Hallo, liebe @Lisanne112
Zitat von Lisanne112: Was meinst du denn mit Grenzen erweitern?
Du schreibst in Zusammenhang mit Grenzen setzen etwa, er habe Dir offen gesagt, dass er aktuell keine feste Beziehung möchte (und hier hättest Du, wie Du meinst, Grenzen setzen müssen).
Und das sehe ich eben nicht so. Sondern ich meine, sobald man gewissermaßen den Impuls verspürt, Grenzen setzen zu wollen, sollte man sich erst einmal fragen, warum und wozu eigentlich.
Wie sich die Dinge entwickeln, das weiß man nie, völlig egal, wie die Umstände sind.
Das Leben, ist es auch ein solches, ist immer mit Risiken verbunden, und dann und wann wird man auch auf die Nase fallen, vielleicht gehörig. Aber dennoch: Leben ist auch und vor allem Entwicklung, und dazu muss man sich auf das Leben auch einlassen und sollte nicht von vornherein allerhand ausschließen. Nur so kann man nach und nach, wenn man so will, an Lebensterrain, an Lebenserfahrung, nicht zuletzt auch Selbsterfahrung gewinnen und sich eben immer wieder über die eigenen oder auch die kollektiven, theoretischen Grenzen hinaus entfalten.
Ich möchte Dir das, was ich meine, einmal anhand dieser sogenannten Red Flags erklären, von denen ja auch hier immer wieder zu lesen ist, bis hin zur akribischen, bisweilen schon psychotisch anmutenden Textanalyse.
Es wird ja allerhand und immer mehr, wie mir scheint, angeführt, was alles nicht geht bzw. als grell aufleuchtendes Alarmsignal gilt. Für mich liest sich das wie ein Museum aller nur möglichen Menschenempfindlichkeiten. Was offenbar nicht gesehen wird, ist, dass man sich mit diesen Red Flags, all diesen No-Gos selber einzäunt bis zur Bewegungslosigkeit. Man kann sich ja gar nicht mehr ausdenken, was alles nicht geht. Der eine gebunden, der andere Narzisst, der nächste toxisch, dieser Lügner und Verheimlicher, jener *beep*, der nächste ist depressiv, ein weiterer hat eine gute Beziehung zu seiner/seinem Ex, der eine Faulpelz, der andere hyperaktiv, der zu viel Zeit, der andere zu wenig, der nächste legt vielleicht zu Allerheiligen ein paar Blumen auf das Grab seiner Mutter, einer isst nicht vegan, der andere schlürft beim Biertrinken, der will zu viel S., der andere zu wenig, bei dem einen passt das Alter nicht, bei dem anderen das Lachen usw. Das ließe sich endlos fortsetzen.
Tausenderlei Red Flags (allein dieser Begriff ist an sich ja schon zum Wiehern und vielleicht sogar schwer selbsttoxisch), die einen da umstellen wie die rot leuchtenden Zinnsoldaten, so dass man irgendwann schon vor allem zurückschreckt, was an Menschlichem einem auch nur begegnen kann.
Und ich meine halt, wer sein Leben halbwegs lebendig verbringen, wer es in all seinen Facetten erfahren will, der wird sich entgrenzen, der wird sich diese Red Flags, seien es allgemeine, seien es individuelle, geradezu aus dem Hirn reißen müssen. Ansonsten wird man ja zu seinem eigenen Rohrkrepierer und verhungert vor allen Futterschüsseln des sinnhaften Lebens.
Um zu Dir zurückzukommen. Es spielt, für mich, keine Rolle, jemanden (näher) am Arbeitsplatz kennenzulernen, es spielt auch keine Rolle, wie lange jemand getrennt ist (ja für mich würde es auch keine Rolle spielen, ob jemand überhaupt getrennt ist), sondern das Wesentliche sind die Gefühle und ihre Tiefe, die ja auch nicht zufällig auftreten oder gar, um einem zum Verhängnis zu werden.
Was etwa diesen Punkt betrifft, wie lange jemand schon getrennt ist: Es kann jemand formell seit einer Woche getrennt sein, emotional aber schon seit zehn Jahren. Umgekehrt kann jemand formell schon seit 10 Jahren getrennt sein, aber gefühlsmäßig noch gar nicht und vielleicht nie. Was davon ist denn nun aussichtsreicher?Wenn also so allgemein gesagt wird, jemand müsse so und so lange getrennt sein, damit man sich auf ihn einlassen dürfe, so ist das ein völliger Unsinn, der nach dem Zeitlichen ermessen will, was sich dem Zeitlichen vollkommen entzieht, nämlich die Gefühle.
Was ich sagen will, ist: Sind die Gefühle wirklich tief, so ist alles andere Nebensache. Und sind sie es nicht, zerplatzt eine Beziehung früher oder später ohnehin oder versandet zur bloßen Nebeneinander-Existenz, wird also nahezu in jeder Hinsicht wert- und sinnlos.
Da fällt mir gerade ein: Vielleicht könnte man diesen Red-Flags-Unsinn zumindest dazu verwenden, die Gefühlstiefe einigermaßen ermessen zu können. Behalten sie die Oberhand, werden sie nicht fortgerissen wie von einem Sturm, so sind oder waren die Gefühle allzu leichtgewichtig und somit unbedeutend.
Ich hoffe, ich konnte mich Dir einigermaßen verständlich machen und Du konntest ein wenig durch meine Brille (die übrigens kein Glas hat ) sehen.