Kommt gut in den Tag
Lang aber sehr aufschlußreich, bestimmt findet der Eine o. Andere hier Antworten auf seine Fragen.
Die Bezeichnung Narzisstische-Persönlichkeitsstruktur soll hier bestimmte Verhaltensweisen einer Person bezeichnen, die von ihrem Umfeld als besonders auffällig und störend empfunden werden.
In der Realität gibt es verschiedene Facetten und Intensitäten dieser Verhaltensausprägungen.
Angestrebt wird hier nicht eine Beschreibung von realen Personen, sondern ein mögliches Bündel an gezeigten Eigenschaften, die zusammen auftreten können sowie Ideen für die Ursachen, Zusammenhänge und den adäquaten Umgang damit.
Unter Narzissmus wird allgemein das Sich-selbst-Gefallen, das In-sich-selbst-verliebt sein verstanden. Das hat mir einer narzisstischen Persönlichkeitsstruktur oder gar -störung zuerst einmal nichts zu tun. Vielemehr ist eines der Grundbedürfnisse des Menschen die Erhöhung seines Selbstwertes, indem er nach Bestätigung, Anerkennung und Geliebtwerden strebt. Ein gesunder Narzissmus geht mit einem stabilen Selbstwert einher, der Mensch kennt seine Stärken, akzeptiert jedoch auch seine Schwächen, er ist sich seiner selbst bewusst, weiß, was er braucht und will und hat Möglichkeiten, sich das zu erfüllen. Er kennt Wege, sich die nötige Anerkennung zu verschaffen und seinen Selbstwert aufrechtzuerhalten.
Eine narzisstische Störung zeichnet sich demgegenüber durch die Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls aus und ist mit einer Entfremdung von sich selbst verbunden. Das heißt, der Betroffene hat seine Bedürfnisse, Wünsche und Gefühle zugunsten einer Fassade aus Selbstsicherheit, Leistung, Perfektionismus, Attraktivität und scheinbarer Unabhängigkeit aufgegeben. Er versucht, ein Ideal von sich zu erfüllen, das ihm genau vorschreibt, wie er zu sein hat, z.B. dynamisch, lebendig, fehlerlos, nicht traurig, leistungsfähig, schlank, immer gut drauf, keine Schwächen zeigend, sich keine Ruhe gönnend, besser und schöner als alle anderen oder schlicht einzigartig.
Die Triebfeder für das Erreichen dieser Ideale sind starke Selbstzweifel und Minderwertigkeitsgefühle, die durch die perfekte Fassade ausgeglichen und versteckt werden sollen. Die unangenehmen Seiten seiner selbst sollen durch eine beschönigte ersetzt werden. Suchterkrankungen sind häufig mit einer narzisstischen Störung verbunden.
Lebensenergie spendende und nährende Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse sind diesen Personen wenig zugänglich, wie z.B. das Erleben von Identität und das Grundgefühl, auf dieser Welt einen Platz zu haben und willkommen zu sein, also ihr wahres Selbst. Stattdessen zeigen sie Perfektionismus, eine Fassade der Grandiosität, ein Ideal.
Die Personen haben das Bedürfnis positiv gesehen, definiert und wertgeschätzt, gemocht und geliebt zu werden, Anerkennung zu finden, im Leben anderer eine Rolle zu spielen und von einer anderen Person unterstützt zu werden (Solidarität). Diese zentralen Beziehungsmotive sind den Menschen mit narzisstischer Beziehungsstruktur jedoch nicht alle präsent. Sie wissen kaum noch, dass sie im Wesentlichen anerkennungsmotiviert sind, sondern sie halten sich selbst für hochgradig leistungsmotiviert (was sie aber nicht wirklich sind). Daher ist es für ihre Weiterentwicklung von großer Bedeutung, dass sie ihre Beziehungsmotive wieder unverfälscht wahrnehmen. Ebenso andere Motive. denn narzisstisch geprägte Personen vernachlässigen meist alle Motive außer Erfolg, was zu einem Zustand diffuser, aber unverstandener Unzufriedenheit führt.
In Interaktionen streben Narzissten an, Erfolg zu haben, zu leisten, Lob und Anerkennung zu bekommen, Erfolgs- und Statussymbole zu sammeln, z.B. Titel, Kontrolle zu erlangen, Territorien zu definieren, Regeln zu bestimmen, VIP-Status und Souveränität zu erlangen. Besonders wichtig ist ihnen dabei, besser zu sein, als andere und mehr Statussymbole zu erringen als sie. Die Mentalität ist: Höher, schneller, weiter.
Vermeiden wollen sie Abwertung, Kritik, Ablehnung, Kontrollverlust, Abhängig-keiten und sich ausgeliefert zu fühlen sowie Kontakt zu Personen, die sich abwertend oder kritisch verhalten.
Narzissten wünschen sich, dass man sie toll und großartig findet, problemfrei, alles im Griff habend, wissend wo es langgeht, durchblickend, souverän, sich auskennend, über allem stehend. Sie appelieren an Bewunderung, Bestätigung, Respekt, Akzeptanz, wollen Sonderrechte und vor allem nicht in Frage gestellt werden. Andere sollen ihren Regeln folgen, ihr Territorium respektieren und sie keinesfalls abwerten.
Phantasien grenzenlosen Erfolges, Anspruchsdenken, Ausnützen zwischenmenschlicher Beziehungen, Selbstbezogenheit und Mangel an Einfühlungsvermögen, Neid, arrogantes Verhalten, hohe Dominanz, Extraversion, erhöhte Feindseligkeit, hohes kompetitives Verhalten, Unabhängigkeit, Kreativität, Tagträume, Sensation seeking, erhöhte Affekt-Labilität, Selbstwert-Schwankungen und Suizidalität sind ebenfalls charakteristsich.
In Beziehungen zeichnen sich Narzissten dadurch aus, dass sie in hohem Maße alle sozialen Interaktionen, die mit Ihnen selbst stattfinden, kontrollieren wollen. Ein besonders wichtiger Aspekt von Kontrolle ist das Setzen von sozialen Regeln, die bestimmen, wie man mit ihnen umzugehen hat. Sie glauben, das Recht dazu zu haben, diese Regeln umzusetzen und Regelverletzer bestrafen zu können. Im Mittelpunkt dieser Regeln staht immer die Person selbst, die Regeln dienen ihr. Umgekehrt ist sie selbst aber nicht daran gebunden. Die Regelsetzer-Mentalität sorgt oft für interaktionelle Probleme, weil andere Personen durchaus nicht der Ansicht sind, die Person habe irgendwelche Sonderrechte. Daher kommt es zu sozialen Konflikten.
Narzissten sind davon überzeugt, dass sie alles, was sie haben, selbst und sehr schwer erarbeitet haben; sie sind überzeugt, dass sie dafür etwas Besonderes (für die Allgemeinheit) geleistet haben und entsprechende Sonderrechte hätten (VIP-Status, Chefarzt-Behandlung). I am a very important Person. I am more equal than others.
Narzissten definieren ihr eigenes Territorium um sich herum, in dem sie regieren und das niemand ungestraft betreten oder verlassen darf. Es kann umfassen: Mein Büro, mein Auto, meine Mitarbeiter, etc. Meine Mitarbeiter haben für mich da zu sein und mit zuzuarbeiten. Wenn sie das nicht tun, bekommen sie meinen Zorn zu spüren! (Skla.)
Narzissten sind Beziehungen und Nähe wichtig zur Befriedigung sozialer Motive aber auch um andere Personen an sich zu binden. Ihr Denken: Hat man eine Person an sich gebunden, so kann man sie für sich einsetzen. Sie übernimmt Aufgaben etc. Diese Bindungen sind meist nicht reziprok: Narzissten binden andere stärker an sich, als sie selbst an sie gebunden sind. Sie behalten meist einen hohen Grad an Autonomie (eigenes Geld, eigene Zeiten, eigenes Zimmer). Sie brauchen das Gefühl, sich jederzeit aus einer Bindung auch wieder lösen zu können, die Kontrolle zu behalten, die eigene Autonomie nicht aufzugeben. In der Regel lassen Narzissten nur Personen sehr nah an sich heran, die die Person niemals abwerten würden, sondern sich anerkennend verhalten.
Partner sollen dem Narzissten den Rücken für wirklich wichtige Ziele frei halten. Die Freundin dient als vorzeigbares Statussymbol, Mitarbeiter haben zuzuarbeiten, und dafür zu sorgen, dass die Liste eigener Erfolge verlängert werden kann, Freunde werden eingespannt, um etwas für einen zu tun, Kontakt mit bedeutenden Leuten nimmt man auf, um mit ihnen anzugeben, Bekanntschaften sollen nützlich sein und einen bewundern u.ä. Auch in dieser Hinsicht stecken andere mehr in die Beziehung, als der Narzisst. Dies kann Interaktions-partner auf Dauer unzufrieden machen und zu interaktionellen Problemen führen.
Schon geringfügige Kritik aktiviert das negative Selbstkonzept (siehe unten) und das ist der Person total unangenehm. Daher reagiert sie bereits auf minimale Kritik sehr massiv: Gekränkt, beleidigt, verärgert. Auch sachliche Rückmeldung nimmt sie persönlich übel.
Ihre Empathie nutzt die narzisstische Person nur, um herauszufinden, wie andere Menschen zu manipulieren sind, und schalten sie dann aus, sobald sie beginnen, zu manipulieren, um somit auch ein schlechtes Gewissen vermeiden.
Die Personen haben von sich selbst zwei getrennte Konzepte (Selbst-Schemata), die in der Regel unverbunden nebeneinander stehen und sich gegenseitig hemmen! Wenn das eine aktiviert ist, ist das andere nicht zugänglich. Sie nehmen keinen Mittelweg dazwischen ein.
Selbst-Schema 1 (+):
- ich bin toll (großartig)
- ich bin kompetent (er als andere)
- ich bin leistungsfähig
- ich kann alles erreichen, was ich will
Selbst-Schema 2 (-)
- ich bin nicht ok.
- ich bin ein Versager
- ich kann nichts
- ich bin nicht attraktiv
- ich bin nicht liebenswert
Ist Schema 1 aktiviert, so ist die Person gut gestimmt, optimistisch, nimmt Herausforderungen an, ist kämpferisch, traut sich viel zu, erinnert sich an Erfolge usw.
Sie ist dann in einem positiven state of mind. Negative Aspekte des eigenen Selbst sind ihr in dieser Phase nicht zugänglich. Misserfolge werden nicht erinnert.
Ist Schema 2 aktiviert, dann hat die Person von sich den Eindruck, ein völliger Versager zu sein, nichts erreicht zu haben, nichts zu können, unattraktiv zu sein, u.ä. Alle bisherigen Leistungen werden entweder gar nicht erinnert oder zählen nicht. Das positive Schema ist weit weg. Die Person ist in einem negativen state of mind, ist niedergeschlagen, traut sich wenig zu, weicht Herausforderungen aus; sie kann sogar depressiv sein und denken, dass sie gar nichts mehr hinbekommt; in extremen Fällen weist die Person Hoffnungslosigkeits-konstruktionen und suizidale Tendenzen auf.
Das negative Schema ist von Erfahrungen abgekoppelt. Erfolg, Lob, Anerkennung u.ä. erreichen die Person in Schema 2 nicht. Sie werden Schema 1 angelagert, dass mit der Zeit übermäßig positiv werden kann (aufgeblasen). Teilweise stellt das aufgeblasene Schema 1 auch eine Kompensation des Schemas 2 dar: Die Person muss, gegen ihre negativen Annahmen, beweisen, wie toll sie ist.
Schema 2 bleibt trotz aller Erfolge als negatives Schema bestehen und es erzeugt Zweifel bei der Person. Gedanke wie:
- Bin ich wirklich so toll?
- Irgendwann entlarvt mich mal einer als Mogelpackung
Diese Zweifel stacheln die Person zusätzlich zu weiterer Leistung und weiteren Erfolgen an. Neue Erfolge halten das negative Schema in Schach. Damit ist das System aber unstillbar: Je mehr die Person leistet, das negative Schema bleibet bestehen, wie ein schwarzes Loch, das nicht aufgefüllt werden kann.
Die Kosten ihres Systems sind Narzissten z.T.bewusst, z.T. sind sie verdeckt.
Sie fühlen sich erschöpft, ausgelaugt, müde und kaputt, haben z.B. wenig Zeit für sich, für Hobbys und Interessen und empfinden eine diffuse, allgemeine Unzufriedenheit mit ihrem Leben. Sie haben alles, sind aber trotzdem nicht zufrieden und wissen nicht, wie das kommt. Möglich ist Stress in Beziehungen; andere halten sich nicht mehr an ihre Regeln, setzen die Person unter Druck, kritisieren, nörgeln, o.ä. Der Eindruck, nicht ausreichend erfolgreich zu sein, sozial isoliert und im Grunde allein oder Probleme mit der Gesundheit wie Bluthochdruck, Herzprobleme oder psychosomatische Störungen können sie veranlassen, sich Unterstützung zu holen.
Hintergrund
Menschen, mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstruktur haben es schwer, sich so einzuschätzen, wie sie sind und nicht ständig als schlecht oder übermäßig toll zu bewerten. Dadurch sind sie besonders anfällig für Kränkungen. Sie sind wie Bäume, die hoch gewachsen und mit prächtigem Laubwerk dastehen, denen aber das feste Wurzelwerk fehlt, auf das sie sich verlassen können, und das ihnen Standfestigkeit und festen Halt im Leben gibt. Mit schwachem Stamm und verkümmerten Wurzeln legen sie alle Kraft in das Wachstum ihres Astwerkes, da sie irrtümlicherweise davon ausgehen, dass es ihnen umso mehr Sicherheit verschafft, je dichter es ist. In Wirklichkeit jedoch wächst die Unsicherheit, da die tragende Basis fehlt. Jeder Wind und jeder Sturm rührt an dieses Unsicherheit und droht, den Baum umzustürzen. Jede Kritik, Zurückweisung oder Ablehnung ruft ein tiefes Gefühl von Verunsicherung und Kränkung hervor.
Den Wurzeln entspricht beim Menschen die Befriedigung seiner narzisstischen Bedürfnisse nach Sicherheit, Wertschätzung, Respekt, Annahme und Bedeutung. Statt sich in der Welt und bei Menschen aufgehoben und angenommen zu fühlen, erwartet ein solcher Mensch Ablehnung. Statt nährender Beziehung sucht er Sättigung in Ersatzhandlungen.
Hinter der prächtigen Fassade verbirgt sich ein emotional verwahrlostes, verzweifeltes Kind, das nach Anerkennung und Spiegelung seiner wahren Identität hungert. Als Kind wurde die Person vielleicht nur dann gelobt oder wahrgenommen, wenn sie gute Leistungen erbracht hat, wie frühes Sprechenlernen, bessere Leistungen in der Schule etc. Es bemühte sich daher, seine Eltern durch gute Leistungen zu erfreuen, um dadurch die Zuwendung zu bekommen, die ihm eigentlich auch ohne Leistung zustehen würde. Seine Erfahrungen über sich selbst wird sein: Ich bin nichts wert.
Sowohl Nichtbeachtung als auch übermäßige Aufmerksamkeit, wie sie z.B. Einzelkinder oder Erstgeborene erfahren können, sind oftmals biographische Faktoren. Das Fehlen oder der Verlust dieser besonderen Aufmerksamkeit bei Scheidungen der Eltern oder anderen Veränderungen sowie im Zuge der Abnabelung beim Erwachsenwerden wurden als geradezu traumatisch empfunden.
Das Bedürfnis nach autonomie kommt biografisch wahrscheinlich zustande durch eine Flucht in die Autonomie: Die Person lernt, dass sie von einer primären Bezugsperson (oder Bezugspersonen) abgewertet und abgelehnt wird. Sie macht damit die Erfahrung, dass Abhängigkeit schwach und verletzlich macht:
Von Personen, die einem wichtig sind, kann man
- verletzt werden
- abgewertet werden
- ausgegrenzt, abgeschoben werden
- auf sie kann man sich nicht verlassen
Die Person baut als Schutz gegen die Wiederholung dieser Erfahrungen eine Gegenideologie auf:
- ich bin unabhängig und brauche niemanden
- wer mich verletzt, wird aus meiner Domäne ausgeschieden (zur Unperson)!
- Man kann sich nur auf sich selbst verlassen!
- Wer nicht für mich ist, ist gegen mich!
- Beziehungen sind austauschbar!
Eine Flucht in die Autonomie ist dieses Verhalten deshalb, weil die Person gar kein echtes Bedürfnis nach Autonomie aufweist: Sie braucht Autonomie vielmehr als Selbstschutz, als Schutz vor Verletzungen. Die Autonomie ist deshalb nicht frei gewählt, sondern aus der Not erzwungen. Dieses Autonomiebedürfnis hat manchmal zur Folge, dass der Narzisst hohe Verbindlichkeit erwartet, selbst aber die Beziehung nicht als so verbindlich ansieht. Er hat vielmehr die Vorstellung:
- Ich kann jederzeit aus der Beziehung aussteigen;
- Funktioniert diese nicht, nimmt man die nächste Beziehung
Diese Flucht in die Autonomie hat manchmal zur Folge, dass Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung sich nur mit Vorbehalten auf eine Beziehung einlassen (Mal sehen, wie es wird, ich kann ja jederzeit wieder raus!), eine Beziehung nicht wirklich ernst nehmen (man behält zwei Wohnungen, hält alles getrennt, u.ä.). Bisweilen führt diese Tendenz auch dazu, dass sich Personen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung nicht wirklich verlieben: sich zu verlieben bedeutet, sich auszuliefern, sein eigenes Territorium aufzugeben, jemanden an sich heranzulassen, jemandem Informationen zu geben, usw. Das alles kann für Narzissten aber hoch gefährlich sein: Deshalb lässt er sich bereits gefühlsmäßif nicht wirklich auf die Beziehung ein. Diese Personen äußern z.B., sich nicht verlieben zu können, sich nie auf eine Beziehung einzulassen, immer einen Sicherheitsabstand zu halten, u.ä. Sir fühlen sich dadurch aber von der Beziehung abgeschnitten: Sie haben ja ein Bedürfnis nach Anerkennung, nach verlässlicher und solidarischer Beziehung, also ein Bedürfnis nach einer authentischen Beziehungsgestaltung; sie sind jedoch nicht in der Lage, nach diesem Bedürfnis zu leben.
Durch diese Autonomie-Ideologie fühlen sie sich in Beziehungen stark. Sie können dem Partner immer vor Augen halten:
- Wenn es Dir nicht gefällt, dann geh doch!
- Ich bin nicht auf Dich angewiesen!
So können sie jederzeit an der Trennungs-Schraube spielen und den Interaktionspartner damit weiter auf Kurs bringen. Eine Zeitlang wird den Partner das erschrecken und er wird sich dem Reglement unterwerfen. Damit haben die Narzissten auch eine mächtige Waffe zur Manipulation: Der Manipulation über die Verbindlichkeit, die die Beziehung für die andere Person besitzt. Die Waffe heißt: Entweder Du spurst oder ich verlasse Dich! Diese Waffe kann jedoch stumpf werden in dem Moment, in dem der Partner sich dazu entschließt, sich nicht mehr komplementär zu verhalten: dann kann die narzisstische Person in Schwierigkeiten geraten, nun muss sie sich anpassen und verändern oder auf den Partner verzichten.
Weil die narzisstische Person in ihren zentralen Beziehungsmotiven früh frustriert worden ist und ein negatives Selbst-Schema hat, entwickelt sie ein Bedürfnis nach Kompensation: Etwas zu leisten, Anerkennung zu erhalten und im Zuge dessen ein positives Selbst-Schema aufzubauen. Gelingt diese Kompensation, entwickeln diese Personen sowohl die Motivation, als auch verfügen sie über die die notwendigen Fähigkeiten, über Leistung Anerkennung zu erreichen.
Neben diesen erfolgreichen Narzissten gibt es aber noch Personen, die man als erfolglose Narzissten bezeichnen kann. Auch diese sehen die Notwendigkeit, über Leistung Anerkennung zu gewinnen und über Erfolge ein kompensatorisch positives Selbst-Schema aufzubauen. Sie weisen jedoch dazu entweder die motivationalen oder die Fähigkeits-Voraussetzungen nicht auf: Entweder können sie sich nicht zu den notwendigen Anstrengungen entschließen, die erforderlich sind, um durch Leistung Anerkennung zu erlangen oder sie verfügen nicht über die notwendigen Fähigkeiten, die man zum Erlangen von Erfolg braucht.
Damit haben die erfolglosen Narzissten aber in ihrem Leben wenig an realen Kompensationen entwickelt: Sie haben nur wenig geleistet und nur wenig an Erfolgen vorzuweisen: Sie haben die Schule abgebrochen, die Ausbildung nicht beendet, keine Karriere gemacht, nur wenig an Fähigkeiten entwickelt, keine Status-Symbole errungen, kein hohes Einkommen usw. Ihre Kompensationen finden hauptsächlich in Ihren Vorstellungen statt. Sie haben Tagträume von Macht, Status und Erfolg, schreiben sich Fähigkeiten und Rssourcen zu, die sie in Wirklichkeit nicht haben, habe Konstruktionen wie: Wenn meine Eltern mich nicht systematisch beeinträchtigt hätten und meine Lehrer micht nicht verkannt hätten, dann wäre ich heute Akademiker.
Die Person kann sachliche und persönliche Kritik nicht auseinander halten. Eine gut gemeinte negative Rückmeldung als sachliche Information, die man berücksichtigen sollte, wird von der narzisstischen Person als Abwertung und somit massiven Angriff gewertet. Sie sieht nicht mehr, dass der Chef die Kritik in positiver Absicht gibt und dass sie sich nur auf sehr begrenzte Aspekte bezieht, dass er die Person gar nicht abwertet und schon gar nicht niedermacht; sie fasst sachliche Kritik sofort als persönliche Abwertung und damit als persönliche Beleidigung auf und reagiert entsprechend heftig: Defensiv oder aggressiv oder mit Vergeltungsschlägen.
Die narzisstische Person schneidet sich mit solchem Verhalten von Feedback ab. Niemand wagt mehr, eine Entscheidung als falsch zu bezeichnen, zu kritisieren oder authentisch Rückmeldung zu geben.
Soziale Vergleichsprozesse sind narzisstischen Personen wesentlich. Sie wollen beweisen, dass sie besser sind, als andere, beim direkten Vergleich gut abschneiden. Diese Außenorientierung ist auch der Grund für Neid: Wenn ich besser sein will, mehr Erfolg haben, mehr Statussymbole vorzeigen, mehr einfluss und Kontrolle aufweisen, dann kann ich es nicht gut ertragen, wenn andere mehr davon vorzuweisen haben. Es macht mich neidisch, wenn andere besser sind, weiter sind, mehr Anerkennung erhalten usw. Ich empfinde das auch als ungerecht, weil ich glaube, dass es mir zusteht. Ich bin auch sauer und wütend, weil ich es dem anderen nicht gönne und den Eindruck habe, er nimmt mir etwas weg.
Handlungsweisen für den Coach
Insgesamt gibt es bei der Arbeit mit narzisstischen Personen zwei unterschiedliche Phasen:
1. Die Entscheidung zu einem Arbeitsauftrag
2. Die inhaltliche Arbeit.
In der ersten Phase gilt es, ein Bewusstsein darüber zu erarbeiten, dass der Klient ein Teil des Problems ist und durch sein Verhalten Kosten erzeugt. In der zweiten Phase wird der Arbeitsauftrag, den der Klient entwickelt hat, umgesetzt durch Herausarbeiten der Motive, Schemata und der Spielebene und deren Bearbeitung
Wenn narzisstisch geprägte Menschen sich in ein Coaching begeben oder Rat sichen, tun sie das nicht, um sich zu verändern, sondern z.B. um besser mit meinen (renitenten) Mitarbeitern umgehen zu können o.ä. Der Arbeitsauftrag bleibt meist vage: Machen Sie mich fit! oder Helfen Sie mir, mich weiterzuentwickeln! Nur in Phasen, wo sie sich im negativen Schema befinden, bemerken Narzissten die Kosten ihres Verhaltens und leiden unter sich selbst. In dieser Phase kann man als Coach gut mit ihnen arbeiten.
Sie testen üblicherweise, inwieweit der Coach sie ernst nimmt, respektiert, als peer behandelt. So teilen sie ihm z.B. mit, dass sie sich durch Lektüre von Psychologie-Büchern ebenfalls als Experte verstehen und ihr Anliegen von Kollege zu Kollege besprechen möchten. Oder sie werten den Therapeuten ab: Sie sehen noch so jung aus; hatten Sie schon mal einen Klienten wie mich? Kritik ist möglich wie: Das müssten Sie mir aber eigentlich genauer sagen können! Der Narzisst will die Kontrolle behalten. Die implizite Frage ist: Bist Du bereit, mit mir zu arbeiten, auch wenn ich mich nicht unterordne?
Haben sie sich einmal zur Mitarbeit enschlossen, kann man mit ihnen im Coaching sehr gut arbeiten, weil sie in der Lage sind, eine internale Perspektive einzunehmen und eigenes Verhalten bzw. Motive gut zu expilzieren. Jedoch vermeiden sie zunächst die Betrachtung des negativen Selbstschemas, möchten keine negativen Aspekte von sich selbst thematisieren: Eigentlich habe ich kein Problem, sondern alles im Griff.
Sobald sie durch Erfolge wieder das positive Selbstkonzept aktivieren, verlieren sie die Änderungsmotovation und der Coach muss erneut an der Schaffung eines Arbeitsauftrages arbeiten. Konfrontation mit der Erkenntnis, dass sie sich problematisch verhalten, Kosten produzieren und ihr System überdenken und revidieren sollten, führt häufig zum Abbruch des Coachings.
Interventionen müssen häufig wiederholt werden, da das System automatisiert und abgeschottet ist. Hohe Frustrationstoleranz ist nötig, um trotz unmittelbar ausbleibender Effekte die Interventionen stringent weiterhin zu machen, bis eigene Anteile am Problem akzeptiert werden.
Der Klient muss sein negatives Selbst-Schema mit seinem positiven Selbst-Schema integrieren: Negative Erfahrungen nicht mehr isoliert aktivieren, sondern immer auch gleich Ressourcen und positive Selbsteinschätzungen aktivieren. Bei erfolgreichen Narzissten gibt es reichlich Ressourcen, die man in Therapie und Coaching mit dem negativen Selbst-Schema verbinden kann. Bei den erfolglosen Narzissten ist es im Rahmen von Therapie und Coaching wichtig, erst das negative Selbst-Schema zu bearbeiten. So lange dieses nämlich stark ausgeprägt ist, kann der wenig erfolgreiche Ist-Zustand nicht akzeptiert werden, da er als defizitär, somit hoch bedrohlich und inakzeptabel angesehen wird.
Er muss lernen, wieder authentisch zu handeln: Seine Beziehungsmotive auf authentische Weise zu befriedigen.
(Quellen: Rainer Sachse: Persönlichkeitsstörungen (2004); Bärbel Wardetzki: Ohrfeige für die Seele, 8. Aufl. 2007) und Rainer Sachse: Histrionische und Narzisstische Persönlichkeitsstörungen (2004).