Liebe Albträumchen,
ich find's gut, dass Du mal 4 Tage rauskommst. Sich aus einer solchen Ehe herauszuziehen, geht nicht über Nacht.
Dreh- und Angelpunkt ist tatsächlich eine Wohnung für Dich und die Kinder, die bezahlbar sein muss und einzugsbereit, bevor Du ihm überhaupt irgend etwas sagst.
Apropos Kommunikation:
Ich kann mir vorstellen, wieviel Erleichterung es Dir bringen würde, ihm auch mal einen beizupuhlen und ihn mit Sprüchen so zu verunsichern, wie er Dich destabilisiert.
Aber wenn Du es irgendwie schaffst, diesen Impuls zu unterdrücken, ist das für Dich nur von Vorteil. Jede Info an ihn, vor allem Infos mit Vorlauf(!), Vorankündigungen, Drohungen, sind brandgefährlich. Der wird sich einen Sport draus machen, Deine Pläne zu durchkreuzen, um Dir zu zeigen, dass nur er die Macht über Wohl oder Verderben, Bleiben oder Gehen in eurer Ehe hat.
Zum Kurzurlaub: Ich würde ihm am Abend des Vor-Vortages der Abreise sagen, dass Du spontan mit den Kids an die Ostsee fährst. In aller Regel kommt dann sowas wie Was soll das denn nun wieder?! Mein Auto bekommst Du dafür aber nicht. Sag dann, ohne Emotion in der Stimme, dass Du das auch nicht benötigst. Und lass Dich nicht beirren.
Ich weiß nicht, ob Du gut lügen kannst, aber wenn das geht, würde ich ihm sagen, dass Du mit einer Freundin und ihren Kindern fährst. Er wird auch genau wissen wollen, wo ihr hinfahrt, mit wem, etc. Nenn ihm dann eine Ferienwohnung im Nachbarort. Nur zur Sicherheit. Ja, das fliegt später bestimmt über die Kinder auf. Aber es geht darum, dass Du die 4 Tage wirklich entspannen kannst und er nicht plötzlich auf der Matte steht.
Über Trennung sprich bitte gar nicht mehr mit ihm. Meine Glaskugel sagt, dass er die von Dir ausgesprochene einfach unter den Tisch fallen lässt und selbst wieder dann und wann mit Trennungsdrohungen ankommen wird. Denn wenn sich hier irgendwer trennt, dann nur er von Dir, nicht umgekehrt. Lass ihn ruhig in dem Glauben. Es ist sicherer, wenn Du hinsichtlich Trennung, Auszug und Scheidung keinerlei Ankündigungen machst.
Kennst Du noch das alte Meme vom stets freundlichen, etwas schweigsamen Familienvater, der nur mal eben Zigar*tten holen geht, Schlüssel und Portemonnaie mitnimmt und einfach nicht wiederkommt? So in etwa wird das bei Dir ablaufen müssen, damit er nicht sein Trumpf-As zieht, dass Du ja gerne gehen kannst, aber die Kinder nicht mitnehmen darfst. Daran sind schon viele Frauen zerbrochen und haben sich gefügt.
Den Anwaltstermin hast Du ja bereits. Der ist der erste Schritt. Hoffentlich kannst Du da schon Steuerbelege und Kontoauszugskopien mitnehmen, damit Du zeitnah nach dem Termin weißt, mit welchen Mitteln aus der Ehe Du theoretisch rechnen kannst. Rein praktisch wird Dein Mann nach der Trennung erstmal nichts zahlen, bis die Unterhaltsbeihilfe oder Dein Anwalt ihn zwingt. Daher musst Du zunächst die bereits vorhandenen Ressourcen sichten: Wieviel Barvermögen Dir direkt zur Verfügung steht, ob Familie oder Freunde etwas leihen können oder ob Du z.B. an einen Konsumkredit herankommst. All diese Vorbereitungshandlungen musst Du unter absoluter Diskretion durchführen. Vielleicht besorgst Du Dir ein zweites Handy, auf dem Du Infos abspeichern und Screenshots machen kannst, in die er nicht eingreifen (sie erfahren oder löschen) kann. Das Handy, sowie die Kopien der gemeinsamen Unterlagen und z.B. des neuen Kreditvertrags oder Mietvertrags deponier bitte an einem Ort, den er nicht erreichen kann. Vielleicht ja ein abschließbarer Rollcontainer an Deinem Arbeitsplatz? Oder bei einer Freundin, die ihn nicht kennt? Zur Not ein angemieteter Spind in einem Sportverein o.ä.
Dann stellt sich die Frage, wo ihr nach der Trennung hinkönnt. Eine eigene Wohnung wäre ideal. Ist aber mit Kaution, Miete, Einrichtung und vielen neuen Sachen (ihr werdet vermutlich nicht viel aus der Ehewohnung mitnehmen können) die teuerste Lösung und vielleicht nicht sofort erreichbar. Pensionen, Ferienhäuser, Zwischenmieten möblierter Wohnungen und der Hobbykeller bei Familie oder Freunden sind auf Zeit auch eine Zwischenlösung. Sammel Informationen dazu, sieh Dir Deine Optionen an und informiere auch Deinen Anwalt, dass ein Auszug vermutlich nur in einer halblegalen Nacht- und Nebelaktion ablaufen kann.
Hast Du Familie und (eigene) Freunde oder Kollegen, die Dir theoretisch beim Expressauszug helfen könnten (auch wenn die Scheu, sie darum zu bitten, vermutlich sehr groß sein wird. Ich würde sie auch erst kurzfristig vor Deinem Auszugsdatum einweihen.)?
Bereite das Absprungszenario im Verborgenen vor und sei ihm und den Kindern gegenüber so wie immer, bis es soweit ist. Ich kenne Geschichten von Frauen, die wegen geringer eigener Einkünfte über anderthalb Jahre hinweg ihre Auszugstrennung geplant, angespart und organisiert haben und sich bis zum letzten Moment nichts haben anmerken lassen.
Am Tag X, als die neue Wohnung schon mit Schlafgelegenheiten, Küche und einem Tisch ausgestattet war und der Anwalt die passenden Schreiben (Trennungsdeklaration, Unterhaltsforderung, Vorschlag zum Umgangsrhythmus) parat hatte, wurden die Kinder zur Schule gebracht, der Mann ging arbeiten, eine Freundin fuhr mit Kleinvan und Umzugskartons vor, es wurde in Windeseile das Nötigste gepackt und in die neue Wohnung gebracht und die Anwaltsschreiben samt Hausschlüssel in den Briefkasten geworfen. Ging in deren Ehen nicht anders. Die Gefahr, dass die Männer die Frauen nicht gehen lassen, war zu groß.
Ob Du letztendlich Deinem Mann Deinen Auszug eine Woche vorher, einen Tag vorher oder gar nicht ankündigst, wirst Du selbst einschätzen können, wenn Du erstmal soweit bist, dass Du etwas hast, wo Du nach einer letzten Trennung hingehen und bleiben kannst. Jetzt geht es erstmal um die mentale und organisatorische Vorbereitung, die er nach Möglichkeit nicht bemerken sollte.
Schau auch schon mal, wie Du nach der Trennung Deine Teilzeit aufstocken oder mit einem kinderkompatiblen Nebenjob ergänzen kannst. Du wirst das Geld brauchen.
Und schau auch nach psychotherapeutischen Hilfsangeboten für Dich und die Kids nach der Trennung.
Auch alle Tabs und Unterlagen hierzu, die notierten Telefonnummern etc. bitte sicher außerhalb der Ehewohnung verwahren.
Vielleicht geht jetzt alles ganz schnell oder zieht sich noch über Monate. Aber Schritt für Schritt kämpfst Du Dich da raus, da bin ich mir sicher.