Da macht Frau mal ne Runde Forenpause ...
Hallo Shedia!
Na wie viele Threads hast Du denn in den letzten 6 Wochen eröffnet? Gehts noch immer um die Affäre? Irgendwie erinnert das ein wenig an Al Bundy, einmal im Leben einen touchdown gelandet und weil dann nichts mehr passiert, bleibt das der Höhepunkt.
Hier also der erste Hinweis: So lange die Affäre das einzige wirkliche große Abendteuer Deines Lebens bleibt, so lange wirst Du das kaum loslassen können, denn der Schmerz über das passierte ist aushaltbarer als der Schmerz über die eigene vollendete Bedeutungslosigkeit.
Und damit sind wir bei Thema:
Die Eltern, die Dich nicht zum Kieferorthopäden gebracht haben (für Deine Generation nun ja auch nicht besonders unüblich), der Vater, der die Schwester mehr liebte (golden Child vs scapegoat syndrome), die Nachbarn, die Deine Kinderbetreuungsqualitäten ausnutzen, aber nach der Affäre angeblich getuschelt haben, die Schulfreundin, die sich während der Affäre zurückzog (nicht unüblich) und jetzt eigentlich nur Scheinfreundin ist und schließlich und endlich der AM.
Der AM, dessen Frau kurz vor euch verstarb, mit tollen menschlichen Qualitäten, die aber darin münden, daß er zu langsam seine Arbeit macht und Du, von ihm manipuliert, hinter ihm herkehrst.
Liebe Shedia, ich sage Dir das jetzt mit ganz tiefem Respekt und auf eine sehr liebevolle Art und Weise: Der Kampf, den Du in Dir austrägst, den kannst Du aller Wahrscheinlichkeit nach nicht gewinnen. Auf mich machst Du und all das, was Du hier schreibst, den Eindruck, als brauchst Du endlich (!) eine gescheite Diagnose, um dann die Tools und womöglich eben auch benötigten Medikamente zu bekommen, damit du in die Lage versetzt wirst, Dein Inneres zu managen.
Das Problem in solchen Situationen ist, daß man ohne Kenntnis davon, wie sich ein normaler Gefühlshaushalt anfühlt, einfach nicht abgleichen kann, wie sehr man selbst in Schleifen gefangen ist, welchen Kraftaufwand es bedeutet auch nur im Ansatz nach Außen, so zu tun als ob und wie anders es sein kann, wenn man die richtige Hilfe zur Regulation bekommt.
Für Deine zukünftige Therapie würde ich Dir wirklich sehr ans Herz legen, daß Du folgendes ansprichst:
Deine Gefühlsamplitude ist massiv und gleichzeitig ausgesprochen unbeständig.
Ausgehend von dem was Du schreibst, hast Du wenig Möglichkeit Gefühle, negativ wie positiv, in Schattierungen wahrzunehmen. Wenn Deine Gefühlswelt Farben wären, dann befinden wir uns so gut wie immer im Primarfarbenbereich, also rot, blau und gelb. Dinge sind selten altrosa, orange oder pastellblau. Du bist hier nie ein bisschen traurig oder ein bißchen frustriert oder ein bißchen ungehalten, sondern so bald sich diese Gefühle einstellen, werden sie hochgedreht aus rosa wird tiefes rot.
Dieses Rot hält aber dann auch nicht sehr lange an, sondern wird recht schnell wieder mit etwas anderem verdeckt, vielleicht überdeckt.
Was ich sagen will, ein Mensch mit einem (wieder) gesunden Gefühlshaushalt ist selten absolut wütend, sondern eher verärgert, aber immer mit Bezug auch auf alle anderen Gefühle. Also auch im Moment der großen Verärgerung, existiert Gutes, Lahmes, Schönes und Trauriges. Du wiederum passt Deine Geschichte immer dem jeweiligen Gefühl an.
Spürst Du Ärger, wird dieser schnell zur Wut und diese Wut bestimmt dann die Erzählung Deiner Lebensgeschichte. Das ist nicht gesund, das machen hier ganz viele eben überhaupt nicht.
Mangel an Kernidentität
Das könnte mit dem eben Geschildertem zusammenhängen, also dadurch daß Deine Geschichte sich permanent durch das Gefühl von Grundauffassung ändert, ist es schwer, eine eigene Identität zu spüren. Es könnte aber eben auch auf eine andere Form von Neurodiversität hindeuten.
Was aber immer wieder Grundthema für Dich ist, Du hast nicht ein bißchen Kernidentität bzw jedenfalls spürst du nichts davon. So lange das der Fall ist, kannst Du auch Deine positiven wie negative empfundenen Anteile nicht integrieren, weil es ja nichts gibt, wohinein Du sie integrieren könntest.
Daher Du hast dich durch die Affäre nicht fast selbst verloren, sondern nur die äußeren Anzeichen, die Du in der Wahrnehmung als Marker Deiner Identität siehst, zB Ehe, Familie, Haus etc.
Letztlich hast Du Dich nie gefunden.
Hier im Forum findest Du eine große Anzahl an Mitstreitern, die aufgrund eines Schicksalsschlags (meist Trennung oder Sabotage der Beziehung) verpasste Reifeprozesse nachholen müssen, um sich selbst neu aufzustellen. Den meisten gelingt das abhängig von der Größe des Ereignisses (betrogen nach 20 Jahren Ehe ist schon etwas anderes als das Ende einer toxischen dreimonatigen Kennenlernphase) recht angemessen schnell. Das liegt daran, daß diese zwar durch das Ereignis erschüttert sind, aber eben im Grunde auf einen Kern ihrer Persönlichkeit zurückgreifen können. Die fehlenden Reifeerfahrungen werden nachgeholt und langsam erholen die sich dann vom Schicksalsschlag.
Dir fehlt das. Du bist nicht schlechter in der Verarbeitung oder dümmer, Du hast einfach nicht das richtige Werkzeug.
Agressionsproblematik und Umgang mit Kränkungen
Deine Aufopferungsbereitschaft für den Vater, Ehemann, Sohn, die Patienten, den AM ist narzisstisch motiviert. Das meine ich nicht bösartig sondern faktisch. Für mich stellt sich das so dar, daß Du Deine Kindheit immer wieder re-inszenierst, also Du gibst alles, um gesehen zu werden und eben Liebe zurückzuerhalten, weil das aber so nicht funktioniert (Du hast da leider ein völlig falsches Bild von Liebe und von zwischenmenschlichen Dynamiken), landest Du immer wieder in der Frustration und dann in der Wut. Schon kleinere Zurückweisungen, die im Alltag durchaus als normal gelten, können unfassbare Wut auslösen.
Meiner Auffassung nach ist das Problem, daß die berechtigte Wut nicht adressiert wird und schon gar nicht auf ihren tatsächlichen Ursprung zurück geführt wird. Damit wird diese nicht nur nicht gelöst, sondern unkontrollierbar.
Tunnelblick und Schleifenverhalten
Dieses ewige, warum lerne ich das nicht, warum bin ich schon wieder an dem gleichen Punkt, aber ich müsste es doch endlich verstanden haben (...) Oder wie hier im Forum ja durchaus gut dokumentiert, das Gleiche tun, ein anderes Ergebnis erwarten, ist das Fehlen von Entwicklung. Das deutet darauf hin, daß Du aus Dir selbst heraus nicht in der Lage bist allein, aus dieser Situation zu kommen, aber bisher eben auch nicht die richtige Diagnose gestellt wurde.
Liebe Shedia,
All das sind Symptome, wohin für Dich die Reise geht, kann Dir nur ein ausgewiesener Fachmann sagen. Was ich Dir aber sagen kann, ist, Du bist kein schlechter Mensch, Du bist nicht weniger wert und Du versuchst, unbewaffnet einen Krieg zu gewinnen.
Die Schwierigkeit, die ich sehe, ist, jemanden zu finden, der Dich wirklich ordentlich diagnostiziert, denn, die Symptomatik weist auf ein deutlich anderes und größeres Thema als Depressionen hin. Ohne Diagnose keine ausreichende Therapie.
Der erste Gedanke, von dem Du Dich allerdings verabschieden musst, ist Heilung. Ohne Tätig werden, wird das nur schlimmer mit dem Alter, mit Tätig werden erreichst Du hoffentlich ein balanciertes Management des Gefühlshaushalts und vor allem wirst Du eine deutlich verbesserte Lebensqualität erreichen. Es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, daß es dafür auch Medikamente, neben einigen Anpassungen am Lebensstil, brauchen wird.
Schau, Deine Geschichte könnte natürlich nur eine unzählige Variante von alt gewordene, gelangweilte Ehefrau, die es noch mal wissen will, sein. Und ein Stück weit ist das sicher auch der Fall.
Ich für meinen Teil bin bekanntermaßen eine große Gegnerin der hier im Forum stattfindenden Überpsychologisierung schlechter Kinderstube oder sonstigem Vollkofferverhalten, aber hier an dieser Stelle sage (schreibe) ich Dir auf den Kopf zu, Du brauchst eine Diagnose und die wird vermutlich nicht leicht zu bekommen sein.
Ich habe Mitgefühl mit Dir, ich schlage aber gleichzeitig auch beide Hände über meinem Kopf zusammen, wenn ich lese, mit welcher narzisstischen Opferhaltung Du Dir selbst und Deiner Umwelt begegnest.
Glaub es oder nicht, aber Du könntest morgen früh aufwachen und wie ein Topmodell ausschauen oder unendlich viel Geld haben und Du würdest trotzdem immer wieder am gleichen Punkt landen. Weder geradere Zähne noch ein Überfluss an männlicher Aufmerksamkeit würden irgendetwas an der Isolation ändern, die Du spürst.
Shedia, ich glaube, es ist an der Zeit, den nächsten Schritt zu gehen. Dir selbst in aller Deutlichkeit einzugestehen, daß Du so nicht weiterkommst. Wir alle streben danach besonders zu sein und dennoch fürchten wir genauso nicht normal zu sein. Ein ziemlicher Widerspruch, findest Du nicht auch? Ich würde Dir sehr wünschen, daß Du jemanden findest, welcher Dir hilft, Deine Besonderheit in Worte zu fassen und besser einordnen zu können, so daß Du für Dich selbst ein großes Stück Normalität gewinnst.
Voraussetzung dafür ist aber zunächst Einsicht! Es sind nicht die Nachbarn, es ist nicht die alte Schulfreundin, es ist nicht der neue Kollege und es war und ist nicht der AM und all das sind keine einzelnen Fälle sondern diese Situationen beruhen auf der gleichen Problematik. Es sind die fehlende Diagnose und damit verbunden die fehlenden Werkzeuge.
Schwierig ist, daß Deine Einsicht, so jedenfalls in den letzten Jahren, sehr instabil ist. Das ist leider nicht untypisch weil es eine ganze Reihe von Erkrankungen gibt, zu deren Symptomatik das eben dazu gehört. Ich kann Dir als Außenstehende, denn ich habe all diese Gefühle so nicht und muß diese dementsprechend auch nicht tagein tagaus aushalten, nur ans Herz legen, dich auf den Weg zu machen. Mach Dich auf die Suche nach einer vernünftigen Diagnose und dann schau, welche Therapieansätze es für Dich geben kann.
Du bist kein schlechter Mensch, aber Du bist ein erwachsener Mensch, welcher insgeheim noch immer darauf hofft, daß jemand daher kommt und Dich heilt.
Alles Gute!
20.05.2023 11:32 •
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