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Warum ich endlich losgelassen habe

R
Ich (45) war fast ein Jahr mit einer Frau zusammen, nennen wir sie L.
Sie war ruhig, sanft, empathisch – aber innerlich extrem schwankend. Es gab wunderbare Phasen, in denen sie liebevoll, nahbar und warm war, und dann plötzlich wieder Tage und Wochen, in denen sie genervt war, sich distanzierte, zweifelte oder letztlich alles infrage stellte.
Ich hatte die Vermutung, dass sie vermutlich unter PMDS leidet – also einer hormonellen Störung, bei der sich Stimmung und Wahrnehmung im Zyklus stark verändern können.
In diesen Tagen fühlte sie sich wie eine andere Person. Und genau das zog sich wie ein roter Faden durch die ganze Beziehung: emotionale Ambivalenz, Nähe und Rückzug, Zuneigung und Zweifel – alles im Wechsel.
Ich dagegen bin jemand, der Nähe, Klarheit und Verbindlichkeit braucht, der lieber einmal zu viel redet als gar nicht. Und das war von Anfang an ein Spannungsfeld.
Ein weiteres Problem für mich war ihre Setzung von Prioritäten: Ich - und unsere Beziehung kamen erst ganz weit hinten.
Während ich oft dachte: „Komm, wir finden doch irgendwie Zeit füreinander,“ kam von ihr selten Eigeninitiative.
Ich war derjenige, der die Kilometer machte, insgesamt 9000km (eine Fahrt = 50km) fuhr – und sie war diejenige, die in ihrem Alltag blieb. Ich hätte mir manchmal einfach gewünscht, dass sie mal sagt: „Ich komme zu dir.“
Aber solche Momente blieben selten. Dreimal hat sie mich mit dem Zug besucht. Drei.Mal.

Wir haben uns auch dreimal getrennt.
Zweimal von meiner Seite, weil ich gemerkt habe, dass ich emotional mehr investiere als sie. Beide Male war sie es, die danach wieder auf mich zukam – mit der Bitte, es noch einmal zu versuchen. Und ich habe das natürlich sofort angenommen.
Ich dachte: Diesmal klappt’s. Diesmal verstehen wir uns wirklich.
Aber es war immer nur eine Wiederholung desselben Musters – Nähe, Distanz, Rückzug, Hoffnung, Wiederannäherung.

Beim dritten Mal war sie es, die sich trennte.
Ich hatte ihr vorher gesagt, dass ich Abstand brauche, wenn es so weitergeht, wollte ihr aber ein paar Tage zum Nachdenken lassen – in der Hoffnung, dass sie vielleicht erkennt, dass ihre Zweifel wieder nur eine Phase sind.
Doch zwei Tage später kam ihre Nachricht – das endgültige Aus.
Ohne Gespräch, ohne Blickkontakt, ohne Abschluss.

Ich war danach zwar nicht völlig am Boden, aber innerlich leer.
Ich hatte viele Gedanken, die ständig im Kreis liefen – dieses Gefühl, dass etwas offen geblieben ist. Ich dachte wieder oft an sie.
Das war keine Panik, eher so eine dauerhafte innere Unruhe, ein Nachzittern der Beziehung.

Irgendwann habe ich verstanden, dass ich in einer Dynamik festhing, die nichts mit echter Liebe zu tun hatte.
Es war eine emotionale Dauerspannung:
Ich suchte Sicherheit – sie suchte Abstand.
Ich wollte reden – sie wollte Ruhe.
Und jedes Mal, wenn sie wieder auf mich zukam, fühlte es sich an wie Rettung.
Aber in Wahrheit war es nur der Beginn derselben Schleife.

Ich habe Wochen gebraucht, um zu erkennen: Ich war nicht in einer stabilen Beziehung, sondern in einem emotionalen Pendel.
Ich war derjenige, der immer gehalten, erklärt, repariert hat. Und sie war jemand, der innerlich zwischen Sehnsucht und Flucht schwankte.

Heute sehe ich das Ganze klarer.
Ich weiß, dass ich nicht „die große Liebe verloren“ habe, sondern eine Beziehung, die mich ständig in Alarmbereitschaft gehalten hat.
Ich weiß jetzt auch: Jemand, der wirklich will, braucht keine Pausen, um zu spüren, ob er dich liebt.

Ich bin noch nicht völlig frei von ihr – aber ich bin ruhiger.
Die Trigger werden seltener, und ich kann sie benennen, ohne dass sie mich mitreißen. Das Grübeln hält sich dadurch inzwischen in Grenzen.
Ich weiß, dass ich mich da Schritt für Schritt rausarbeite.
Und ich weiß, dass ich in Zukunft keine Frau mehr „retten“ will – ich will mit jemandem auf festem Boden stehen.

Wenn du das liest und dich gerade in derselben Lage befindest:
Es ist keine Schande, jemanden zu lieben, der innerlich schwankt.
Aber es ist wichtig zu erkennen, dass du nicht die Aufgabe hast, ihn zu stabilisieren.

Danke!

08.10.2025 21:02 • x 46 #1


Talia_
Zitat von Ruebezahl:
Es ist keine Schande, jemanden zu lieben, der innerlich schwankt.
Aber es ist wichtig zu erkennen, dass du nicht die Aufgabe hast, ihn zu stabilisieren.

Wundervoll

08.10.2025 21:06 • x 8 #2


A


Warum ich endlich losgelassen habe

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S
Zitat von Ruebezahl:
Danke!

Ebenso danke, Ruebezahl!

08.10.2025 21:08 • x 7 #3


Sonnenschein85
Danke für den Text. Er hilft sicherlich einigen hier.

08.10.2025 21:16 • x 9 #4


Laetitia2024
Guter Beitrag! Bestimmt sehr erhellend für einige.

08.10.2025 21:36 • x 7 #5


J
Auch von mir ein herzliches Dankeschön! Mir ist es ähnlich gegangen. Ich habe Nähe gesucht, wurde auf Abstand gehalten, und wenn ich den Abstand akzeptiert habe, kam sie wieder auf mich zu. Und wenn ich dann wieder auf sie zugekommen bin, wurde ich wieder weggedrückt … and so on. Tut gut zu erfahren, dass man nicht allein ist.

08.10.2025 21:46 • x 9 #6


GreenTara
@Ruebezahl
Ich finde es sehr wertvoll, dass du dein Erkennen hier teilst. Ein sehr hilfreicher Beitrag. Lieben Dank.

08.10.2025 21:58 • x 9 #7


S
Danke für deinen Beitrag!

Für mich hört sich das nach einer großen Bindungsangst an.

Ich habe ebenfalls so eine Beziehung zwischen Nähe und Distanz erlebt.
Ein ewiges Gummiband, was mich an ihn rangezogen hat und er flitschte mich wieder von sich weg.

Diese Ambivalenz hat mich fertig gemacht.
Je mehr er sich distanzierte, desto unsicherer wurde ich und hab seine Nähe gesucht.

Wenn ich irgendwann die Nase voll hatte, kam er auf mich zu.
Ein hochemotionaler, dauerhafter Ausnahmezustand!

Körper, Geist und Seele im ständigen Ungleichgewicht.

Er hat mich belogen und betrogen. Ich durfte dann auch noch ihm geliehenes Geld per Gerichtsvollzieher wieder zurück holen lassen.

Ein Kampf, der nach Beendigung der Beziehung nochmal 2 Jahre gedauert hat und mir den Glauben an den passenden Partner lange zerstört hat.

Nur durch aufarbeiten meiner eigenen Muster bin ich schlauer geworden über die Dynamik.

09.10.2025 05:21 • x 9 #8


Plague
Zitat von Ruebezahl:
Es gab wunderbare Phasen, in denen sie liebevoll, nahbar und warm war, und dann plötzlich wieder Tage und Wochen, in denen sie genervt war, sich distanzierte, zweifelte oder letztlich alles infrage stellte.

Ist PMDS jetzt die neue Entschuldigung für eine emotional-instabile Persönlichkeit?

09.10.2025 05:29 • x 7 #9


S
Zitat von Ruebezahl:
Ich (45) war fast ein Jahr mit einer Frau zusammen, nennen wir sie L. Sie war ruhig, sanft, empathisch – aber innerlich extrem schwankend. Es gab ...


Glaub dass dein Text sehr auf mich zutrifft. Nur in einer anderen Intensität. Danke

09.10.2025 05:35 • x 2 #10


R
@Plague Nein, sicher nicht. Es war auch nur eine Vermutung, da es schon fast exakt planbar war und auch körperliche Symptome mit sich brachte.

09.10.2025 05:59 • x 4 #11


A
Ein toller Beitrag und ich danke dir dafür. Lese seit über zwei Jahren still mit und habe mich heute hierfür extra angemeldet. Schreiben als Gast war leider nicht möglich.

Ich habe es ebenfalls erlebt und kann alles so unterschreiben, wie du es beschrieben hast. Der Unterschied zu mir war, dass sie mich aus ihrem Leben gänzlich ausgeschlossen hatte und dafür, wenn überhaupt, sie bei mir war. Es hat mehr mit Bindungsängsten zu tun, meiner Meinung nach, wie es bereits jemand hier geschrieben hat.
Ich hatte sie auch unfassbar geliebt und ich denke, dass sie es zum Teil irgendwie auch tat, aber es war im Nachhinein betrachtet die Hölle. Es ist, wie du schon sagst, nicht deine Aufgabe, sie zu retten oder zu heilen. Das können sie nur selbst.

Es dauert lange, bis man geheilt ist und auch heute, fast drei Jahre danach, gibt es Momente und Situationen, die mich immer noch triggern, aber wie du schon sagst, kennt man die und kann diese auch benennen.
Ihr Abgang war in meinem Fall genau wie bei dir. Heute bin ich froh und glücklich, dass es vorbei ist. Es war eine furchtbare Zeit, sowohl während, aber noch schlimmer finde ich, die Zeit nach der Beziehung. Heute bin ich endlich glücklich, trotz der kleinen und kurzen Momente alle naselang. Es ist aber mehr so ein Grübeln, ohne wirkliches Gefühl, Vermissen, oder Schmerz. Mehr so ein Alter, wieso hast du nicht die Augen aufgemacht? Es war so klar.

Ich wünsche dir alles Gute!

09.10.2025 12:15 • x 8 #12


R
@Aletheos ich hatte das Gefühl, dass meine Verlustängste und das nach Grübeln während der Beziehung schlimmer waren, als jetzt danach. Das ging auch schon sehr früh los. Es gab schon einige Red Flags beim kennenlernen. Zu dem Zeitpunkt habe ich gedacht, dass es daran liegt, dass ich sehr lange Single war.

Und ja, ich war auch mehr oder weniger aus ihrem Leben ausgeschlossen. Ich habe nie Freunde von ihr kennengelernt, ebenso auch nicht ihre Familie.
Meine Ex hat selber zwei Kinder, das jüngere Kind (6) hat jedes Beisammensein in irgendeiner Art und Weise gestört oder sabotiert. Ein gemeinsamer Urlaub war die Hölle. Und ja, natürlich sollte das Kind bei seiner Mutter die oberste Priorität sein, aber bedürfnisorientierte Erziehung sollte nicht heißen, dass das Kind 24/7 alles entscheidet und dominiert und alles Andere untergeordnet wird. Das wurde zunehmend ein Thema und ich habe schon gar nichts mehr gesagt, weil ich keinen Konflikt schüren wollte. Konfliktfähigkeit war bei ihr nämlich auch so nicht vorhanden, sie sagte immer, dass sie alles mit sich selber ausmacht. Und wenn es Konflikte gab, dann war meine Meinung die falsche und im Endeffekt hat sie mir noch ein schlechtes Gewissen eingeredet.

Danke und Dir auch alles Gute!

09.10.2025 12:31 • x 5 #13


A
Zitat von Ruebezahl:
Es gab schon einige Red Flags beim kennenlernen.

Ja, diese gab es bei mir auch. Ich habe mich vor Liebe, oder das was ich in dem Moment dachte zu fühlen blenden lassen und alle Flaggen einfach so beiseite geräumt als wären sie nicht existent


Zitat von Ruebezahl:
Ich habe nie Freunde von ihr kennengelernt, ebenso auch nicht ihre Familie.

Dito


Zitat von Ruebezahl:
Meine Ex hat selber zwei Kinder

Das hatte meine auch. Zwei tolle Kinder, in die ich mich genauso verliebte wie in sie. Ich dachte ich wäre glücklich, glücklicher sogar, würde ich mich doch nur etwas mehr anstrengen, mich bemühen. Dann würde sie es endlich erkennen.


Zitat von Ruebezahl:
Und wenn es Konflikte gab, dann war meine Meinung die falsche und im Endeffekt hat sie mir noch ein schlechtes Gewissen eingeredet.

Schuldumkehr

09.10.2025 12:43 • x 4 #14


R
@Aletheos Das ist schon krass, was das mit einem macht. Oder besser gesagt, was man mit sich machen lässt. Dabei möchte man nichts anderes, als eine harmonische Beziehung und Stabilität.

09.10.2025 12:47 • x 4 #15


A


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