Zitat von Elfie1: Wie gesagt, heute verstehe ich die Zusammenhänge und habe meinen Frieden damit gemacht. Trotzdem, verzeihen kann und will ich das nicht. Verzeihen muss er sich schon selbst. Ich habe mich zum Glück ohne Verzeihen von meinen Eltern lösen können und habe gelernt, für mich selbst einzustehen. Das was sie mir als Kind nicht geben konnten oder wollten, hole ich mir jetzt bei meinem Mann oder gönne es mir selbst. Das war mein Weg der Heilung. Ich hoffe, ich konnte es verständlich schildern.
Loslösen ohne Verzeihen. Verzeihen, dieses Wort mag ich nicht sonderlich, denn es hat für mich einen Beigeschmack, dass man sich über den Anderen erhöht. Ich bin so gnädig, dass ich es dir verzeihe. Es hat was Gönnerhaftes und sorgt für ein Ungleichgewicht der Kräfte.
Du bist das Kind und von daher nicht in der Position ihnen etwas zu verzeihen. Sie haben Dir immerhin das Leben gegeben, Dich aufgezogen und ernährt, Dich gekleidet und Dich gefördert. Dass da nicht alles perfekt ablief, liegt in der Natur der Sache. Familie ist oft etwas Schwieriges und niemanden kennt man so gut wie die Mitmenschen aus diesem System. Eltern können nur das weitergeben was sie selbst erfahren haben und das ist oft nicht viel.
Durch die Kindheit kommt eh keiner ganz unbeschadet und irgend etwas ist immer, was zwickt und nicht vergessen wird. Ich denke, man muss seinen Frieden damit machen, denn das meiste geschah ja nicht aus böser Absicht.
Dein Vater hat Dich sicher geliebt, konnte es aber nicht zeigen. Oder du hast etwas in ihm angesprochen, womit er bei sich selbst nicht klar kam.
Deine Mutter muss eine sehr starke Frau gewesen sein mit dieser Bürde aus dem Krieg. Schwer vorstellbar, dass sie das jemals verarbeiten konnte.
Statt Verzeihen würde ich lieber das Wort Nachsicht wählen. Ich sehe nach, dass nicht alles optimal lief und dass jeder das eingebracht hat, was er konnte. Verurteilen darf man das nicht, denn schließlich kamen auch die Eltern nicht unbeschadet durch die Kindheit bzw. haben oftmals traumatische Erfahrungen gemacht.
Jedenfalls ist es immer wieder auffällig, wieviele Parallelen sich zur Kindheit herstellen lassen. Die Beziehungsmuster die man bei den Eltern sieht, werden oftmals wieder abgespult.
Mein Vater war eher eine Art Gott für mich. Ich liebte ihn sehr, hatte aber oft das Gefühl, dass er mir fern blieb. Er war ja arbeiten und nahm dann noch einen Nebenjob an, nicht wegen des Geldes, sondern weil er dort seine ursprünglichen Berufswunsch sozusagen nachträglich kompensieren konnte. Er wäre gerne Berufsschullehrer geworden, denn gerade junge Menschen vertrauten ihm und er konnte sich ohne viel Gesumms Respekt verschaffen. Er konnte das nicht werden, weil es Geld gekostest hätte das nicht da war. Stattdessen musste er nach der Schule sofort eine Ausbildung machen und die Familienkasse aufstocken.
Tja, und genauso fern blieb mir später so mancher Mann. Er war zwar da, aber ich hatte immer das Gefühl, dass es zu wenig ist . Ich war süchtig nach Nähe, Hamonie, Übereinstimmung - und bekam sie nicht, zumindest nicht in dem Maße in dem ich es gewollt hätte. Ich empfand meist eine Kluft und ich war aufgrund meines Strebens nach Nähe immer in der untergeordneten Position. Der Mann bestimmte was er mir zuteilte. Traurig war das. Es hat sich erst in den letzten Jahren viel von dem Nebel gelichtet und ich sah besser was mich antrieb. Ich wollte die zu geringe Nähe zu meinem Vater ausgleichen und suchte mir dazu wieder Männer, die mir im Grund genommen fern blieben.
Es ist so interessant das zu sehen. Ich suchte mir praktisch unabsichtlich, aber vom Unterbewusstsein gesteuert die passenden Männer, mit denen ich das alles wiederholen konnte. Immer in der Hoffnung, dass dieses Mal das Defizit geheilt wird. Klappt natürlich so niemals.
Man muss tatsächlich lernen das zu erkennen und damit umzugehen.
Und in der Beziehung agierte ich wiederum wie meine Mutter, die sich auch oft erfolglos an meinem Vater, dem großen Schweiger, abarbeitete. Und ich lebte dann eben die Kindheitsverletzungen der Dressur in späteren Beziehungen nach. Daher Verlustängste, Versagensängste, Kleben bleiben bis zum bitteren Ende. Immer hoffte ich, ich würde gut genug sein, aber auch hier merkte ich immer wieder, ich war es nicht. Ich schaffte es nicht die zu sein die ich hätte sein sollen. Ich war ungenügend. Das hatte ich so verinnerlicht, dass ich auch das in Beziehungen trug, auch immer in der Hoffnung, dass das dieses Mal ausgeheilt wird. Dieses Mal wird es funktionieren, dieses Mal werde ich gut genug sein. Von wegen. Auch hier erlebte ich oft, dass ich eben doch nicht so gut war dass man bei mir blieb.
Ich war mal bei einem Therapeuten, der genau das Kindheitsthema ansprach. Ich wollte ja eigentlich über diesen miesen Verräter von AM reden, auf den ich so wütend war. Und als ich dort war sollte ich von meiner Kindheit erzählen. Aha, interessant, passte aber scheinbar nicht zum Thema.
Im Lauf des Gesprächs passierten mehrere merkwürdige Dinge. Der AM war auf einmal Nebensache, so als ob er völlig uninteressant wäre. Seltsam, dabei war er doch der Auslöser der Misere. Aber er stand sozusagen außen vor. Der Therapeut ging gar nicht groß auf ihn ein, weil er ja praktisch nur ein Symptom meiner Defizite war. Er hätte mich heilen sollen, das war mein geheimer Auftrag an ihn gewesen. Stattdessen verletzte er mich - immer wieder.
Stattdessen sollte ich meine Eltern anschauen und rekapitulieren, wie ich mich oft als Kind gefühlt hatte. Da kam sehr viel in Gang bei mir und ich merkte auf einmal, wie gesteuert ich von damals war.
Auch die völlige Obektivität des Therapeuten beeindruckte mich. Es gab keine Beurteilungen, über niemanden. Nicht über mich, nicht über den AM, der ja eh nicht wichtig war, nicht über die Eltern.
Es gab anscheinend kein Gut und Böse mehr. Es gab auch keinerlei Seelenstreicheln, hätte mir ja eh nicht geholfen. Die Dinge waren wie sie nun mal waren - ohne Beurteilung.
Und dann sagte er mir noch was: Wir leben immer das nach was wir kennen. War die Beziehung der Eltern zueinander schon schwierig, so schauen wir das ab und übernehmen es, völlig unbewusst. War auch die Eltern-Kind-Beziehung gestört, so hinterlässt das beim Kind Verletzungen, mit denen es nicht umgehen kann. Es sucht Hilfe, hat aber niemanden der wirklich hilft. Und so werden viele Dinge die nicht bewältigt wurden ins Unterbewusstsein verschoben. Da wo sie scheinbar nicht mehr weh tun. Aber gerade das steuert uns ganz maßgeblich, denn die verletzte Seele strebt nach Heilung. Sie kann das aber nicht aus sich selbst heraus und sie weist uns ja nie direkt darauf hin.
Sie kennt nur die Wiederholung. Wir wiederholen genau das was uns seit Jahren im Verborgenen quält, was immer noch da ist und so finden wir in Beziehungen, in denen genau das wieder geschieht. Und wieder fühlte ich mich klein, unverstanden, ungenügend - wie bei meiner Mutter. Ich war einsam und nicht wichtig, Was ich fühlte war nebensächlich. Ich fand zu wenig Verständnis und liebevolle Zuwendung und das wollte ich kompensieren und wandte mich an Männer, bei denen ich schon witterte, dass sie auf Distanz bleiben würden.
Diejenigen, die Interesse an mir hatten, interessierten wiederum mich null die Bohne. Gähn, langweilig, uninteressant. Was will der von mir? Ich will meine Ruhe. Logisch, denn an denen hätte ich mein Kindheitstrauma ja nicht nachleben können.
Der Therapeut sagte, es ist sehr wichtig, diese Dinge zu erkennen und sich damit zu befassen. Denn damit holen wir sie auf die bewusste Ebene und dort richten sie wesentlich weniger Schaden an als wenn sie uns aus dem Unterbewusstsein steuern. Da kann man anders damit umgehen. Er hatte Recht. Merkwürdigerweise fühle ich mich heute wesentlich gefestigter und geerdeter als früher. Irgendwie angekommen. Und ich weiß heute, dass ich was wert bin und damit steigt auch mein Wert in meiner Beziehung.
Schräg, aber man erntet das was man sät:
Wenn ich mir selbst nichts wert bin, werde ich nicht als wertvoll erachtet.
Wenn ich mich selbst nicht mag, mag mich auch kein anderer auf Dauer.
Wenn ich nicht glaube, dass ich liebenswert bin, werde ich gleichgültig oder abwertend behandelt und ernte das Gegenteil der erhofften Liebe.
Jedenfalls war dieser Therapeut sehr erhellend und hat viel in Gang gebracht. Im Lauf der Monate nach diesem Besuch bei ihm kam dann viel in Bewegung. Eins nach dem anderen ploppte auf und ich sah auf einmal viel klarer wie die Dinge lagen.
Und das verdankte ich dem AM, dieser miesen Ratte! Er war keine Ratte, er war nicht bösartig, aber er war selbst von seiner Familie stark beschädigt und konnte es nicht besser. Ich hoffe, er hat auch seine Frieden gefunden, aber wenn nicht, ist es mir auch egal. Und auch das ist richtig gut. Dieser Mann hatte mein Leben so dominiert, dass alles andere zweitrangig war. Kaum zu glauben, dass ich jemald von ihm loskommen würde. Aber es geschah einfach.
Und so kamen zwei Menschen zusammen, die ihre Defizite vom anderen heilen lassen wollten. Klappt nicht, denn dafür sind wir allein selbst zuständig.
Daher übe Nachsicht mit den Eltern. Verzeihen brauchst Du nicht, du bist kein Beichtvater, aber nachsichtig zu sein, tut auch gut. Das sorgt eben für den inneren Frieden den man oft vermisst.
Mann, was für ein Durcheinander!