Und weiter geht’s…
Freitag habe ich mich endlich getraut, mit meinem Freund zu reden.
Ich hatte Spätdienst, er hat zurzeit frei – also bin ich vor der Arbeit zu ihm gefahren und habe ihm alles erzählt.
Kopf abgerissen hat er mir natürlich nicht. Er war erstmal ziemlich geschockt, hat aber nur den Kopf geschüttelt und gemeint, ich sei bekloppt, weil ich dachte, er wäre sauer, dass ich bisher nichts gesagt habe. Er hat mich auch gefragt, warum ich überhaupt meine, mich an die Absprache mit der Noch-Ehefrau halten zu müssen.
Blöd war nur, dass seine Frau irgendwann nach Hause kam und mich mit Tränen in den Augen und wie ein Häufchen Elend dasitzen sah.
Heißt also: Seine Frau – also ihre Freundin – kennt jetzt auch meine Seite der Geschichte. Sie weiß inzwischen auch von den über drei Jahren. Sie kann das alles nicht verstehen, hatte aber schon länger bemerkt, dass sich meine Frau verändert hat. Sie hat wohl etwas vermutet, aber nicht in diesem Ausmaß.
Meine Frau trifft sich ungefähr einmal im Monat mit drei Freundinnen zum Essen und Reden.
Dort hat sie immer wieder dieselben Geschichten erzählt – unter anderem auch diese Karnevalssitzung.
Die Freundinnen waren total beeindruckt, dass sie plötzlich den Mut hat, allein auf solche Veranstaltungen zu gehen und das Karneval so gar nicht Ihrs war.
Ich musste lachen, als ich das hörte, und habe dann die wahre Geschichte erzählt.
Ein paar andere „Storys“ habe ich gleich mit aufgeklärt.
Die Freundinnen haben sie auch öfter gefragt, ob sie nicht mal eine von ihnen mitnehmen könne – was sie natürlich nie gemacht hat. Jetzt wissen wir alle, warum.
Lustiger (oder eher trauriger) Nebeneffekt: Viele haben unsere Beziehung immer bewundert. Manche waren sogar neidisch, weil ich früher (vor meiner Erkrankung) immer so aufmerksam und liebevoll war.
Ich habe ihr ermöglicht, über neun Jahre zu Hause zu bleiben, sich um unseren Sohn zu kümmern – und auch später, als er im Kindergarten oder in der Grundschule war, musste sie nicht arbeiten.
Uns ging es trotz nur eines Gehalts gut, weil ich eben viel (wahrscheinlich zu viel) gearbeitet habe.
Das, was sie mir vorwirft – dass ich sie auch vor anderen klein gemacht oder runtergeputzt hätte – haben weder mein Freund noch seine Frau jemals bemerkt.
Im Gegenteil: Seine Frau kam nach unserem Gespräch zu dem Schluss, dass meine Frau dringend eine Therapie braucht.
Mir wurde dabei bewusst, dass sie wirklich niemandem von ihrem Verhältnis erzählt hat. Sie musste dieses Geheimnis also komplett mit sich selbst ausmachen.
Kurzzeitig hatte ich sogar Mitleid – aber das wurde mir von den beiden schnell wieder ausgetrieben.
Sie sagten: „Sie hat das so gewollt und hätte es jederzeit ändern können. Du hast keine Schuld.“
Die Ausrede, sie hätte mich und unseren Sohn schützen wollen, halten beide für vorgeschoben.
Auch seine Frau meinte, dass man sich in einer Beziehung weiterentwickelt – und wenn es nicht mehr funktioniert, sollte man sich trennen. Aber eben nicht so. Und vor allem nicht so lange.
Den Begriff Warmwechsel fanden sie gut und passend. Und die Freundin meint, das Sie irgendwann aufwacht und dann merkt, was sie angerichtet hat. Und das ich aufpassen soll, das sie plötzlich wieder vor der Tür steht.
Die zwei Stunden Gespräch haben richtig gutgetan.
Trotzdem habe ich ein bisschen Angst davor, was passiert, wenn sich meine Frau mit ihren Freundinnen trifft und rauskommt, dass ich alles erzählt habe.
Das nächste Treffen ist wohl in zwei Wochen. Seit sie die Bombe platzen ließ, kam keins mehr zustande.
Die Frau meines Freundes glaubt allerdings, dass meine Frau diesmal gar nicht hingeht.
Ich habe ihr gesagt, sie soll sich ruhig die Version meiner Frau anhören und sich selbst ein Bild machen.
Ich weiß, meine Sicht auf die Dinge ist sicher nicht neutral.
Aber immerhin: Das Ergebnis des Vormittags war, dass ich jederzeit anrufen, vorbeikommen oder mich melden darf – egal wann. Das gibt ein gutes Gefühl.
Nächstes Wochenende bekomme ich Besuch.
In meiner Reha habe ich zwei Frauen kennengelernt. Mit einer habe ich mich damals gut verstanden, wir sind viel spazieren gegangen und haben uns gegenseitig durch die Zeit dort geholfen.
Die Reha war während der Corona-Phase – mit Maske, Abstand und ohne gemeinsame Aktivitäten. Das Gebäude war bedrückend, und außer den Gruppentherapien (mit viel zu viel Abstand) konnte man eigentlich nur im Wald laufen und reden.
Eine der beiden wohnt etwa 350 km entfernt.
Nach der Reha hat mir meine Noch-Frau ein Verhältnis mit den beiden unterstellt – was unter den aktuellen Umständen fast absurd wirkt.
Die Reha war nämlich rund ein Jahr, bevor sie ihn kennengelernt hat.
Wir haben seitdem eine kleine WhatsApp-Gruppe und halten uns dort locker auf dem Laufenden.
Als ich dort von der „Bombe“ erzählt habe, haben sich die beiden abgesprochen und beschlossen, mich mal zu besuchen – einfach, um mich ein bisschen aufzubauen.
Ich habe mein freies Schlafsofa angeboten, und von Samstagmittag bis Sonntagmittag habe ich also „Damenbesuch“.
Bevor jemand auf falsche Gedanken kommt: Beide haben einen Freund und sind einfach gute Freundinnen. Es geht nur um Ablenkung und etwas Normalität.
Erst war ich unsicher, ob ich das machen soll.
Aber mein Freund und seine Frau haben mich bestärkt – und sie haben recht. Es tut gut, mal auf andere Gedanken zu kommen.
Und ich brauche auch Zeit und Ruhe, um wieder Kraft zu haben – vor allem für unseren Sohn.
Fazit
Das Gespräch mit meinem Freund hat mir gezeigt, dass Reden wirklich hilft.
Ich fühle mich immer noch verletzt, aber nicht mehr ganz so hilflos.
Es ist gut zu wissen, dass ich Menschen um mich habe, die ehrlich sind – und die mich auffangen, wenn’s nötig ist.
12.10.2025 01:28 •
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