@ dominik
Hallo, Dominik,
weißt Du, ich glaube, Du mußt versuchen, diese Geschichte einmal ganz anders zu betrachten. Ich weiß, das ist nicht so einfach, wenn man verletzt, verzweifelt, traurig, wütend ist, aber versuche es einfach einmal.
Du nennst Deine Freundin z. B. eine Betrügerin, vielleicht hat sie Dir tatsächlich bewußt etwas vorgemacht (was ich aber nicht einmal glaube, das Unbewußte spielt bei allem die Hauptrolle), vielleicht war es aber auch so, daß sie selber tatsächlich meinte, Dich zu lieben, vielleicht hat sie Dich auch geliebt - und dann ist ihr eben ihre Freiheit und Unabhängig (wieder) wichtiger geworden. Man kann diese Dinge nicht steuern, daher kann man, realistisch gesehen, auch niemandem irgendeine böse Absicht unterstellen (außer es ginge eben um bewußte Entscheidungen, also daß sich jemand etwa genau überlegt, einen anderen hinters Licht zu führen).
Für Dich selber macht das aber auch keinen wirklich großen Unterschied. Sondern Du hast die Erfahrung gemacht, daß Dich Deine Freundin verlassen hat (warum letztlich auch immer), Du hast die Erfahrung gemacht, daß das sehr weh tut, und Du wirst in der Folge die Erfahrung machen, daß man auch diesen Schmerz überlebt. Und das ist eine sehr wichtige Erfahrung! Denn macht man diese nicht, dann klammert man oft viel zu sehr, hält an einer Beziehung fest, die längst keine mehr ist, läßt sich alles gefallen, läßt sich nach Belieben manipulieren. Doch wenn man weiß - nicht etwa weil man es von anderen erfahren hat oder weil man es irgendwo gelesen hat, sondern weil man es selber erfahren hat -, daß einen eine Trennung nicht umbringt, dann reift man daran und wird erst oft dadurch überhaupt reif für eine stabile und glückliche Beziehung.
Es ist ein grundlegender Fehler, nach einer Schuld zu suchen (sei es beim anderen, sei es bei sich selber). Es wäre so, als würde man sich fragen: wer ist schuld, daß das Salz sauer ist? Das Salz selber? Oder die entsprechenden Rezeptoren auf der Zunge? Oder irgendeine neuronale Konstruktion im Gehirn, die uns aufgrund der Reize die Wahrnehmung sauer vermittelt? Oder irgendein Schöpfergott, oder das Schicksal? Nein, niemand ist schuld, es ist, wie es ist. (Und wenn ich schon das Salz als Beispiel genommen habe - was wäre das Essen ohne Salz?)
Es bringt nichts, sich solche Dinge zu fragen. Konnte Deine Freundin anders handeln? Nein! Konntest Du anders handeln (letztlich hast ja auch Du Dich auf die Beziehung eingelassen)? Nein, auch Du konntest nicht anders handeln.
Viel sinnvoller ist, sich zu fragen: was lerne ich daraus? Auf jeden Fall einmal: es bringt mich nicht um, ich überlebe es und bin um einige Erfahrungen reicher als zuvor (und Erfahrungen, selbst erlebte, sind es, die unsere Persönlichkeit und unser Leben formen und nicht etwa das, was andere uns beibringen). Vielleicht lernst Du auch, etwas vorsichtiger zu sein, Dich nicht gleich mit all Deinen Gefühlen in eine Beziehung zu stürzen (ich weiß ja nicht, wie Eure Beziehung begonnen hat). Vielleicht lernst Du, Dich abzugrenzen. Vielleicht lernst Du, daß man die rosarote Brille leider nicht sehr lange tragen kann. Vielleicht lernst Du auch, Dich mit anderen auszutauschen (wie Du es ja hier machst). Vielleicht lernst Du, manches anders zu sehen, anders zu verstehen, indem Du Dich mit den Erfahrungen jener Menschen, die hier berichten, auseinandersetzt. Vielleicht sitzt Du eines Tages vor dem PC und gibst anderen Tipps. Alle diese Möglichkeiten hättest Du nicht, wärst Du noch mit Deiner Freundin zusammen ... Ich weiß, Du wirst Dir nun sagen, daß wäre mir aber 1000x lieber. Ja, natürlich. Aber das, was einem 1000x lieber wäre, ist eben nicht. Daher muß man immer in der Realität bleiben, in die man durch dieses Erlebnis geführt wurde, und sehen, was man daraus für sich und seine Zukunft gewinnen kann. Die Vergangenheit kannst Du ohnehin nicht mehr umgestalten, aber die Zukunft gestalten, das kannst Du sehr wohl, und dabei werden Dir auch diese schmerzlichen Erfahrungen hilfreich sein.
Weil Du schreibst, Du stellst immer wieder etwas auf die Beine und dann kommt jemand und wirft alles über den Haufen. Es wäre wirklich interessant, wenn Du uns dafür einmal ein ganz konkretes Beispiel geben könntest (also was hast Du auf die Beine gestellt, wer hat es über den Haufen geworfen, warum konnte der Betreffende es über den Haufen werfen, warum stand das in seiner Macht?).
Ich kann Dir auch hier wieder nur sagen (speziell wenn Dir das schon öfter passiert ist): Du darfst nicht im Außen nach Schuldigen suchen, das ist lediglich eine Projektion, sondern Du mußt in Dir selber nach Ursachen suchen, anders kommst Du nicht weiter.
Ich kann jetzt ja nur raten: Bist Du vielleicht schon immer im vorhinein überzeugt davon, daß Du wieder scheitern wirst? Hast Du bereits die Erwartungshaltung, daß jemand daherkommt und alles zum Scheitern bringen wird? Wenn dem so ist, dann muß das auch zwangsläufig so eintreten, denn das, von dem Du in Deinem Innersten überzeugt bist, tritt auch ein, es bestätigt und verstärkt Deine Überzeugung. Es ist wie eine Programmierung oder vielmehr Konditionierung. Diese könnte bei Dir eben sein: Sobald ich etwas auf die Beine stelle, kommt jemand und wirft es über den Haufen. Oder: Sobald ich glücklich bin, passiert etwas, und ich bin wieder unglücklich. Es ist genau dasselbe - entschuldige bitte diesen Vergleich, aber er verdeutlicht das sehr treffend - wie die Konditionierung bei Tieren. Etwa diese (armen!) Tanzbären - sie hören irgendeine Musik und taumeln irgendwie im Kreis herum (dem Menschen erscheint dies in der endlosen Weite seiner Dummheit eben als tanzen). Er tut das aber nicht, weil es ihm etwa Spaß macht, weil er tanzen will, weil ihm die Musik so gut gefällt, daß sie ihn zum Tanzen animiert - sondern er tut es, weil er darauf konditioniert (programmiert) ist, aus keinem anderen Grund, es ist ein Zwangsverhalten. Hätte der Bär nun allerdings ein Bewußtsein wie wir, könnte er darüber nachdenken, weshalb er das überhaupt macht, würde er durchschauen, daß er nicht tanzt, weil es ihm Spaß macht, sondern weil er gar nicht anders kann - dann würde er dem Dompteur den Leierkasten wegnehmen, diesen ihm ordentlich über den Schädel hauen und sich in die Wälder verdrücken, also dorthin, wo er eigentlich glücklich ist. Der Bär ist dazu (leider) nicht in der Lage. Wir Menschen hingegen grundsätzlich schon - falls wir eben die Dinge wirklich hinterfragen und durchschauen und nicht einfach meinen, wir drehen uns sinnlos im Kreis und der Leierkastenspieler ist daran schuld. Nein, er ist nicht schuld, sondern die Konditionierung in uns selber ist die Ursache.
Natürlich aber kann es auch sein, daß Du Dir schlicht und einfach die falschen Ziele setzt. Niemand weiß letztlich immer, was das Leben mit ihm (noch) vor hat. Aber wenn etwas immer wieder schiefgeht, dann kann man davon ausgehen, daß man entweder auf dem falschen Weg ist oder die falschen Mittel einsetzt, um ein Ziel zu erreichen.
Darf ich Dich fragen: was machst Du beruflich bzw. was hast Du diesbezüglich vor? Ich frage das nicht aus Indiskretion oder Neugier, sondern deshalb, weil ich mir sehr gut vorstellen könnte, daß für Dich eine helfende, therapeutische Aufgabe sehr gut geeignet wäre. Gerade Menschen, die ein großes Herz haben, die sensibel sind und die vielleicht selber schon einiges durchgemacht haben, sind berufen dazu, anderen zu helfen, auf welche Weise auch immer.
Vielleicht - ist jetzt nur so ein Gedanke - kannst Du Dich auch ehrenamtlich irgendwo entsprechend engagieren. In Krankenhäusern oder Altenheimen etwa oder auch im Bereich von Tier- oder Umweltschutz oder auch ganz einfach in Deinem privaten Umfeld, indem Du anderen, die Probleme haben, die irgendwie leiden, zuhörst, ein offenes Ohr hast für sie. Ich bin mir sicher, daß Dir selber das sehr viel helfen würde, daß es Dir Selbstbestätigung bringt, daß es Dich selber aufbaut, wenn Du andere aufbaust. Mach Dich nicht selber klein, zweifle nicht an Dir, sondern traue Dir zu, anderen helfen zu können und probiere es aus! Jeder hat etwas zu geben, und es wäre falsch, es aus Unsicherheit oder Angst bei sich zu behalten, weil man meint, niemand würde das, was man zu geben hat, wollen oder brauchen. Das stimmt nicht, nur muß man sich natürlich auch an die richtigen Empfänger wenden. Mach es, und Du wirst sehen, das es so ist!
Liebe Grüße
28.03.2014 02:25 •
x 1 #1555