Guten Morgen Morus,
auch ich verfolge deine Geschichte still mit. Das, was du im Eingangthread erzählt hast, fand ich krass. Nicht, dass deine Frau fremd gegangen ist, das liest man und hört man häufig. Es ist der Zeitpunkt gewesen, der mich aufhorchen ließ. Ich kann natürlich nur von mir sprechen und vom näheren Umfeld meiner Freundinnnen, aber diese Phase mit Kleinkind und Baby, war mit Abstand die anstrengendste. Es war körperlich anstrengend, wegen des ständigen Schlafmangels und der daraus folgenden Energielosigkeit am Tag, und es war auch psychisch und emotional anstrengend, sich in diese Rolle hineinzufinden. Klar ist es schön Mama zu sein, aber diese komplette gegenseitige Abhängigkeit belastete mich mehr, als ich mir vorher gedacht hätte. Worauf ich hinaus will, ist nicht das Fremdgehen deiner Frau zu rechtfertigen, sondern ich frage mich ganz im Gegenteil: Was hat deine Frau dazu bewegt, gerade in dieser extrem anstrengenden und fordernden Zeit, mit Kleinkind und Baby zu Hause, fremdzugehen?
Das zweite, was für mich wirklich sehr befremdlich war, war die Aktion mit den Weingläsern und der herumliegenden Unterwäsche, um dich eifersüchtig zu machen. Wenn eine reife Frau kurz davor steht, ihren Mann zu verlieren und nun in einer letzten Aktion alles auf eine Karte setzen möchte, dann ist so ziemlich das Letzte, was einem in den Sinn kommt, den Mann auf billige Art eifersüchtig zu machen. Das, was ein erwachsener Mensch als letzte Karte wählt, ist das Gespräch, Wahrhaftigkeit und Offenheit. Ich werte nicht gerne und hier sieht man immer nur den Ausschnitt eines Bildes, aber die Aktion deiner Frau, war die einer 14jährigen. Es war nichts als kindisch, als ob ihr überhaupt nicht die Tragweite der Situation bewusst wäre. Sie hat mir auch ehrlich leid getan, denn die Aktion zeigt ihre Hilflosigkeit. Sie hat anscheinend nichts anderes gelernt, als im Zweifelsfall ihre Weibchenkarte auszuspielen.
Du hast in anderen Beiträgen immer wieder mal durchblitzen lassen, dass deine Frau eine attraktive Frau ist. Das bedeutet nun nicht, dass man deshalb ein oberflächlicher und unreifer Mensch bleibt, aber bei deiner Frau scheint es ein bisschen so zu sein. Es ist schön, wenn man nicht viel dafür tun muss, um von anderen bewundert und angehimmelt zu werden. Wenn man nicht gerade eine völlig ätzende Person ist, hat man ohne große Anstrengung eine Schlange an Verehrern und man kann wählen. Was man liefern muss, ist Schönheit und was man bekommt, ist ganz viel Fremdbestätigung. Das pusht enorm das eigene Ego, man denkt, dass man selbstsicher und selbtbewusst ist. Dass dieser Selbstwert aber nicht von innen kommt, hat deine Frau nun erfahren. Als die permanente Fremdbestätigung wegblieb, fühlte sie innere Leere. Ich glaube es hat sie extrem verunsichert in der Mutterrolle nicht mehr so gesehen zu werden, wie es vorher war. Vorher hat ein schönes Aussehen gereicht, um als Mensch bestätigt zu werden, nun kam die doppelte Keule: Die Fremdbestätigung ist nicht mehr da und die Kinder brauchen eine starke Mama, ein Rollenvorbild, das spürt man und kann das nicht liefern. ch denke, dass deine Frau mit diesen Ansprüchen vollkommen überfordert war. Jetzt, in der Extremsituation hat man gesehen, das sie auf das zurückgreift, was sie eben kann: das Weibchen spielen, ihre Reize einsetzen.
Was ist nun deine Rolle in dem Ganzen? Du wirkst hier sehr reif und überlegt, aber gleichzeitig auf eine gewisse Art seltsam distanziert, als ob du Außenstehender bist. Als ob es sich hier nicht darum geht, dass deine Familie zerbricht, sondern um das Abwickeln eines Arbeitsprojekts. Zudem ist deine Frau ja nicht erst seit gestern so. Diese Reife hatte sie ja schon vorher und du musst ja auch gefallen daran gefunden haben, sonst hättet ihr wohl nicht geheiratet. Am Anfang des Threads fand ich deine klare Linie gut. Ich fand es gut, dass du dich abgrenzen kannst, dich nicht einwickeln lässt, aber inzwischen sehe ich es anders. Du äußerst dich schwammig: Ich trenne mich, aber sehe meine Zukunft mit dir. Wie passt das zusammen? Du sprichst von Trennung, hast dafür alles eingeleitet, aber machst ständig Andeutungen (auch s. Art, was zum jetzigen Zeitpunkt völlig unpassend ist!), spielst so auch deine Macht aus und demostrierst deine Überlegenheit. Wie Julius Cäsar, der entscheidet, ob der Daumen nach oben oder unten geht. Und du gefällst dir auch noch in dieser Rolle. Wo sind deine echten Gefühle gegenüber deiner Frau? Wo sind Angst und die Verzweiflung, einen geliebten Menschen zu verlieren? Davon spürt man hier wenig. Deine Frau, sie macht sich klein, zeigt dir, dass sie ihre Hausaufgaben gemacht hat und du tätschelst ihr den Kopf. Das ist keine Beziehung auf Augenhöhe. Du bist nicht reifer als sie, du agierst nur im Äußeren so, als wärst du es.
Entscheide dich. Wenn du die Trennung willst, dann zieh aus und zieh es durch, ohne diese kleinen Brocken, die du ihr gütigerweise zuwirfst. Gib ihr nicht das Gefühl, dass sie einen Kopfstand machen und mit den Ohren wackeln muss, um dich zurückzugewinnen. Die Stärke deiner Frau muss nun in ihrem Inneren wachsen, du ermunterst sie aber, das Weibchengetue fortzuführen. Inneres Wachstum ist ein ganz langsamer Prozess und sie hat - wie ich finde - einen ganz großen ersten Schritt getan, als sie dir ehrlich und wahrhaftig geschrieben hat, dass sie unzufrieden und unglücklich war und sie keine Ahnung hat, wober das kommt. Sie hat das ausgesprochen, obwohl sie wusste, dass es dich enttäuscht und vielleicht sogar von ihr wegtreiben könnte.
Diese Beichte empfand ich als Meilenstein ihrer persönlichen Entwicklung. Sie ist auf dem Weg zu ihrer inneren Stärke und einem Selbstwert, der ganz unabhängig von Äußerlichkeiten existiert. Sie ist auf dem Weg, sich von der Abhängigkeit von Fremdbestätigung zu lösen. Sie war wahrhaftig in ihrem Brief - das ist ein großer Schritt. Schade, dass du diesen Ball nicht angenommen hast. Du hast eine unnahbare Maske aufgesetzt, du redest mit ihr, wie mit einem Klienten. Hier wird deine eigene Unsicherheit, Hilflosigkeit und Angst für mich sehr deutlich.
Ich denke, beide Wege sind möglich: Es ist möglich zu gehen. (Aber das tust du ja nicht wirklich). Es ist aber auch möglich, zu bleiben. Ihr könnt bei 0 anfangen und eine Partnerschaft auf Augenhöhe beginnen, wo jeder sich traut das zu sagen, was ihn wirklich im Innersten bewegt. Deine Frau braucht jetzt vor allem einen Vertrauten, aber eben einen auf Augenhöhe, der sie nicht spüren lässt, dass er ihr überlegen ist. Ihr könnt euch in diesem Prozess stärken und begleiten. Du hast nicht weniger zu lernen, als sie. Ihr könnt euch gemeinsam auf diese spannende Lebensreise begeben, die am Ende immer eine Reise zu sich selbst ist.
Alles Gute