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Es fühlt sich an wie sterben

T
So beginnt das Sterben von der, die ich war. Ich fühle es. Anders als zuvor.
Ob es jetzt die richtige Entscheidung war, mich noch mal bei ihm zu melden? Ihm zu sagen, dass ich zu allem bereit bin, um die Beziehung zu retten? Dass ich mit ihm zusammen sein will, auch wenn es eine andere gibt? Ist das Selbsterniedrigung?

Ich will nicht mit dir verheiratet sein. Ich will nicht in der Wohnung sein.

Wieso bringt er es dann nicht über die Lippen? Wieso sagt er nicht Es ist aus. Ich kann es nicht sagen. Ich dachte, ich kann und ich habe es letzte Woche gesagt, aber ich fühle es nicht. Jede Faser meines Körpers schreit nach ihm. Wieso muss ich dann sagen, dass es uns nicht mehr gibt? Wenn es das Letzte ist, was ich will auf dieser Welt.

Ich will keine Nähe zu dir. Sie ist keine Flucht. Das ist was Tieferes. Ich will jemanden, der mich nicht braucht und den ich nicht brauche.

Vielleicht gab es für mich keine Alternative, als bis zum Alleräußersten zu gehen. Keine Alternative dazu, mich ihm bis auf die Knochen auszuliefern. Egal wie, bitte geh einfach nicht. Ich akzeptiere alles. Ich gebe mich völlig hin und auf und es reicht trotzdem nicht.

Er wird es sagen. Das wars. Über kurz oder lang. Und vielleicht muss das so sein, vielleicht kann ich es sonst einfach nicht glauben. Es wäre schön gewesen, diese Stärke zu haben, selbst den Schlussstrich zu ziehen. Aber ich kann es nicht. Ich muss hier ausharren, darauf warten, dass er sagt, von dem ich weiß, dass es kommt, unvermeidlich.

Mancher wäre enttäuscht von mir, weil ich schwach geworden bin. Dass ich nicht hart geblieben bin, dass ich ihn so lange nicht loslassen kann, bis er mir mit aller Wucht den letzten Stoß über die Klippe gibt. Ich stehe ja schon am Rand. Aber ich bereue es nicht. Weil ich nicht anders konnte. Ich werde es für mich behalten. Der Therapeut darf es wissen, sonst niemand. Und diese Unehrlichkeit fühlt sich richtig an.

So beginnt das Sterben von der, die ich war. Ich muss nicht nur ihn loslassen. Sondern auch mich mit meinem abhängigen Herzen. Meine Träume, meine Vorstellungen von einem Leben, von Glück. Ich habe in meinem persönlichen Paradies gelebt, jahrelang. Vielleicht kann man glücklicher nicht sein. Wie oft habe ich mir gedacht Ich könnte jetzt eigentlich sterben, ich habe so viel Glück erlebt. Oder So könnte es für immer weitergehen, Millionen Jahre.

Ich werde hier nicht rauskommen als die, die ich war. Dafür ist es zu gewalttätig, traumatisch, zu schnell passiert. Von einem auf den anderen Tag. Und ich verliere nicht nur ihn, sondern eine ganze Familie, die meine geworden ist. Mehr Familie als meine eigene. Wieso hat er mich so ins offene Messer laufen lassen? Zugelassen, dass ich in ihm aufgehe, in seinen Menschen, seinem Leben? Wieso 9 Jahre, wieso Ehe? Wenn er wusste, dass er doppelgesichtig ist, Betrug von Anfang an.

Das Drängende. Hätte ich mehr tun können? War ich nicht schön, aufregend, ero. genug? Wäre das passiert, wenn ich mehr hätte sein können, was sie jetzt für ihn ist? Ich habe es nicht kommen sehen. Mein abhängiges Wesen, das Kind in mir, das jetzt schreit, hat ihn all das weggetrieben? Ist es alles meine Schuld?

Es ist in meiner DNA, Sucht nach Zweisamkeit. Er hat das Loch gefüllt, so lange Zeit. Und ich war so unendlich glücklich. Auf diese Art werde ich nie wieder glücklich sein. Das stirbt mir mir. Es muss sterben. Sonst kann ich das nicht überleben.

07.03.2022 16:02 • x 8 #1


S
Zitat von Talula88:
Auf diese Art werde ich nie wieder glücklich sein. Das stirbt mir mir. Es muss sterben. Sonst kann ich das nicht überleben.

.... und Dich neu finden, wieder glücklich werden!

Alles Liebe für Dich!

07.03.2022 16:11 • x 1 #2


A


Es fühlt sich an wie sterben

x 3


N
Hallo

Lies mal bitte den Thread von @michel8897 durch.

Ich denke du bist nicht allein, was deinen Zustand angeht.

Das Forum ist da für dich, du kannst dich hier fallen lassen.

07.03.2022 16:12 • x 1 #3


T
Mein Problem ist, dass ich vorher nicht glücklich war. Ich war alleine noch nie glücklich. Und dieses Wissen macht mir eine wahnsinnige Angst.

Danke dir für deine Worte. Es ist alles so frisch und der Schmerz ist wahnsinnig schlimm.

07.03.2022 16:18 • x 2 #4


T
Zitat von Nur-ein-Mensch:
Hallo Lies mal bitte den Thread von @michel8897 durch. Ich denke du bist nicht allein, was deinen Zustand angeht. Das Forum ist da für dich, du kannst dich hier fallen lassen.


Kannst du genauer sagen, welcher Thread? Wenn ich auf seine Profilseite gehe, weiß ich nicht, wo weiter hin.

Ich werde versuchen, meine Geschichte aufzuschreiben. Ich bin gerade ganz am Anfang und es tut einfach schlimmer weh als alles, was ich je erlebt habe.

07.03.2022 16:20 • x 1 #5


N
Zitat von Talula88:
Mein Problem ist, dass ich vorher nicht glücklich war. Ich war alleine noch nie glücklich. Und dieses Wissen macht mir eine wahnsinnige Angst. ...

Sehr viele haben, Probleme alleine glücklich zu sein, wobei ich eher sagen würde das es wichtiger ist zufrieden zu sein.

Und frisch ist ausserdem bei dir noch alles.

Aber es wird besser, versprochen.

Du wirst noch eine Menge Tipps bekommen, wenn du dir diese zu Herzen nimmst, wird es auch für dich wieder besser.

07.03.2022 16:23 • #6


T
Zitat von Nur-ein-Mensch:
Du wirst noch eine Menge Tipps bekommen, wenn du dir diese zu Herzen nimmst, wird es auch für dich wieder besser. ...

Ich bin offen. Ich bin gerade in diesem Zustand: Entweder lege ich mich zum Sterben in die Ecke oder bewege mich irgendwie weiter, Sekunde für Sekunde.

07.03.2022 16:25 • x 2 #7


N
trennungsschmerzen-bringen-mich-langsam-um-t66774.html

Das ist der Thread,

Auch er ist schwer getroffen, aber immernoch hier.

07.03.2022 16:26 • x 1 #8


N
Nein du wirst bitte nicht sterben wollen.

Schreib bitte erstmal deine Geschichte hier auf, dann sehen wir weiter.

07.03.2022 16:27 • x 2 #9


S
Talula,

Du hast, wenn ich das richtig verstehe, bereits Angst vor der Angst, allein zu sein?

Hast Du ein Haustier? Kennst Du Möglichkeiten, Dich zu stabilisieren, wenn Dir alles über den Kopf wächst?
Z.B. autogenes Training, Meditation, Yoga, ein warmes Bad, eine Wärmflasche, ect.?

Wäre ein Gang zum Hausarzt eine Hilfe, der Dir evtl. für den Übergang etwas verschreibt?
Eine Liste mit Dingen, die Du schon immer machen wolltest und die auch allein Spaß machen?

Nur Mut! Du schaffst das!

07.03.2022 16:29 • #10


T
Seit 6 Wochen ist mein Leben, so wie es war, vorbei. Ich habe das Bedürfnis, aufzuschreiben, was mir passiert ist. Ich weiß gar nicht genau, was ich mir davon erhoffe - ich habe aber beim Querlesen im Forum schnell gemerkt, wie sehr sich die Geschichten ähneln und man merkt, dass man in diesem unsäglichen Schmerz nicht alleine ist. Auch, wenn man wohl immer denkt, die eigene Liebe und Geschichte ist größer, einzigartiger und das Aus unendlich viel schmerzhafter als bei allen anderen. Ich fürchte, es wird lang.

Ich bin 33 Jahre alt, wir waren bald 9 Jahren zusammen, seit fast 3 Jahren verheiratet. Kennengelernt haben wir uns im Studium. Wir haben beide was Künstlerisches studiert, was er zu seinem Beruf gemacht hat, ich nicht. Er ist kein normaler Typ und das ist nicht nur meine Einschätzung. Kreativ, extrovertiert, ein Geschichtenerzähler, gestaltet Situationen und macht aus jedem Moment was Besonderes. Im Job wird er bewundert und ist sehr talentiert. Ich habe ihn 9 Jahre lang immer dafür bewundert, was er kann. Er sieht sehr gut aus, ist charmant und immer der Mittelpunkt des Geschehens. Die Kehrseite: Er ist ein extremer Typ, manchmal auffällig, nicht immer der Situation angepasst, nicht jeder findet ihn toll, sondern eher nervig, er reißt wohl das Gespräch oft an sich. Wie gesagt, ich fand ihn immer einfach nur toll. Habe das zwar wahrgenommen, dass andere ihn ambivalent sahen, das aber irgendwie nie nachvollziehen können. Für mich war er der Märchenprinz. Andere halten ihn für einen Narzissten.

Ich bin vom Wesen her ein abhängiger Mensch, von ihm war ich es wohl von Anfang an. Ich hatte schon als Teenager mit Depressionen zu kämpfen und war schon immer auf seine verzweifelte Art unglücklich verliebt. Ich weiß nicht, woher das kommt (vermute, da spielt was Transgenerationales mit, meine Mutter hat eine ähnliche Geschichte erlebt und ist nie wieder glücklich geworden), aber ich habe mein Glück immer in der Zweisamkeit gesucht. Ganz am Anfang, als wir uns gerade kennengelernt hatten, als wir nur hin- und hergeschrieben haben, hat er sich plötzlich eine Woche nicht gemeldet. Das hat mich ungelogen in eine depressive Phase gestürzt. Zu einem Zeitpunkt, als wir noch gar nicht zusammen waren. Als er dann geantwortet hatte, war das Gefühl weg, wie von Zauberhand. Und zwar im Großen und Ganzen die nächsten 9 Jahre.

Unsere Beziehung war immer intensiv. Er hat mir nach einem Monat einen Antrag gemacht. Von Anfang an war klar: Das ist die ganz große Liebe. Das war unser Narrativ, insbesondere er hat es immer nach außen getragen und nie in Zweifel gezogen. Wir hatten keine größere Krise. Ich bin extrem in seine Familie eingebunden (meine ist eher versprengt), wir haben während Corona dort quasi gelebt. Die letzten vier Jahre haben wir im selben Betrieb gearbeitet, wir hatten auch gemeinsame Projekte. Wir haben immer viel in die Zukunft reingeplant, vielleicht ein Tiny House, Kinder, eingebunden sein in das familiäre Umfeld. Unser Alltag war schön, wir haben unendlich viel geredet, gelacht, unternommen. Allerdings, und das merke ich jetzt in aller Härte, war er auch dominant, was Pläne, Urlaube, Freizeit angeht und ich habe das genossen. Darüber bin ich, was so etwas angeht, allerdings auch passiv geworden und fühle mich insbesondere auch deswegen jetzt wie amputiert. Ich habe leider sehr durch ihn gelebt. Sein spannender Job, viele Begegnungen, Reisen, alles durch seine begeisterten Augen, es war ein Traumleben für mich.

Ich habe auf der anderen Seite viel Bodenhaftung in die Beziehung gebracht, er ist ohne mich ein Chaot gewesen, Finanzen, Behördendinge, Geburtstage, so was hat er einfach nicht hinbekommen. Seine Dokumente habe ich in mühsamer Kleinarbeit aus Tüten und Kisten in Ordner sortiert, als wir zusammengezogen sind. Er hat noch nie selber eine Steuererklärung gemacht. Er bezeichnet sich selbst als Hallodri, Haiopai, andere sagen, er sei ein Quatschkopf. Ich dachte immer, wir wären der perfekte Match. Er hat auch eine sehr häusliche Seite, kommt aus dem ländlichen Raum, ist irgendwie total tüchtig, was Handwerkliches angeht. Er ist wahnsinnig kommunikativ, mit ihm kann man stundenlang quatschen. Ich könnte für immer weiterschreiben. Jedenfalls waren wir wahnsinnig eng, aufeinander eingeschossen und ich habe wirklich geglaubt, uns könnte nichts auseinanderbringen. Da hat kein Blatt Papier zwischen gepasst. Wir waren symbiotisch. Unsere Hochzeit war ein magischer Tag, viele Gäste sagen, die schönste Hochzeit, auf der sie je waren.

Nach langen Überlegungen habe ich mir einen neuen Job gesucht, da mein bisheriger Job zwar spannend, aber nichts für die Ewigkeit war, da schlecht bezahlt und befristet. Der Gedanke: Ich suche was unbefristetes, besser bezahltes, in der Nähe seiner Familie. Dann könnten wir in einem Jahr versuchen, ein Kind zu bekommen. Er hat seinen festen Job ab Sommer auf Teilzeit reduziert und wollte dazu freiberuflich was aufbauen, sagte aber immer wieder, dass er sich aufs Hausmannsein freue, er würde mich jeden Tag bekochen etc. Das war alles wohlüberlegt, lange Pro-Contra-Listen, er hat NIE erwähnt, dass irgendwas nicht stimmt. NIE. Noch ein paar Tage, bevor der ganze *beep* losgegangen ist, hat er mir ewiglange Sprachnachrichten geschickt, wie sehr er sich auf unser Leben freut, wie er es kaum erwarten kann.

Als wir quasi schon im Umzug steckten (ich war seit zwei Monaten schon in der neuen Stadt, habe dort gearbeitet und im AirBnb gewohnt), wurde ich misstrauisch, als er gehäuft über eine Kollegin gesprochen hat. Ich kenne ihn ja nun mal sehr gut und habe ihn direkt gefragt Hast du dich verliebt? Er hat kurz gezögert und dann geantwortet Wäre das schlimm?, so im Sinne von Das kriegen wir schon hin. Er hat also was mit einer Frau angefangen (er sagt, es wäre bisher Knutscherei gewesen, aber wer weiß das schon).

Die nächsten drei Wochen waren eine absolute Katastrophe, die ich gar nicht richtig zusammenbekomme. Wir hatten einige lange Dramanächte mit langen Diskussionen, Weinen, Vorwürfen, im Prinzip ist aber alles nach und nach in sich zusammengebrochen. Aus Das bedeutet nichts wurde innerhalb kürzester Zeit Es ist ernst, dann Ich weiß nicht, ob ich so eine Art Beziehung wie mit dir überhaupt führen kann, Ich will keine Verantwortung für einen anderen Menschen (sprich: mich), Ich weiß gar nicht, was mich überhaupt an dich bindet. Später dann Ich will mich noch mal verlieben, ich will das andere Frauen mich bewundern, Das Leben ist kurz und das treibt mich von dir weg, Vielleicht will ich auch nach Berlin ziehen und tanzen gehen und schw*l werden!, Ich will gar keine Kinder, D. (seine Affäre) ist aus demselben Holz geschnitzt wie ich, sie bringt was zum Klingen in mir, Ich sehe keine Zukunft für uns, Ich fühle nichts mehr für dich und auch solche Sachen wie Müssen wir denn eine Liebesbeziehung haben?, Wir können doch jetzt anderthalb Jahre durch die Weltgeschichte blödeln und dann Kinder kriegen. Am Ende stand aber immer Ich sehe keine Perspektive für uns, ich will keine Nähe zu dir, die Jahre waren schön, jetzt ist es vorbei.

Mein Zustand war einfach nur furchtbar. Panikattacken, ich musste Beruhigungstabletten nehmen, ich kann überhaupt nicht beschreiben, in was für eine Hölle ich gestürzt bin. Ich dachte zwischendurch, ich werde verrückt, ich muss mich umbringen, es war einfach nur der pure Horror. Ich war zweieinhalb Wochen krankgeschrieben, mein Bruder hat mich aufgenommen, ich war einfach in einem völligen Ausnahmezustand.

Den Umzug haben wir dann noch zu zweit gemacht, mein Mann und ich, vielleicht der schlimmste Tag in meinem Leben. Er hat mir die Sachen quasi in die Wohnung gekippt und war dann weg. Seine Idee: Er würde jetzt 10 Tage weggehen und mir dann mitteilen, ob er mich verlässt, oder noch bereit wäre, an der Beziehung zu arbeiten. Ich hatte mir in der Zwischenzeit für mich selbst einen Therapeuten gesucht, der anbot, ein moderiertes Gespräch mit uns beiden zu führen, da er auch der Meinung war, es wäre eine Zumutung, wie mein Mann sich verhält.

Also habe ich meinen Mann angerufen, um ihm davon zu erzählen. Bei diesem Gespräch kam dann raus, dass er mir nicht zum ersten Mal nicht treu war. Dass er mehrmals fremd geknutscht hat und mit zweien auch im Bett war. Dass er nicht anders kann, weil er die Bestätigung braucht und den Kontakt, die Bewunderung. Komischerweise war das alles in den ersten beiden Jahren unserer Beziehung. Irgendwie hat mich das nicht so sehr getroffen, wie ich gedacht hätte. Es war mehr so, dass es fast eine Erleichterung war. Der Wurm war von Anfang an drin. Es liegt nicht an mir, er ist einfach so, das wäre mit jeder anderen auch irgendwann passiert.

Auf das Gespräch mit dem Therapeuten hat er sich nur widerwillig eingelassen. Es waren zwei sehr anstrengende Stunden, seine Kernaussage: Wenn ich mich jetzt entscheiden muss, gehe ich. Woraufhin der Therapeut vorgeschlagen hat, ein Moratorium zu versuchen, um diese Entscheidung wohl zu überlegen: Eine Bedenkzeit von drei Wochen, in denen man sich selbst, die Beziehung reflektiert, um dann entscheiden zu können. Wichtig: Keine Ablenkung, auch nicht durch die Affäre. Wir sollten beide drei Tage überlegen, ob das eine Option wäre. Entschieden uns dann für Ja, wir versuchen es.

Er hat es eine Woche ausgehalten. Dann hatte er wieder was mit der Frau, was er mir auch gestanden hat. Da hatte ich das Gefühl, dass es einfach alles vergebens ist. Dass er mich nicht mehr will, dass er mich loswerden will, dass er einfach zu feige ist, es auszusprechen. Dass er keinen Respekt hat vor unserer Beziehung, vor mir, dass es sowieso zuende geht. Da habe ich beschlossen, es zu beenden. Habe ich auch getan, letzte Woche Donnerstag. Habe ihm gesagt, dass das die Trennung ist, dass er die Beziehung zerstört hat durch sein Verhalten und seine Worte, dass ich die Scheidung will und nur noch über Email Kontakt über Organisatorisches.

Heute habe ich mich mit seiner Mutter getroffen, mit der ich ein sehr enges Verhältnis habe. Mir ging es darum, klarzustellen, dass ich nicht verlassen habe, sondern er mir keine Wahl gelassen hat. Das Gespräch lief aber anders und in mir keimte plötzlich wieder eine Hoffnung, dass wir es doch schaffen können. Dass wir vielleicht eine unkonventionelle Beziehung führen können, mit Freiheiten für ihn und für mich, dass unser Band einfach zu stark ist, um es durchzuschneiden. Irgendwie gab mir das Gespräch mit seiner Mutter das Gefühl, dass das möglich sei (er hat die letzten Wochen bei seinen Eltern verbracht und viel mit seiner Mutter gesprochen).

Sie hat mir gesagt, dass er sich alles mit mir, Ehe, Verbindlichkeit, Exklusivität, so sehr gewünscht hat, es ihm aber eigentlich nicht entspricht. Dass er sich wohl verbogen hat schon seit Jahren, wie ihm jetzt klar wird. Dass er ein Stück weit ein Vagabund ist. Und das passt ehrlich gesagt auch zu ihm, zu seinem Wesen. Ich habe mich oft privilegiert gefühlt, dass er ausgerechnet mit mir seine Zeit verbringt.

Tja. Und dann habe ich ihn angerufen. Ihm gesagt, dass ich keine Trennung will und keine Scheidung. Ihm im Prinzip gesagt, wir könnten eine offene Beziehung führen. In dem Moment war mir einfach alles egal, solange er nicht für immer geht. Und er war überrascht, dass ich mich melde, hat gesagt, dass er eigentlich schon erleichtert war, als ich mich getrennt hatte, dass er nicht glaubt, dass er das will. Es war eigentlich alles sehr niederschmetternd. Ich merke, dass er mich nicht will, er sagt, er will keine Nähe, er will nicht in die neue Wohnung, die Neue wäre keine Flucht vor Verantwortung, das wäre was Besonderes, er sucht schon WG-Zimmer in Berlin, er will freiberuflich durch die Republik tingeln, er will das einfach alles nicht, dieses normale Leben, Verbindlichkeit. Ich glaube, er will einfach und vor allem diese neue Liebe leben. Und wieder kann er nicht einfach sagen, dass es vorbei ist. Er sagt es zwischen den Zeilen. Aber nicht ausgesprochen.

Ich weiß, dass es vorbei ist. Ich bereue ein Stück weit, dass ich schwach geworden bin und ihn angerufen habe. Aber ich glaube, er muss es sagen, damit ich es glaube. Bis dahin ist da immer noch diese unsinnige, anlasslose, völlig unmögliche Hoffnung. Aber nach diesem Telefonat weiß ich, dass es kommen wird, dass alles aus ist. Ich wusste es auch vorher schon, aber ich glaube, ich muss den Weg gehen, bis er es sagt.

Ich habe durch ihn gelebt, das Ausmaß wird mir jetzt erst klar. Ich sitze jetzt in einer fremden Kleinstadt, einem neuen Job, der mich völlig in die Mittelmäßigkeit befördert. Ich habe alles, was ich vorher gerne getan habe, nur im Kontext der Beziehung getan. Mit ihm ist jegliche Freue aus meinem Leben verschwunden, ich empfinde alles als völlig sinnentleert und schrecklich. Ich weiß, dass sich das krass anhört, aber es ist so. Wenn ich nicht meinen Bruder nicht hätte, würde ich mein Leben beenden.

Mir wird jetzt erst klar, wie abhängig ich war, ich habe es in der Beziehung nicht gespürt, weil er immer da war. Ich habe seinen Film mitgelebt und dachte, es wäre meiner. Alle anderen Menschen kommen mir völlig belanglos, langweilig, uninspiriert vor. Ich war wohl wie ein Groupie, das mit seinem Rockstar zusammen war.

Ich weiß momentan wirklich nicht, ob ich das überleben kann. Mir macht nichts Freude, jede Sekunde ist Folter. Das einzige, was lindert, sind Telefonate. Ich habe ein paar Menschen, die in Kontakt mit mir sind (keinen großen Freundeskreis) und mich unterstützen. Die meisten von denen habe ich quasi im Zuge dieser Geschichte reaktiviert. Ich bin überrascht, wie bereitwillig und ausdauernd diese Freunde mit mir sprechen, mir schreiben, mir helfen wollen. Aber die meiste Zeit bin ich nun allein, in dieser stillen Wohnung, einer fremden Stadt. Ich habe noch nie alleine gelebt.

Das Leben mit ihm lag vor mir wie ein Märchen. Mein Leben ohne ihn ist einfach nur eine nichtendenwollende Hölle.

Dieser Text ist viel zu lang. Und ich habe das Gefühl, es ist nur ein Bruchteil. Falls irgendwer bis hier gekommen ist: Danke.

07.03.2022 17:26 • x 14 #11


T
Zitat von Sonnenblume53:
Talula, Du hast, wenn ich das richtig verstehe, bereits Angst vor der Angst, allein zu sein?
Ich bin ja jetzt viel alleine. Und es ist für mich tatsächlich grauenhaft, fast jeder Moment. Mit ihm war jeder Augenblick gefüllt.

Zitat von Sonnenblume53:
Hast Du ein Haustier?
Leider nein.

Zitat von Sonnenblume53:
Kennst Du Möglichkeiten, Dich zu stabilisieren, wenn Dir alles über den Kopf wächst? Z.B. autogenes Training, Meditation, Yoga, ein warmes Bad, eine Wärmflasche, ect.?
Ich laufe fast ununterbrochen mit Wärmflasche rum, aber eigentlich lenkt mich wirklich nichts ab. Ich versuche irgendwie, aus diesem Job nicht rauszufliegen (bin ja noch in der Probezeit) und der Rest ist wirklich einfach nur Überlebensmodus. Ich schaffe es noch, zu duschen, manchmal zu essen (habe in den paar Wochen schon 6 kg abgenommen, habe leider eine Essstörungsvergangenheit und merke, dass das jetzt schon wieder losgeht), aber es ist so unendlich kräftezehrend.

Zitat von Sonnenblume53:
Wäre ein Gang zum Hausarzt eine Hilfe, der Dir evtl. für den Übergang etwas verschreibt?
Meinst du Beruhigungsmittel? Oder Antidepressiva?
Zitat von Sonnenblume53:
Eine Liste mit Dingen, die Du schon immer machen wolltest und die auch allein Spaß machen?
Das ist echt krass. Ich will ohne ihn überhaupt gar nichts machen. Ich dachte immer, ich wäre interessiert an allem möglichen, aber es ging mir immer nur darum, das mit ihm zu erleben.

Das einzige: Ich habe ein vages Verlangen danach, mit anderen Musik zu machen. Ich habe Musik studiert, dann aber umgeschwenkt (lange Geschichte, schwere Geschichte, ich habe jahrelang schwerst darunter gelitten, dass ich das nicht weiterverfolgt habe - mein Mann ist hauptberuflich Künstler). Ich war immer so sehr mit meinen Männergeschichten beschäftigt, dass ich einfach nicht genug geübt habe. Ich bin jetzt nicht besonders gut und habe mein Instrument in den letzten beiden Jahren kaum hervorgeholt, aber irgendwas regt sich da in mir. Tatsächlich hat auch gestern ein befreundeter Musiker, der die Geschichte mitbekommen hat, geschrieben, dass wir gerne mal wieder musizieren können. Aber das ist alles total im Nebel, ich bin ungeübt und kenne neben diesem Musiker niemanden, mit dem ich was machen könnte. Außerdem bin ich weder Laie noch Profi, das ist so ein Limbo.

Zitat von Sonnenblume53:
Nur Mut! Du schaffst das!
Danke. In mir ist nur Hoffnungslosigkeit.

07.03.2022 17:45 • #12


T
Es macht mich so verzweifelt, dass ich schon 33 bin, er mir die Chance genommen hat auf Familiengründung nach langer Beziehung, dass er einfach in sein neues Leben startet und ich am Ende bin. Er hat mich von Anfang an betrogen und mir trotzdem immer suggeriert, er will das, er will mich, er will diese Zukunft. Wollte er wohl auch, oder ein Stück von ihm. Jetzt will er halt was anderes und nimmt es sich. Und lässt mich einfach stehen.

Ich will dieses Leben nicht, es gibt hier nichts für mich. Es ist einfach nur ein Alptraum.

07.03.2022 17:54 • x 1 #13


FrauDrachin
Hey @Talula88 ,

vielleicht ist das jetzt total unpassend...

Aber als erstes mal: Mach dich nicht so klein!
Du schreibst toll und klar und man merkt mit jeder Zeile, dass du, genauso wie scheinbar er, etwas ganz, ganz besonderes bist! Und es scheint eine ganz, ganz große Stärke durch.

Ich musste die ganze Zeit an Freddy Mercury und Mary Austin denken...
Vielleicht sind so kreative Haiopeis einfach nicht zu halten...
Vielleicht ist das genau so eine Situation, wo man sich fragt, was wäre schrecklicher... Das nicht erlebt zu haben, oder dass es jetzt zu Ende ist?

Ich umarme dich aus der Ferne! Auch wenn du jetzt gerade keinen Weg siehst, es wird sich einer auftun, ganz bestimmt.

07.03.2022 18:01 • x 6 #14


S
Liebe Talula,

zuerst einen innigen virtuellen Drücker!

Deine Geschichte berührt mich! Ich schließe mich @FrauDrachin an - Du hast große Stärke! Diese Klarheit, diese Selbstreflektion ist mehr als bewundernswert in Deiner momentanen Situation. Da wird sich ein Weg zeigen!

Mit der Hausarzt-Hilfe für den Übergang meinte ich das, was Du jetzt brauchen würdest. Antidepressiva, wenn nötig, etwas zur Beruhigung, wenn es Dir helfen könnte...Du wirst wissen, was wann nötig ist.

Irgendwie kommt mir bei Dir eine Katze in den Sinn. Wäre das etwas für Dich?

07.03.2022 18:10 • x 1 #15


A


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