Lieber Morus,
ich hab hier nicht alles gelesen, weil 120 Seiten!
Ich kann dir nur erzählen, dass ich in einer ähnlichen Situation war wie du. Meine Frau ging fremd. Und es schien ihr erst sehr spät aufzugehen, dass ihr das eigentlich Leid tat.
Weißt du was uns gebildeten Menschen zu Nachteil gereicht? Dass wir alles ergründen wollen und zerreden. Da wird geredet und geredet und naturgemäß - da Sprache so unvollkommen ist - missverstehen wir uns dabei gründlich.
Dabei braucht es nicht viel mehr als zu sagen: Ich bin unendlich verletzt. Es tut so weh. Eben weil ich dich so sehr liebe.
Damit wäre von deiner Seite alles gesagt, was es zu sagen gibt. Der nächste Schritt wäre, dass sie dich um Vergebung bittet. Diese solltest du ihr geben, sobald du das kannst!
Ich habe damals von ihr eine Entschuldigung eingefordert. Aber die wollte sie mir erst geben, wenn sie soweit wäre. Und das hat mich wahnsinnig gemacht. Es wurde dann immer schlimmer bis ich dann endlich erkannte, dass ich nicht länger mit diesem Schmerz leben konnte. Also hab ich ihr, ohne eine vorherige Entschuldigung von ihr zu bekommen, vergeben. Ich habe ihr vergeben, fremdgegangen zu sein und gegen ihr Treueversprechen verstoßen zu haben. Ohne jeglichen Vorbehalt! Ich tat das auch, um meinen eigenen Schmerz loszulassen. Und ich bat sie, nun auch ihren Schmerz loszulassen. Und ich fühlte mich danach sehr erleichtert.
Die Gründe, warum wir Menschen Fehler begehen sind zwar wichtig, aber manchmal schlittern wir einfach hinein. Manchmal sind die Gründe, warum wir Mist bauen, objektiv lächerlich. Und nach einigen Jahren schütteln wir selber mit dem Kopf über uns... Da kann es hilfreich sein, wenn der Mensch, dem ich am meisten weh getan hat, mir einfach vergibt. Vorbehaltslos!
In diesem Moment bleibt zwar noch die Erinnerung, aber das Schuldgefühl ist gelindert. Und ab da kann es aufwärts gehen..
Bei mir hat es dann 2 oder 3 Wochen gedauert bis die Entschuldigung kam...
Jemandem zu vergeben ist aber eine ernste Sache. Vergeben ist vergeben! Du darfst ihr das, was du vergeben hast, nie mehr auf's Butterbrot schmieren. Es muss mit der Vergebung gut sein. Basta!
Natürlich ist damit noch nicht alles wieder gut. Und vielleicht wird es das auch nie mehr. Aber mit diesem Schuldgefälle wird das auf keinen Fall mehr was!
Ich weiß noch, dass meine Frau monatelang noch gezweifelt hat, ob ich sie wirklich zurück will. Aus Angst! Denn sie wollte mich. Das hat sie gequält. Ob sie mich durch die Untreue letztlich doch verloren hat. Angst kann verhindern, dass ihr wieder zusammen kommt. Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung: Ich habe ihn betrogen - das kann er mir niemals verzeihen! Das wird zum Mantra... Du müsstest das also sehr, sehr ernsthaft angehen mit einer Vergebung. Vlt. sollte sie einen würdigen Rahmen haben...
Vertrauen lässt sich wieder aufbauen. Vielleicht anfangs mit freiwilligem Entsperren des Handys und übertriebener Auskunft wo sie hingeht.
Also, wenn noch nicht geschehen - vielleicht hast du das ja schon gemacht und ich habe es überlesen, gehe zu ihr, sage ihr, dass du sie immer noch liebst und dass du sie wieder haben willst. Und dass du ihr vergibst ohne Vorbehalt.
Und dann warte einen Moment und wenn sie nicht sofort in Tränen ausbricht, dann gehe erstmal und lasse es bei ihr durchsacken.
Wenn von ihr eine positive Reaktion kommt, dann könnt ihr konstruktiv darüber beraten, wie ihr eure Beziehung wieder heilen könnt.
PS: Was ich aber nicht könnte wäre, das Kind eines anderen aufziehen. Das wäre dann doch zuviel. Die Vergebung bliebe zwar gültig, aber in dem Fall würde ich mich trennen. Wenn dich die Frage nach der Vaterschaft quält, dann bitte sie um Verständnis und lasse es testen. Sie wird nichts dagegen haben.
Bei mir ist das ganze jetzt fast 5 Jahre her. Es ist nicht so, dass ich es vergessen habe. Ab und zu kommen die Erinnerungen zurück und ich erinnere mich dann meiner damaligen Gefühle noch sehr deutlich. Da muss ich dann durch... Aber was vergangen ist, ist vorbei und lässt sich nicht mehr ändern. Also warum hadern?
Nochmal zurück zur Vergebung - du merkst, das ist ein Steckenpferd für mich. Allgemein scheinen die Menschen unversöhnlich zu sein, wenn es um Treuebruch geht. Viele Menschen sagen, dass in diesem Fall für sie die sofortige Trennung erfolgte. Ich finde, das ist der leichte Weg. Der leichte Weg, der über die Umkehr von Liebe zu Hass den Schmerz kompensiert: So eine Schl ampe! Hat mich einfach betrogen, das Miststück!
Aus Hass wird aber nur neuer Hass geboren, innere Unzufriedenheit, innerer Unfrieden.
Aus Vergebung kann allerdings etwas Gutes entstehen. Und wenn du dir auch nur selbst vergibst und mit innerlichem Frieden in eine neue Beziehung mit jemand anderen gehst.
Aber was noch viel wichtiger ist: Mit der Vergebung durchbrichst du die Erwartung! Du bist größer als die anderen, die die/den Untreue/n sofort vor die Tür setzen wollen. Du zeigst wahre Größe und Herz!
Ach, noch einen Tipp: Manchmal kommt man im Zweiergespräch nicht mehr weiter, weil alles schon irgendwie gesagt wurde, nur mit anderen Worten, und irgendwie kommt man nicht überein. Dann kann ein Dritter helfen. Ich bin damals (alleine) bei der kath. EFL (Ehe-, Familien- und Lebensberatung) gewesen und bei der evangelischen Diakonie. Beide (hervorragenden und nicht religiösen) Einrichtungen haben mir sehr, sehr geholfen. Beide sind zudem gratis. Man muss nur einen Termin machen, was u. U. etwas dauern kann. Zögere also nicht! Absagen kannst du einen Termin ja immer noch. Vielleicht wäre das für euch beide eine Option...
Ich hoffe, ich hab nicht zuviel rumgeschwafelt. Ich war eigentlich nur zufällig mal wieder hier im Forum. Bin, wenn es hochkommt, vielleicht noch ein- bis zweimal im Jahr hier... Eher aus zufälliger Neugier...
Ich wünsche dir viel Glück! Halte durch und gib nicht auf!
21.01.2019 17:08 •
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