Geleitwort
Die Autoren dieses Werkes sind auf ein Gebiet des Seelenlebens vorge-
stoßen, dessen Atmosphäre schwer zu ertragen ist. Sie haben den Mut
gehabt, ihre Forschungen trotzdem fortzuführen. Sie haben mit scharfem Blick
betrachtet, was sie sahen. Sie haben mit feinem Gehör vernommen, was sie
hörten.
Was sie aus dem wirklichen Leben griffen, wußten sie zu beschreiben,
unnachsichtig, ohne Auslassungen, mit der Strenge und Genauigkeit, die dem
klinischen Geist entspricht. Sie haben es unverbrämt zu begreifen und zu
analysieren verstanden, mit der Genauigkeit und Tiefe, die dem wissenschaft-
lichen Geist zukommt. So lassen sie uns in eine Welt eintreten, die uns ebenso
nahe ist wie befremdlich, eine Welt, mit der wir häufig in Berührung kommen,
ohne sie zu sehen: die der perversen Beziehungen. Es handelt sich um ein
Gebiet von größter Bedeutung. Eine Ahnung davon besteht schon sehr lange
(zumal bei Dichtern und Schriftstellern, die hier wie so oft die Rolle von
Vorläufern spielten); genauere Kenntnisse darüber sind freilich noch recht neu.
Die Verfasser dieses Buches beschäftigen sich seit längerem mit diesem Thema,
denn die Zusammenarbeit von Maurice Hurni und Giovanna Stoll reicht weit
zurück. Wohl hatten sie einige Vorgänger beim Studium der Perversion, eini-
ge Wegbereiter, die sie mit größter Redlichkeit zitieren; doch nichts ist bisher
auf diesem Gebiet geschrieben worden, das auf so ausführlicher Beobachtung
und so gründlicher Forschung beruht.
Wenn die Perversion in der Paarbeziehung noch so wenig bekannt ist und
so wenig Beachtung findet, so liegt das nicht nur daran, daß sie erst neuerdings
untersucht worden wäre oder daß die »begrifflichen Instrumente«, die zu ihrer
Erkenntnis erforderlich sind, noch nicht vorlägen – und ich meinerseits freue
mich, daß ich mit meinen eigenen Arbeiten den Autoren bei ihren Untersu-
chungen behilflich sein konnte. Es gibt vielmehr auch Gründe dafür, die stär-
ker sind und tiefer reichen: denn die Perversion ruft Entsetzen und sogar
Abscheu hervor. Entsetzen, weil die moralische und narzißtische Perversion
nicht nur darauf zielt, den anderen zu beherrschen, um sich zu seinem Nach-
teil größer zu machen, sondern darüber hinaus zu einer immer weiter gehen-
den und radikalen Zerstörung des anderen führt, um auf seine Kosten zu
existieren. Denn was bei dieser Perversion auf dem Spiel steht, ist in der Tat die
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Existenz. Ich würde sogar sagen: die Überexistenz. Denn wenn die Subjekte –
die Partner – sich aneinander binden, um jeweils über den anderen auf dessen
Kosten zu existieren, dann deshalb, weil sie niemals die (als solche niemals
anerkannte) leidvolle Erfahrung verwinden konnten, früher einmal schrecklich
unterexistiert zu haben.
Es sind nämlich Paare, die von unseren Autoren untersucht werden; hinter
verschlossenen Türen, in einer ebenso erregten wie gedämpften Atmosphäre
haben sie jene Duette oder vielmehr höllischen Duelle beobachtet, deren
einzelne Abfolgen sie uns beschreiben, die unsichtbaren Stöße und die unter-
gründigen Motive. Ein dürres und unzugängliches Gebiet, wo nur agiert wird,
das arm ist an Affekten und Gefühlen, aber reich an komplexen und zugleich
präzisen Manipulationen.
Das Verdienst der Autoren liegt darin, die ungläubig-mißbilligenden Reak-
tionen hinter sich gelassen zu haben, die dieses Thema häufig hervorruft und
die so sehr dazu beigetragen haben, solche Vorgänge vor der Öffentlichkeit und
selbst vor den Klinikern zu verbergen. Nichts ist einfacher, als vor dem Trei-
ben der Perversen die Augen zu verschließen: »Das ist nicht wahr, das kann
nicht sein!« Wenn jedoch diese Verleugnung mißlingt, ändert sich die Art der
Abwehr und schwenkt um auf Moral oder vielmehr – was etwas ganz anderes
ist – auf Moralismus, den Todfeind jeder Moral. Es entsteht ein seltsames und
trügerisches Phänomen: Entweder empört man sich lauthals, die beschriebe-
nen Subjekte seien zu abstoßend, als daß sie unser Interesse verdienten; oder
man gibt zu verstehen, die moralische Integrität der Autoren selbst müsse wohl
zweifelhaft sein, wenn sie sich für die Perversion interessierten (erinnern wir
uns, welche Verdächtigungen seinerzeit gegen Freud selbst gerichtet wurden;
doch offenbar sind solche Unterstellungen immer noch möglich); oder aber
man findet die Autoren allzu moralistisch.
Dennoch darf die klinische Beobachtung dem Moralismus keinerlei Tribut
zollen. Freilich soll das nicht heißen, für uns gäbe es keinerlei Moral. Wir besit-
zen und hüten eine Moral, die für die Achtung des anderen steht, für den Wert
des Lebens, den Schutz des psychischen Lebens, den Respekt vor der Wahr-
heit und den Preis der Liebe. Das ist unsere Moral.
Ebendarum fordere ich den Leser auf, seinen anfänglichen Widerwillen zu
überwinden, den er vielleicht verspüren mag, so wie es auch Maurice Hurni
und Giovanna Stoll getan haben, um für die Beobachtung, die Aufnahme und
das Verstehen bestimmter klinischer Realitäten offen zu sein.
Ich selbst habe vor nun schon über zehn Jahren die narzißtische Perver-
sion untersucht und beschrieben; mehr als zwanzig Jahre lang – und erst jüngst
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wieder – habe ich die Triebkräfte und den Mechanismus inzestuöser Bezie-
hungen dargestellt. Deshalb glaube ich die außerordentliche Bedeutung und
radikale Neuheit der Begriffe ermessen zu können, die im Verlauf dieses
Buches entfaltet werden.
Manche Leser werden auf diesen Seiten jedoch auch Aufklärung über ge-
wisse Begegnungen finden, die bei ihnen einen unvergeßlich bitteren Nachge-
schmack und eine ungeheure Ratlosigkeit hinterlassen haben. Sie werden mit
Erleichterung wiedererkennen, was ihnen widerfahren ist, ohne daß sie es ver-
stehen konnten oder auch nur wahrhaben wollten. Denn die perversen Manö-
ver bleiben völlig unverständlich, solange man sie am Maßstab der Liebe, der
Sympathie, der gegenseitigen Achtung und zwischenmenschlichen Rücksicht-
nahme zu messen versucht. Sie lassen sich nur mit den Begriffen des Hasses,
der Nichtanerkennung und der Abwertung begreifen. Man stößt dort auf eine
eisige, eiserne Welt, geboren aus Taktik und Verachtung.
Außerdem werden diese Leser entdecken, warum sie so viel Energie und
Selbstachtung auf Beziehungen verschwendet haben, die sie unvorsichtiger-
weise mit Personen eingegangen sind, die sich dann als Experten in perversen
Manövern erwiesen. Man spielt solche Spiele nicht, ohne seinen Einsatz zu
riskieren, wenn man nicht selbst perverse Neigungen hat. Wer nicht die Nei-
gung zur Perversion hat, sollte also keinen Perversen an Bord nehmen; andern-
falls muß man auf Leid gefaßt sein ...
Nicht die Liebe, sondern die Liebe zum Haß ist das Band, das beharrlich
alle beschriebenen Fälle durchzieht und sich auf jeder Seite des vorliegenden
Werkes verfolgen läßt. Der Haß auf die Liebe ist auch der Haß auf alles, was uns
vom anderen abhängig macht, was uns die Lust mit dem Objekt begehren läßt;
die Lust, die wir von ihm empfangen und ihm spenden; schließlich der Haß auf
die Zärtlichkeit und alles, was das Herz erweicht.
Die Paare, die hier beschrieben werden, haben sich frei füreinander ent-
schieden. Sie haben einander nicht wegen ihrer jeweiligen Vorzüge, sondern
wegen ihrer Mängel und »Schwächen« gewählt. Damit ist das Terrain für die
späteren Kämpfe bereitet, für die Herabwürdigungen, Überwältigungen und
Versklavungsversuche, welche die Beziehungen solcher Paare organisieren –
Nicht-Paare, die sich gegen die eigentliche Bindung verbinden, gegen die Libi-
do, gegen die Zärtlichkeit und letztlich gegen die Liebe.
Vielleicht sollte man besser sagen, daß es in derartigen Beziehungen durch-
aus Liebe gibt, sogar sehr starke; doch sie existiert nur als Negativ. Und die
Autoren dieses Buches wissen und demonstrieren, aus welcher tiefen Abwehr,
aus welchen kaum erinnerlichen Schlachten in der Kindheit die Grabenkämp-
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I. Einführung
A
ls wir in den siebziger Jahren begannen, Paartherapien und s.ologische
Behandlungen durchzuführen, waren unsere begrifflichen und therapeu-
tischen Mittel noch sehr kümmerlich. Zum Teil lag das an dem hybriden
Charakter des Paarbegriffs – irgendwo in der Mitte zwischen Individuum und
Familie oder Gruppe. Außerdem wurde diese Armut von einer geradezu ideo-
logischen Begeisterung verdeckt; einfache und eingängige Begriffe, neue und
wirkungsvolle Therapien waren entstanden, von denen man glaubte, sie
würden leicht, auf fast magische Weise, das gegenseitige Verstehen der Partner
verbessern, selbst wenn es seit Jahren gestört war.
Einige Bezugspunkte halfen uns, angesichts der Vielschichtigkeit der Pro-
bleme, vor die uns unsere Patienten stellten, die Orientierung nicht zu verlie-
ren. W. Masters und V. Johnson (1967, 1973), die berühmten amerikanischen
S., hatten sich durch ihre mutigen Untersuchungen von einer Menge
uralter, einschüchternder Vorstellungen über die S. gelöst. Sie hatten
zudem von einem verhaltenstherapeutischen Ansatz her Brücken geschlagen,
der einen gewissen – manchmal naiven, aber stets ehrlichen – Pragmatismus für
sich hatte. Dieser Ansatz war insbesondere von der Hamburger Schule
(Schorsch 1975, Arentewicz 1980), von H. Kaplan (1978) beziehungsweise von
P.-A. Gloor (1980 und 1982) verbessert worden; und wir selbst haben einige
Überlegungen zur psychischen Funktionsweise von Paaren angestellt, die uns
wegen s.ueller Schwierigkeiten aufsuchten (Hurni und Stoll 1987, 1988). Ein
weiterer Meilenstein in der Paartherapie war zweifellos J. Willi (1975), ein
Zürcher Psychiater, der mit seinem Begriff der Kollusion als erster die spezifi-
sche Dynamik des Paares beschrieb. Schließlich halfen uns Autoren wie J. G.
Lemaire (1971, 1979, 1989), die Verzahnung der verschiedenen Triebimpulse
innerhalb der dyadischen Struktur besser zu verstehen, was um so wichtiger ist,
als diese archaischer Natur sind und im verborgenen bleiben. In der Tat bedin-
gen diese Triebimpulse sowohl die Objektwahl als auch die Dynamik des
»Honigmonds« oder auch die möglichen Themen späterer Konflikte. Andere
Therapeuten, vor allem die systemisch orientierten wie M. Selvini Palazzoli
(1992), S. Cirillo und P. Di Blasio (1992) oder I. Boszormenyi-Nagy und G. M.
Spark (1981), erlaubten uns, die engen transgenerationalen Bindungen besser
zu erfassen, die zum Teil für die Funktionsabläufe von Paaren bestimmend sind.
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Trotz dieser theoretischen Fortschritte stießen wir auf hartnäckige Schwie-
rigkeiten, die sich einem Verständnis allein auf der Grundlage der erwähnten
Autoren widersetzten. Wir brauchten lange, um zu begreifen, daß all diese
Ansätze den Mangel aufwiesen, daß sie sich auf eine Logik stützten, die wir
heute als »neurotisch« (oder, anders gesagt, »normal«) bezeichnen, und die in
völligem Gegensatz zu der perversen Logik steht, nach der jene Paare funktio-
nieren, die der Behandlung unzugänglich sind. Zur neurotischen Logik
gehören Mißverständnisse, Hemmungen oder Blockaden, die sich in allen
Bereichen entwickeln können, oder auch mangelnde Information oder schei-
ternde Kommunikation. Zur perversen Logik gehören Beraubung, Erpressung
und Einschüchterung sowie eine subtile Kommunikation mit dem Ziel, den
anderen zu beherrschen und zu manipulieren. Ebenso wie die erstgenannte Lo-
gik dank einer libidinösen Übertragung, welche die Behandlung ermöglicht,
grundsätzlich Linderung, Besserung und Wohlbefinden anstrebt, zielt die
zweite eher auf eine Verschlimmerung des Leidens des anderen und letztlich
auf dessen Zerstörung.
Die Entdeckung einer Logik, die der gewöhnlichen und zumal der ärzt-
lichen derart fremd ist, war das Ergebnis eines langen und mühseligen Prozes-
ses, der noch immer nicht abgeschlossen ist. In dieser Richtung waren für uns
die Arbeiten von D. Anzieu (1975, 1986), J. Chasseguet-Smirgel (1980, 1986,
1989), vor allem aber die von A. Eiguer (1989, 1991, 1995) und P.-C. Racamier
(1982, 1987, 1992a, 1992b, 1993, 1995) wirkliche Offenbarungen. In ihren
anschaulichen Beschreibungen der narzißtischen Perversionen und paradoxen
Interaktionen fanden wir endlich ein Instrumentarium, das nahtlos zu unseren
klinischen Erfahrungen paßte und sie in ein aufregendes, aber auch schreck-
liches Licht rückte. Allmählich brach sich ein wirkliches Verständnis Bahn:
nicht nur dieser perversen Logik, sondern auch der zerstörerischen Inter-
aktionen, der todbringenden Dynamik, der subtilen Gewalt, der machiavellisti-
schen Absichten, des leeren, bei anderen Personen ausgelagerten Denkens, ja,
ein Verständnis der Patienten selbst, die auf den Status von fe. herab-
gesetzt worden sind. Eine Entdeckung, die um so erstaunlicher war, als sie in
keinerlei Verhältnis zu den symptomatischen Streitigkeiten zwischen den Part-
nern oder den s.uellen Symptomen stand, die uns auf den ersten Blick ziem-
lich harmlos erschienen.
Die sorgfältige Beachtung jener perversen Dynamik, die zwei Partner einan-
der entgegensetzt, die in der Verfolgung derselben destruktiven Ziele gleichsam
miteinander verschweißt sind, bot uns ein wirklichkeitsgetreueres Bild ihrer
Psychopathologie. Ergänzt wurde dieses Bild durch eine Vielzahl schwerer
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physischer und psychischer Begleitstörungen, die nicht nur die Paare selbst,
sondern auch die ihnen Nahestehenden und vor allem ihre Kinder betrafen: in
erster Linie psychosomatische Krankheiten wie Asthma, Allergien oder »hart-
näckige Verstopfungen«, aber auch eine ganze Schar anderer Leiden: anorek-
tische oder bulimische Störungen, wiederholte Operationen, deren Grund oft
im dunkeln bleibt, zahlreiche Unfälle, oft bei der Ausübung brutaler Sportar-
ten oder beim gedankenlosen Eingehen von Risiken, ganz abgesehen von chro-
nischen ärztlichen Behandlungen, häufig im Rahmen der sogenannten Alter-
nativmedizin; und natürlich eindeutige psychiatrische Erkrankungen. Diese
Störungen oder Krankheiten waren bereits Gegenstand längerer und ziemlich
erfolgloser Behandlungen gewesen. Sogar Psychoanalysen, denen sich zahlrei-
che Patienten unterzogen, schienen ihnen keine Besserung zu bringen. Schließ-
lich eine Reihe von Todesfällen in der nächsten Umgebung, deren Ursache oft
ziemlich unklar blieb und die ihre Kindheit oder ihr Eheleben belastet hatten
(Selbstmorde, Unfälle, plötzliche Todesfälle). Ausgehend von einer recht bana-
len Symptomatik, gelangten wir so auf ein entsetzliches Schlachtfeld, dessen
Opfer nicht mehr zu zählen waren.
So kamen wir dazu, den Begriff der Dynamik des perversen Paares zunächst
auf ein familiales, dann sogar soziales Netz zu erweitern. Es wurde uns deut-
lich, daß diese Paare, deren perverse Verhaltensstrukturen sich in den Sitzun-
gen eindrucksvoll zeigten, in ihrer alltäglichen Ehedynamik auch ihre Kinder
einsetzten. Überdies nahmen wir hinter ihren schneidenden Dialogen immer
öfter die Traumatisierungen wahr, deren Opfer sie selbst einst geworden waren
und die sie uns in einer leider blinden Neuinszenierung wieder vorführten. Was
auf diese Weise sichtbar wurde, war gewissermaßen eine dramatische Abfolge
von zuerst erlittenen, dann begangenen Gewalttaten. Wie sich herausstellte,
standen diese Attacken häufig in Verbindung mit dem Symptom, waren also,
im Rahmen unserer ärztlichen Praxis, s.ueller Natur: realer inz., der, wie
man heute weiß, unendlich viel häufiger vorkommt, als man es bisher für
möglich hielt, aber auch andere, raffiniertere Formen von Gewalt, welche auf
die S. des Kindes als dessen intimsten, also verletzlichsten Teil zielen.
Überhaupt fanden wir, daß die Destruktivität, bis hin zur willkürlichen und
entfremdenden Annexion des Selbst durch einen anderen, auch auf die Iden-
tität, das Selbstwertgefühl, kurz, auf den Narzißmus in seinen verschiedenen
Aspekten zielt. Solche perversen Beziehungen, die sich diesmal auf per defini-
tionem schwache und abhängige Opfer richten, fallen unter den allgemeinen
Begriff des narzißtischen Mißbrauchs. Diese Art von Gewalt muß unserer
Ansicht nach klar als solche benannt werden, und ihre Realität darf nicht im
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Zuge einer pseudophilosophischen Debatte über die »psychische« oder »reale«
Realität oder über die Verschränkung von Ursachen und Wirkungen zum
Verschwinden gebracht werden. Wir jedenfalls haben uns bemüht, ihre Mecha-
nismen und Effekte möglichst genau zu verstehen, um die geeignetsten thera-
peutischen Ansätze zu entwickeln, mit denen solche echten Dramen wirkungs-
voll bearbeitet werden können. Vieles bleibt auf diesem Gebiet noch zu tun.
Wir haben uns vorgenommen, einige Interventionen detailliert wiederzugeben,
die sich nicht gegen ein neurotisch-unangemessenes Verständnis einer unbe-
wußten, verdrängten und wiederherzustellenden Wahrheit wandten, sondern
eher auf Intentionen, die zu enthüllen, und auf schon bekannte Tatsachen, die
aus der bewußten Unterdrückung zu befreien waren. Wie wir sehen werden,
herrscht im Reich der Perversion eher die Lüge als das Vergessen.
Schließlich schien es uns, als hätte diese perverse Logik, die wir in der
»Arena« paartherapeutischer Beratung kennen- und verstehen gelernt hatten,
die Tendenz, sich auf Familien oder Gruppen auszubreiten beziehungsweise
sich in Institutionen aller Art einzunisten. So kommen in vielen Facetten des
institutionellen, politischen oder künstlerischen Lebens perverse Logiken zum
Ausdruck, die den Mechanismen, welche im therapeutischen Feld der Zweier-
beziehung analysiert werden, völlig entsprechen. Trotz aller Vorsicht, die man
bei der Anwendung eines ursprünglich therapeutischen Begriffs auf andere
Gebiete walten lassen muß, scheint sich im Lichte unserer Gedanken zur sozia-
len Perversion auch hier ein weites Feld für künftige Überlegungen und,
warum nicht, für praktische Maßnahmen zu öffnen.