@lonelymom
Du machst gerade eine äußerst harte Zeit durch, in der alles in Frage steht, was bisher dein Leben ausgemacht hat. Da ist es klug, dich hier an das Forum zu wenden. Und wir tun sicher alles, um dir dabei einige hilfreiche Gedanken an die Hand zu geben.
Zunächst mal der Hinweis, dass das, was du da erlebst, kein Einzelfall ist. Ich habe immer wieder in Begleitungen Ähnliches gelesen, wenn Männer in diesem Alter durch solche Herzprobleme aus ihrer Normalität gerissen wurden. Und tatsächlich erinnere ich mich gut daran, dass es auch in mir etwas Klick gemacht hat als ich mit gut 40 Jahren, damals schon 20 Jahre verheiratet, mit schweren Herzproblemen in eine Spezialklinik musste. Die Frage, ob das denn nun schon alles gewesen sein soll bis zur Löffelabgabe (die möglicherweise kurz bevor steht), kann einen schon ziemlich aus der Bahn werfen. Der Sand im Getriebe eurer Beziehung, der sich bis dahin schon angesammelt hatte, ließ sich nicht mehr ignorieren. Das hatte Auswirkungen.
Ebenso wichtig ist mir aber der Hinweis, dass du diese Herausforderung aus meiner Sicht erstaunlich gut annimmst. Ich finde, du machst das großartig. Du liegst nicht auf den Knien vor ihm, bedrängst ihn nicht. Du siehst DEINE Ängste und Sorgen genau als das an: als DEIN Problem. Und darum suchst du dir Hilfe, vor allem bei einer erfahrenen Therapeutin. Und die scheint ihre Sache gut zu machen, denn deine Beiträge gestern waren stark davon geprägt, was sie dir gestern vormittags mit auf den Weg gegeben hatte. Es tut dir gut, dich mit ihr auszutauschen. Heute geht es dir schon wieder schlechter und vielleicht kannst du im Zuge einer so genannten Krisenintervention sogar erreichen, dass sie dir zwei Termine in der Woche zur Verfügung stellt. Manche Therapeuten machen das, wenn sie eben können. Denn eine Woche kann lang sein, wenn Freunde fehlen, mit denen man solch intime Dinge austauschen kann. Und Verwandtschaft ist dazu in aller Regel nicht geeignet.
Hier im Forum geht es weniger um deinen Mann, auf den hat hier niemand Einfluss, hier geht es um DICH. Und das ist gut so, denn es besteht ja die Gefahr, dass du dir gerade selber verloren gehst, weil du dich gedanklich so viel mit ihm beschäftigst. Er lässt dich im Dunkeln, er schafft ungewohnte Distanzen, er tut Dinge, die nicht von ihm zu erwarten waren und er scheint vor allem sein Heil in anderen und neuen Kontakten zu suchen. Denn da kommt frischer Input, da gibt es kaum Altlasten, da kann er derjenige sein, der er jetzt nach der Erkrankung gern sein möchte. Das tut ihm gut.
Und nun dazu, was DIR gut tut. Einerseits natürlich auch Distanz. Die wolltest du zwar nicht, aber jetzt, wo du sie hast, könntest du sie nutzen für dich. Es gibt ja sogar schon die Einsicht, dass es dir vielleicht ohne ihn besser gehen könnte, da fehlt allerdings noch fast alles, was die Aussicht auf ein getrenntes Leben kalkulierbar machen würde. Also so bald wie möglich juristische Beratung, und zwar gründlich und unter Berücksichtigung eurer besonderen Verhältnisse. Danach stellt sich vieles vielleicht schon anders dar. Und vielleicht kannst du dann ihm gegenüber auch schon selbstbewusster auftreten. Dass er seinerseits in diese Richtung schon vieles unternommen hat, davon gehe ich aus.
Ein weiterer wichtiger Aspekt wäre herauszufinden, dass du ohne ihn nichts weniger wert bist als du es mit ihm zusammen warst. Dein eigener Wert, also dein Selbstwert, ist nicht von ihm abhängig und nicht von der Tatsache, dass ihr miteinander verheiratet seid. Dein Wert ist absolut, eigenständig und unantastbar. Du bist der wichtigste Mensch in deinem Leben, sogar wichtiger als deine Kinder, denn für die kannst du nur ausreichend da sein, wenn du dein eigenes Wohlbefinden auf Platz eins stellst.
Ein nächstes Ziel wäre es festzustellen, dass du nicht Opfer der Umstände bist, obwohl du das sicher ganz anders siehst. Du hast am Entstehen dieser Umstände mitgewirkt, ihr habt beide etwas getan, das für eure Beziehung nicht gut war. Und darum sollte niemand jetzt nach Schuld oder einem Schuldigen suchen, sondern es wird Gelegenheit sein, die Ursachen herauszufinden, warum ihr an diese Stelle gekommen seid. Du bist natürlich mit seinem unerwarteten und extrem distanzierten Verhalten konfrontiert worden, ohne das zu wollen oder ohne das unmittelbar so hergestellt zu haben. Aber die Erkenntnis, nicht nur Opfer zu sein, kann sehr dabei helfen, dich selber wieder in einem anderen Licht zu sehen und die augenblicklich so belastende Situation nahc und nahc als HERAUSFORDERUNG zu sehen und nicht nur als Schicksalsschlag, der alles beendet.
Beendet ist auf jeden Fall das, was nach außen wie Normalität wirken sollte. Innerhalb eurer Beziehung war aber schon lange vieles verändert, in Bewegung geraten und damit alles andere als normal. Es wäre auch nicht erstrebenswert gewesen, den von dir geschilderten Zustand eurer Beziehung als normal zu betrachten. Das war schon lange Ausnahmezustand, da musste sich sowieso etwas ändern. Und nun hat es sich geändert, weil er es so wollte. Für ihn.
Das, was sich für dich ändert, kannst du sicher in entscheidenden Teilen selber bestimmen, so sollte es zumindest sein. Raus aus der Opferrolle, hin zur Definition von Problemen und zu Lösungsansätzen. Dabei wirst du immer mehr auf Augenhöhe gelangen, glaube mir. Du wirst stärker werden, selbstbewusster. Und du wirst für deine Kinder wie eine Löwin kämpfen, das ist gut so.
Bei all dem könnte es hilfreich sein, ein wenig von dem zu verstehen, was deinen Mann zu diesem Schritt bewegt haben könnte. Und mit VERSTEHEN meine ich nicht VERSTÄNDNIS HABEN. Das sind zweierlei Dinge. Ihn zu verstehen macht einiges leichter, auch wenn ein anderer Mensch dahinter steht, den er dir noch verschweigt. Wir werden sehen, du wirst sehen.
Zunächst aber der Rat, dich nicht in ein bodenlos tiefes Loch gezogen zu fühlen. Du stürzt nicht in einen Abgrund, sondern du wurdest durch sein unkalkulierbares Verhalten tief herunter gezogen. In dem Tal, in dem du dich nun befindest, gibt es aber einen Talboden, einen festen Grund. Und wenn man da steht, geht es nicht mehr tiefer, sondern es geht in kleinen Schritten wieder bergauf. Und je höher man kommt, desto mehr sieht man wieder über den Horizont, desto größer wird die Übersicht, auch wenn es bergauf immer schweißtreibend und anstrengend ist. Sobald es bergauf geht, hört man auf, sich heruntergezogen zu fühlen. Man spürt wieder Kraft, entwickelt Initiativen und sucht nach einzelnen Lösungen für einzelne Probleme.
Mach dich auf den Weg. Viel Erfolg dabei.
25.01.2022 14:18 •
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