung Beziehungsende/-fortsetzung nicht zuträglich.
Ich, als erwachsener Mensch, weiß darum, dass ich selbst im Denken über meine Beziehung komplex und ambivalent bin: auch ich romantisiere, katastrophisiere, illusioniere, bewerte, nehme auf eine besondere, dem Menschen wohl ureigene Art wahr, auf eine Art, die meine Bedürfnisse nach Identität und Bindung befriedigt und eine eindeutig unzweideutige Sprache zum Inhalt hat.
Diese vermeintliche Eindeutigkeit, die sich im gesprochenen Wort, im Handeln, in Gesten und Verhalten äußert, beheimatet auch einen menschlichen Irrtum in der Einschätzung von Wirklichkeit, wenn ich die Beziehungswelt nur durch die eigene Brille meiner Erwartungen, Wünsche und Ängste betrachte und die so geschaffene Illusion mit dem verwechsle, was ist. Und das, was ist, nämlich mein inneres Kind, das geliebt werden will und mein liebevolles erwachsenes Ich, verwundet und leidend, beide bitten mich, dem Leben zu vertrauen, mir selbst würdevoll zu begegnen, sodass hieraus Verbundenheit mit dem anderen (welche Beziehungsqualität auch immer daraus künftig erwachsen möge), mit all seinen hart- und weichgezeichneten Konturen des Wesens entstehen kann.

Ja, Vertrauen, das ist, was ich Dir von Herzen wünsche.

22.01.2020 19:34 • #331


6rama9
Zitat von Hydro:
Weil die Sicht auf die Dinge nicht so stetig ist wie die Gezeiten (die Stoiker waren schon ganz schön schön schlau^), Idealbild und Echtbild mithin öfter Veränderungen erfahren oder sogar neu gezeichnet werden, erscheint all das für die so wichtige Entscheidung Richtung Beziehungsende/-fortsetzung nicht zuträglich.
[...]
Diese vermeintliche Eindeutigkeit, die sich im gesprochenen Wort, im Handeln, in Gesten und Verhalten äußert, beheimatet auch einen menschlichen Irrtum in der Einschätzung von Wirklichkeit, wenn ich die Beziehungswelt nur durch die eigene Brille meiner Erwartungen, Wünsche und Ängste betrachte und die so geschaffene Illusion mit dem verwechsle, was ist.

beeindruckend schwere Kost

22.01.2020 20:30 • x 4 #332


A


Meine Ambivalenz macht mich fertig

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trixi-77
Ja, ich muss sagen, nach einem Arbeitstag mit zwei noch kränkelnden Kindern nebenher und einem langen Mediationstermin fällt es mir schwer, Deinen Beitrag aufzunehmen , @hydro.

@unbel Leberwurst
Manchmal klappt sowas und es wird sogar zunehmend so praktiziert, weil - wie auch in unserem Fall - die Immobiliensituation in der Region so mies/ausufernd teuer ist.

Klappt aber wohl nur dann, wenn beide Partner die Trennung befürworten und emotional schon geschieden sind.
Was auf uns beide nicht zutrifft...

22.01.2020 22:36 • x 1 #333


Familiendaddy
Wow, was ein Thread.

Hab ihn jetzt komplett gelesen von Anfang bis Ende und @trixi-77 - wären die Zeitstempel nicht schon vor 6 Monaten geschrieben worden, ich wäre mir nicht sicher gewesen, ob du nicht meine Frau wärest. Überspitzt ausgedrückt.

Selbes Problem, wohnen noch in gemeinsamen Haus, sie hat nen neuen Typen, nimmt die Kids öfter mit hin usw. also eigentlich genau das gleiche Spiel wie bei dir.

Ich weiß gar nicht so Recht was ich hier jetzt schreiben soll, muss das einfach nur mal verarbeiten, die andere Seite und Denkweise gesehen zu haben.
Ich glaube, ich werd noch öfter hierrein zum Stöbern und Verstehen kommen...

13.03.2020 13:00 • x 2 #334


trixi-77
@Familiendaddy

Gerne. Wenn's Dir hilft.
Auch wenn jeder Fall garantiert anders gelagert ist, Du nicht = mein phlegmatischer und oft negativ denkender (runterziehender) EM bist und Deine Frau nicht = emotional und lebenshungrig wie ich sein muss, so möchte ich Dir trotzdem eins noch sagen:
Mein Mann konnte nicht viel richtig machen. War er weinerlich, hat mich das natürlich abgestoßen (trotz des schlechten Gewissens, bin ja kein Eisklotz). Aber anziehend war es wahrlich nicht. Hat er sauer/wütend reagiert, wurde laut, fühlte ich mich (zu Recht...?!) abgelehnt.
Am Schlimmsten war aber die Ignoranz und Gefühlskälte, wenn ich quasi nicht da war und er mich im gemeinsamen Haus ignoriert hat. Denn das zeigt, dass ich ihm egal bin.
In all den Handlungsweisen kam eins nie durch:
Dass er MICH meint. Dass er MICH liebt. Es fühlte sich an, als sei er verständlicher Weise sauer, dass er etwas verloren hat, seine Ehre angegriffen wurde, er betrogen wurde.....aber es ging nicht um MICH.
Selbst in der Paartherapie war er auf Aufforderung nicht in der Lage mir plausibel zu sagen, was er an mir liebt bzw warum er MICH liebt. Seine Aufzählung war völlig war völlig allgemein und austauschbar (also der Empfänger). So habe ich es empfunden, die Therapeutin allerdings genau so.

Wenn Du das schaffst, Deiner Frau DAS zu zeigen (FALLS Du es überhaupt empfindest und es Dir nicht auch bloß darum geht, den Verlust der Ehefrau rückgängig zu machen), DANN hast Du vielleicht eine Chance.
Und zwar (ganz wichtig) selbstbewusst und ohne Dich klein zu machen.

Ich warte eigentlich heute noch auf soetwas von meinem Mann...

(Ich habe ihm während dieser Zeit viele lange Briefe/Mails geschrieben, wie es in mir aussieht und hätte gerne auch nur einmal einen ebenso offenen Blick in sein Herz gewährt bekommen!
Nichts. )

Viel Glück!

13.03.2020 17:12 • x 1 #335




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