Hey, weisst du noch damals…?
Februar 1995. An diesem Abend kann ich mich sehr gut erinnern.
Ich erinnere mich, wie ich früher als üblich nach Hause kam. Es war kurz nach neun und ich wollte früh ins Bett, weil wir am nächsten Tag sehr früh mit der Klasse ins BIZ gehen wollten.
Als ich nach Hause kam, saß mein Vater im Wohnzimmer und schaute Fern.
Ziehe deine Schuhe aus, setz dich hierhin und zeigte dabei auf das andere Sofa neben ihm, in dem er saß.
Was gibt's?
Im Sommer fahren wir nach Griechenland und werden ein Familienmitglied besuchen, das du noch nicht kennst.
Ich dachte mir, okay, es gibt viele die ich nicht kenne. So viele Cousinen und Cousins, die ich habe, ist es unmöglich alle zu kennen. Bedenkt man die Tatsache, dass ich sehr jung war als ich aus Griechenland gekommen bin.
Und wer ist das? Fragte ich.
Es ist dein Bruder!
Wie ich euch schon erzählt habe, waren wir sehr arm. Meine Mutter wurde mit meinem Bruder schwanger nach mir.
So trafen sie eine schwere Entscheidung und gaben das Kind zur Adoption an eine besser betuchte Familie, die keine finanziellen Probleme hat frei.
Der Vater meines Bruders bekam nach vielen Jahren Krebs und die Schmerzen waren so stark dass er sich das Leben nahm. Sie hatten eine Scheune und dort hängte er sich auf. Als eines Nachmittags mein Bruder von der Schule kam, ging er in die Scheune und fand ihn dort hängend.
Seine Mutter erzählte ihm dann von der Adoption und fragte ihn ob er seine leibliche Eltern kennenlernen möchte. Er sagte ja.
Ich war erst schockiert und konnte es nicht verarbeiten. Es hat eine Zeit gebraucht, bis ich mit dem Gedanken zurechtkommen konnte, was da gerade passiert ist.
Die Monate vergingen, die Schwangerschaft von Nadine hielt ihre Eltern nicht davon ab weiter gegen mich zu wettern und meine Eltern waren auch nicht besser. Jeder schien gegen uns zu sein, doch wir verstanden nicht warum. Wir liebten uns doch und wollten zusammen sein. Einfach nur zusammen sein.
Ich erinnere mich an den Juli 1995. Es war Nachmittag und ich war alleine zuhause, als das Telefon klingelte.
Herakles?
Ja?
Ich bin's, Sandra. Nadine ist im Krankenhaus und hat das Kind bekommen.
Was? Warum habt ihr mir vorher nicht bescheid gesagt?
Ihre Eltern wollten nicht dass du dabei bist. Ich bin gerade hier und habe das mitbekommen. Bitte erzähle ihnen nicht dass ich dich informiert habe.
Ich legte den Hörer auf und rannte los. Wie ein Sprinter sprang ich über jedes Hindernis dass sich mir in den Weg stellte und eilte zum Krankenhaus. Endlich war ich da und ich lief in ihr Zimmer. Meine Tochter lag bei Nadine in den Arm, die Mutter von Nadine saß daneben.
Ich erinnere mich, wie ich zu ihr ging und das erste Mal die Kleine hochheben wollte, bis ihre Mutter plötzlich aufstand und meine Hände weg schob. Sie nahm die kleine und sagte:
Ich nehme sie zuerst. Immerhin muss ich für das Kind gerade stehen. Du wartest.
Fortsetzung folgt…