Seit einiger Zeit lese ich hier jeden Tag die Erfahrungen, den Schmerz, die Hilflosigkeit und die Verzweiflung anderer "Verlassener".
Heute habe ich den Mut gefasst, meine Situation zu "veröffentlichen".
Mein Mann (15 J. kennen wir uns übers Studium, 10 J. davon sind wir zusammen und nächste Woche 9 J. verheiratet) hat mich und unsere gemeinsame Tochter vor 5 Wochen zum zweiten Mal verlassen. Seitdem geht es mir sehr schlecht: ich hab keine Lebenslust mehr, hab an nichts Spaß, hab das Gefühl zu ersticken und bin traurig, unendlich traurig.
Doch von Anfang an:
Er ist die Liebe meines Lebens, wir haben so viele schwierige Situationen gemeistert und uns mindestens 9 Jahre tief und innig geliebt. 9 Jahre lang, haben wir jeden Tag davon geträumt mit 85 Jahren gemeinsam auf der Parkbank zu sitzen und auf unser gemeinsam verbrachtes Leben voller Liebe, Stolz und Zufriedenheit zurückzublicken.
Wir haben uns im Studium kennengelernt. Er war gerade fertig mit seiner Promotion,ich hatte meine Doktorarbeit gerade angefangen. Dann bekam er seinen ersten Job in Berlin (1994). Er machte mir nach 3 Monaten einen Heiratsantrag und 5 Monate später war ich schwanger. Ich musste meine Laborarbeit an der Uni zum Schutz des Kindes aufgeben und zog nach Berlin. Er fing an Karriere zu machen, ich hielt ihm den Rücken frei, war Hausfrau und Mutter. Zwei Jahre später wurde unsere Tochter schwerkrank (Sepsis) und die Ärzte machten uns nur wenig Hoffnung. Nach Wochen im Krankenhaus gewann Sie den Kampf, dem lieben Gott sei Dank.
Mein Mann wechselte den Job, wir kauften uns eine Eigentumswohnung und mussten kurze Zeit später wieder umziehen. Innerhalb von 1 Jahr bekam mein Mann einmal die Diagnose Gehirntumor, kurze Zeit später Darmkrebs. Gott sei Dank bestätigten sich diese Diagnosen beide nicht.
Seit 4 Jahren wohnen wir in einer Stadt in Ostwestfalen. Mein Mann ist Geschäftsführer einer großen Firma, wir haben ein schönes Haus und er verdient sehr viel Geld. Wir haben eine tolle Nachbarschaft, einen netten Freundeskreis und sind alle drei sportlich engagiert.
Vor einem halben Jahr kam dann der Schock:
Er kam abends nach Hause und sagte zu mir: "Schatz, wir müssen reden. Alle Ziele, die wir uns vor 10 Jahren gesetzt haben, haben wir erreicht. Das macht mir Angst. Was machen wir die nächsten 40 Jahre?"
Er hat Angst davor alt zu werden, hat beruflich alles erreicht, was möglich ist und ihm fehlt die Perspektive fürs älter werden.
Deshalb müsse er jetzt seine "Freiheit" haben, für sich alleine sein um zu merken, was ihm wichtig sei. Ich versuchte mit ihm zu reden, ihn zu beruhigen, ihm meinen Sinn und meine Ziele vom Leben zu zeigen, doch ohne Erfolg.
Es vergingen 3 Monate, die zwar einerseits sehr harmonisch und liebevoll waren. Andererseits fühlte ich, daß er unglücklich mit sich, mit seiner Situation und seinem Leben war. Er wurde zunehmend depressiv. Wir einigten uns beide darauf, das es wohl besser wäre, wenn er sich für einige Zeit eine Auszeit nehmen würde. Die Situation war günstig, meine Freundin wohnte vorrübergehend im Ausland - ihre Wohnung bei uns in der Stadt stand voll eingerichtet leer.
Kurze Zeit später packte er seine Koffer und zog aus. Vonda an verging kein Tag, an dem er nicht anrief, keinen Brief, keine e-mail schrieb und dauernd sagte er mir wie sehr er mich liebt und seine Familie braucht. Drei Wochen später stand er vor der Tür und sagte, er wolle nach Hause zurück.
Ich war überglücklich, nahm ihn in die Arme und dachte, jetzt wird alles wieder gut. Doch es kam anders.
Sechs Wochen später eröffnete er mir, daß er sich eine 3-Zimmer Wohnung um die Ecke gemietet hätte. Er kaufte sich eine Küche, mir ein neues Auto, damit ich schöner und unabhängiger reisen kann und zog vor 5 Wochen aus.
Ich war und bin noch immer wie gelähmt. Wir teilten alles in Ruhe auf, sortierten Hab und Gut und packten zusammen, friedlich und liebevoll die Kisten. Unsere Freunde und Verwandten sagen nur noch, bei euch ist das wie im Film. Keiner kann's verstehen.
Nach 3 Wochen das erste Lebenszeichen. Jetzt ruft er wieder öfter an, sucht meine Nähe und will ganz oft unser Kind bei sich haben. Ich dachte erst an eine ander Frau, aber das ist nicht der Grund. Die hat er nicht und die sucht er nicht. Doch was sucht er dann?
Jetzt habe ich 4 Tage hinter mir, an denen ich ihn jeden Tag für längere Zeit gesehen habe. Wir gehen zärtlich, fürsorglich und liebevoll miteinander um, doch er geht jedesmal wieder und das öfters mit Tränen in den Augen.
Un ich glaube mir geht die Kraft aus. Ich weiß nciht weiter und nicht wie ich mich in Zukunft verhalten soll.
Unser Hausarzt sagt, das ist die midlife-crisis.
Wer kennt sich damit aus und hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Gibt es eine Chance für einen Neubeginn.
Ich wäre Euch für Euren Rat sehr dankbar.
Ich liebe ihn und möchte weiter mit ihm alt werden, doch für welchen Preis?
Absender: desertedwife