Lieber Alfred,
ich bin 50 Jahre alt und ich habe schon immer viel in Foren gelesen bzw einfach Sachen die mich gerade interessieren, aber noch nie habe ich geantwortet. Deine Geschichte, dein Schmerz und deine Art es zu schreiben haben mich so berührt, dass ich jetzt auch mal antworten muss. Teils um meinen eigenen Schmerz wieder ein Stückchen damit zu verarbeint und teil um dir das Gefühl zu geben: es gibt noch andere Menschen, die so etwas überleben müssen und die wissen wie schlimm das für mich ist und verstehen mich auch. Das hilft mir immer wenn ich Angst hab durchzudrehen und nicht aufhören kann zu weinen. Ich erzähl dir meine Geschichte aber auch, weil ich dir wünsche, dass du in meinen Bewältigungsstrategien vielleicht auch noch einen Tipp findest, bei dem du glaubst er könnte für dich hilfreich sein, es auszuprobieren. So wie einige Vorredner von mir, bin ich auch der festen Überzeugung, dass mehr als nur die letzte Beziehung und die traumatische Trennung für die seelische Entgleisung auslösend ist, die du auch gerade erlebst. Deshalb möchte ich auch ganz voren anfangen. Bis ich 26 Jahre alt war, hielt ich mich für eine gutaussehende, humorvolle, intelligente und beliebte Frau. Ich fand meine Eltern und zwei Schwestern okay und meinte meinen Traummann geangelt zu haben, mit dem ich mich so toll fühlte. Wir waren damals ca. 2 Jahre zusammen und vorher hatte ich kürzere Beziehungen, dich ich ohne Kummer, weil ich es wollte einfach beendet hatte. Aber mit 26 fing ich an mich zu fragen, warum ich eigentlich das Geld alleine verdiene, während er immer in die Kneipe geht. Ich redete mit ihm und er meinte anfangs immer, wenns dir nicht passt, kannst du gehen. Das tat ich dann mehrmals und ich begann auch ansonsten an der Beziehung zu zweifeln, doch ich habe es nicht geschafft mich entgültig zu trennen. Erst mit Hilfe einer ambulanten fas zweijährigen Therapie und gleichzeitigen Besuch einer Selbsthilfegruppe habe ich mich aus dieser Abhängigkeit lösen können. Ich war vorher überzeugt, es war Liebe aber heute weiß ich nicht mal mehr. ob ich schon jemals echte Liebe gefühlt habe. Während des Kampfes, abwechselnd um die Beziehung bzw. meine Unabhängigkeit wurde ich mit 28 Jahren schwanger. Neue Runde: er macht jetzt alles und es ging weiter auf und ab bis mein Sohn 4 Jahre alt war. Dann hatte ich es geschafft. Alleine Leben mit meinem Sohn hat mich total erfüllt. Ich hab eine Umschulung gemacht, mir ein älteres Haus gekauft, alles möglichst kostengünstig für uns schön gemacht. Eine tolle Arbeit gefunden, viel mit meinem Sohn unternommen und alles war perfekt. Schon mit 14 Jahren hat mein Sohn seine Freundin kennen gelernt und sie ist bei uns mit eingezogen. Dir Probleme fingen ca. 2 Jahre später an, als ich merkte, dass er Dro. nimmt. Über die Gründe könnte ich auch ein Buch schreiben, aber ich möchte bei mir bleiben. Mein Ziel war immer, er soll selbstständig und selbstbewusst werden, damit er niemals von jemandem abhängig ist. Mit viel Anstrengung hat er seine Ausbildung regulär in Februar 2016 abgeschlossen. Zu dieser Zeit war unser Verhältnis schon so belastet, dass ich das Gefühl hatte, er muss jetzt auf eigene Beine gestellt werden und ich muss mich entscheiden, wie ich weiter leben will. Ich beantragte dafür eine psychosomatische Reha, die ich dann im Dezember 2016 für 5 Wochen begann. Im Oktober 2016 hatte ich mich zum ersten Mal wieder in einen Mann verguckt, und war dreimal mit ihm essen und es passierte auch mehr. Ich weiß immer irgendwie gleich, wenn ich jemanden gut finde, was nicht oft passiert und da fackel ich nicht lange. Nach Anfang November 2016 beendete er es für mich nicht nachvollziehbar und ich viel in ein so tiefes seelisches Loch, dass es für die paar Wochen und das was war total unangemessen war. Ich hatte ja den Termin für die Reha und ich glaubte fest, dass ich da geholfen bekomme, die Trennung auch zu akzeptieren. Ich war am 21.12. angereist und in der ersten Woche ging es mir wirklich besser. Seltsam war zwar für mich, dass ich im Antrag geschrieben habe, meine Ziele: 1. Klärung wie mit Sohn weiter (wer von uns zieht aus, wenn ich wohin), 2. möchte ich mein Haus behalten, wenn ja welche Veränderungen sind jetzt notwendig (Streit mit Neffe, der nebenan wohnt) 3. möchte ich mich beruflich nochmal verändern, weil ich das Gefühl bekam es in diesem Tempo und der Verantwortung nicht bis zur Rente machen kann und mit meiner Arbeit dabei noch zufrieden sein. In Wirklichkeit hatte ich aber in der Reha keine wirklichen Gedanken an diese Themen, sondern nur die Trennung und wie ich damit klarkommen soll. Eine gemeinsame Freundin meinte ich soll doch Silverster heim kommen. Es gibt eine Veranstaltung, da kommt er auch und es wäre gut, wenn er sieht, dass ich ihm nicht nachweine. Ich hatte noch soviel Kraft und ich wollte auch, dass er glaubt ich würde ihm keine Träne nachweinen, obwohl es viele waren. Deshalb hab ich mich schön zurecht gemacht, so wie ich mich wohl gefühlt hab und wollte einen schöne Silvesterparty verbringen und an Neujahr zurück in die Klinik fahren. Da ist es allerdings passiert. Der Abend war gut und ich gut drauf, spreche einen am Ende einen Mann an, der mir schon immer mal aufgefallen war, den ich aber für zu jung hielt, ob er am Ende mit kommen will zu meiner Freundin in den Partyraum und weiter feiern. So begann die Beziehung mit ihm. Er für mich perfekt 12 Jahre jünger, mir erzählt er will endlich mal ankommen, Kinder habe er sich mal gewünscht - jetzt aber schon aufgegeben. Ich war von Beginn an zwischen Himmel (einfach genießen) und Hölle (hab ständig über die schönen Worte von ihm nachgedacht, hatte Angst er will mich nicht mehr, er darf das nicht merken, wie ich heimlich klammere) Schon während ich noch bei der Reha war drehten sich meine Gedanken dauernd um ihn und ich wollte perfekt für ihn sein. Ich wurde depressiver und ich sorgte dafür, dass er mich immer nur in guten Zeiten sah. Bei ihm gings mir auch immer wirklich gut. Nur zwischen den Treffen wurde es immer schlimmer. Er redete mal von Heiraten und mal von wir lassen es lieber ganz. Nach der Reha im Februar 2017 bin ich weiter in ambulante Therapie gegangen. Das Ziel war, entweder muss ich mit ihm so glücklich sein wie er ist. Er liebt mich so gut er kann, hat meine Therapeutin mal gesagt, nur er kann es leider überhaupt nicht. Andere Geschichte: er ist bindungsunfähig resultierend aus Kindheitserfahrungen. Ich hab ihm das Buch Jein von Stephanie Stahl geschenkt und mir auch. Insgesamt hat die Beziehung 13 Monate gedauert. Ich hab in den letzten Monaten versucht mich zu lösen, das hat er gemerkt und auch Angst bekommen, verlassen zu werden. Aber die richtige und bis jetzt noch andauernde Katastrophe begann für mich, als ich gesehen hab er hat eine neue Freundin mit kleinen Kindern. Ich konnte nicht mehr arbeiten, mein ganzer Körper hat sich so schwach angefühlt und ich dachte echt, ich sterbe, weil ich diesen Schmerz nicht aushalten kann und ich wäre auch am liebsten gestorben. Das einzige was mich einigermaßen aus dem Schmerz geholt hat, war wenn ich stundenlang über ihn und uns gegrübelt habe und gelesen habe und geschrieben habe, dass ich zu dem Schluss kam: er wird die Beziehung mit ihr auch nicht aufrecht erhalten können und er wird dann zu mir zurück kehren, so wie vorher öfters und sehen, dass ich die beste Frau in seinem Leben war und immer bin. Leider oder zu Glück ist das bisher nicht passiert und ich halte die Kontaktsperre seit dem Aufrecht, sogar zu der gemeinsamen Freundin, weil es einfach zu sehr weh tut und es mir so schlecht geht. Meine Psychologin hat im April dann gesagt, wir werden das ambulant nicht schaffen. Ich bin bindungstraumatisiert, das sind ganz frühe Kindheitserfahrungen gewesen. Ich habe mir die beiden Psychosomatischen Kliniken angeschaut, die sie mir empfohlen hat und ich bin dann im Juni in die stationäre Therapie gegangen. Du brauchst dafür nur eine Einweisung vom Hausarzt. Dann meldest du dich in der Klinik deines Vertrauens und bekommst einen Aufnahmetermin in den nächsten Wochen. Ich war dann 8 Wochen stationär und ich hab in der Gruppentherapie ein Rollenspiel gemacht, bei dem ein Gruppenmitglied stellvertretend für ihn stand und die Therapeuten meine Hand gehalten hat und mir die Abschiedssätze vorgesprochen hat, die ich wiederholt habe. Es war sehr ergreifend und gemeinsam mit den anderen intensiven Therapien hat es mich auf meinem Weg zu mir selbst ein großes Stück nach vorn gebracht. Im Anschluss an die stat. Therapie war ich weitere 8 Wochen in der gleichen Klinik in der Tagesklinik. Das war auch sehr gut. Zuhause viel ich nämlich nach drei Tagen in mein altes Muster zurück. Es sind jetzt also insgesamt 9 Monate seit dem endgültigem Aus, aber ich denke noch jeden Tag an ihn und manchmal ist mir alles egal und ich will ihn oder garnix und manchmal siegt der Verstand und ich sehe ein, dass die Beziehung Mängel hatte. Der größte war aus heutiger Sicht auch bei uns die Kommunikation. Er war sehr unsicher und widersprüchlich mir gegenüber und ich hab mir oft vorgenommen, ihm zu sagen was ich mir anders wünschen würde, es aber nicht geschafft, weil es nicht gepasst hat oder ich gespürt hab, er würde es eh nicht verstehen und ich ihn einfach nicht verlieren wollte. Heute glaube ich, es gab in uns Gründe und Bedürfnisse die uns zusammengeführt haben, aber die waren mehrheitlich nicht ganz gesund. Ich schwanke im Moment zwischen: weiter hart an mir arbeiten und in diesem Leben doch noch einmal eine gesunde Beziehung auf Augenhöhe erleben oder doch sagen: meine Persönlichkeit ist so geprägt und ich kann keine normale Liebesbeziehung führen, weil ich es einfach nie kennen gelernt habe und nicht weiß wie es funktionieren soll. Der Schlüssel wäre vielleicht die offene und ehrliche Kommunikation, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich mich dann auch so sehr angezogen fühle wie bei diesem geheimnisvollen und unsicheren Bindungen...? Alfred Müller jetzt bin ich auf deine Antwort gespannt, was nicht heißen soll, du musst antworten.
10.11.2018 12:16 •
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