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Gewaltfreie Kommunikation

Löwenzeh
Hallo ihr Lieben!

Ich bin sehr interessiert an einer Unterhaltung und Erfahrungsberichten zum Thema
GFK (Gewaltfreie Kommunikation nach M.B.Rosenberg)
In meinem Thread fiel das Stichwort (@Plague , du bist herzlich eingeladen, mitzumischen) und nach anfänglichem Überlesen ließ das Thema mich nicht ruhen.
Also googelte ich und ebayte (oh, das ich mal so schreibe. Schande) ein Arbeitsbuch zur GFK herbei, von dem ich kürzlich erst ein paar Seiten zu lesen schaffte.
Viel mehr als Beobachte ohne zu bewerten weiß ich noch nicht; dennoch fühle ich mich bereits bereichert und wähne mich auf einem guten Weg mit dieser Lektüre.

Ich fände es gut, wenn Gesprächsinteressierte, für die das Thema gänzlich neu ist (wie mir bis vor Kurzem), sich vorab mal kurz in die Grundprinzipien der GFK einlesen würden.
Oder zehn Minuten auf Youtube investieren, bevor er/sie/es mitschnackt.
Damit das Mitreden dann auch themenbezogen bleibt. Meine Bitte an Euch.

Gleich werde ich (oder in ein paar Stunden, falls der Lütte aufwacht) eine Situation von heute morgen schildern, wo ich erstmals GFK anzuwenden versuchte (das, was ich davon bis dato weiß).
Nicht ganz gekonnt, ziemlich holprig eigentlich, doch ein Anfang. Der mir eine ganz große Selbsterkenntnis einbrachte.
Ich finde GFK jetzt schon super (was natürlich eine Bewertung ist)
Ich bin gespannt, was ihr dazu so zu sagen habt.
Ich höre jetzt auf, ich zu schreiben.
Ich meine es ernst.
Wirkl-ich.
Hi, hi.

14.08.2025 04:53 • x 5 #1


Nur-ein-Mensch
Moin

Das Buch habe ich auch gelesen und ich finde es sollte als Lektüre im Schulunterricht gelesen werden.

Was ich festgestellt habe ist,daß es sehr schwierig ist,sich an Kommunikationswege aus diesem Buch zu halten, weil wir viel zu schnell Anworten wollen.

Das allerdings soll ja nicht sein,da wir erstmal schauen was wir, hören und fühlen was uns gegenüber höern könnte und fühlt.

Ein wichtiger Faktor in meinen Augen ist,zu lernen nichts persönlich zu nehmen,dann können wir viel freier Antworten.

Habe mir auch aus dem Buchanhang die Seite abfotografiert,wo nochmal diese Zusammenfassung steht

Beobachtung, Gefühle, Bedürfnisse, Bitten.

Ansonsten wie gesagt,sehr gutes Buch, aber schwer umzusetzen, wenn man sich nicht unter Kontrolle hat.

14.08.2025 05:26 • x 4 #2


A


Gewaltfreie Kommunikation

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Löwenzeh
So, Situation zur Selbsterkenntnis:
(Ich fasse es möglichst kurz. Weil ich es kurz fassen will.)
Morgendliches Aneinandergeraten (3 Uhr, sein Wecker klingelt um 4) mit meinem Mann. Ich versuche ruhig zu bleiben, gelassen oder gar nicht auf seine Äusserungen zu reagieren. Er ist sehr erzürnt und hält das nicht hinterm Berg.
Es fallen keinerlei Schimpfworte. Er sagt mir, wie rücksichtslos er mein Verhalten findet. Ich erläutere die Beweggründe für mein Handeln. Alles in mir schreit: Das ist SO unfair!
Ich will direkt weinen, aber verkneife es mir erstmal. Ich beobachte mich selbst und meine Gedankenabläufe.
Dann versuchte ich, seine Sicht einzunehmen. Wie es wäre um 3 Uhr wach zu werden, Frau ist nicht im Bett, reagiert nicht auf Rufe; Baby meckert, kein Licht, kein Schnuller, keine Flasche zur Hand.
Da wäre ich auch auf 100 (180 warens noch nicht) binnen Augenblicken und sehr gestresst. Aber trotzdem darf (mein Gedanke und Empfinden) er so wütend nicht reagieren, weil ich damit nicht umzugehen weiß...
Da verstand ich ein wenig und die andere Hälfte würde bald folgen.
Den anderen Vorwurf wies ich auch zur Hälfte von mir; ja, ich habe mit dem Küchenlicht nicht aufgepasst, dass es nicht ins Schlafzimmer strahlt; ja, ich hätte fürs Kind dran gedacht; stimmt, bei dir habe ich darauf keine Rücksicht genommen. (Jetzt die Schuldfreisprechung für mich:)Du forderst, dass ich auf dich soviel Rücksicht nehme, wie auf ein Baby?
Also bin ich schuld und will nicht alleine schuld haben...
Ich suchte das Gespräch mit meinem Mann, ich entschuldige mich für die Rücksichtslosigkeiten (und sage dabei nichts Abwertendes). Es kommt richtig gut an, ich bin ehrlich überrascht, wie schnell das Gewitter über seinem Gesicht abzieht und er wieder freundlich und wohlwollend schaut. Er fühlte sich gehört und verstanden.
Ich habe aber noch unerfüllte Bedürfnisse. Ich will ihm eine Mitschuld, ein Teilgeständnis entlocken. Er soll auch an etwas schuld haben, er muss auch Besserungsbedarf präsentieren! Das spielt sich auf meiner Gefühlsebene ab und kann erst nach meiner Erkenntnis in Worte gefasst werden.
Er verweigerte mir das. Zurecht, letztlich sagte ich etwas vom Gehaltwert a la:
Ich kann total verstehen, diese Situation, dass man auf 180 ist... Bla, bla, bla... Aber deine Reaktion ist viel zu krass, das kann nicht angehen, dass du dann plötzlich so auf 180 bist!
Ich gehe also in die Küche, wir sind versöhnt, ich habe mich entschuldigt - ich fühle mich noch nicht in Ordnung. Mir kommen die Tränen und ich horche in mich: Was ist da los?
Wieso bin wieder ich schuld? Ich alleine? Zu einem Streit gehören zwei! Immer bin ich schuld. Immer bin ich verkehrt, fühl ich verkehrt, immer muss ich mich entschuldigen...immer...Immer? Wieso immer?
Da hats bei mir Klick gemacht. Habs richtig gehört.
Niemand sagt immer. Dieses Mal. Dieses Mal warst du im Unrecht. Das ist nicht schlimm und du hast dich entschuldigt. Du bist nicht verkehrt, du hast nur was falsch gemacht.
Und die Tränen waren versiegt. Ich hab den Knoten gelöst. Ich glaube, das wird mir nachhaltig im Umgang mit Konflikten und meinen Gefühlen helfen. Ich bin ganz begeistert von dieser simplen Erkenntnis. Von dieser Gedankenkette, die ich abgestreift habe, von der ich gar nicht wusste, dass es sie gibt. Verrückt.
Glaubenssätze sind eine verzwickte Sache. Ich wollte themenbezogen bleiben...

Was hat das mit GFK zutun? Die Beschäftigung damit hat mich zu anderem Verhalten veranlasst (Klappe halten, beobachten), mir ermöglicht, meines Mannes Sicht nachzuvollziehen und mir eine wichtige Selbsterkenntnis gebracht.

Welche Erfahrungen habt ihr mit GFK gemacht?

14.08.2025 05:30 • x 4 #3


Löwenzeh
@Nur-ein-Mensch
Amen zur Schullektüre. Okay, ich bin noch nicht fertig (vielleicht zu 10%...), aber ich denke mir bereits jetzt: GENAU DAS läuft falsch. Immer wieder und überall. Lauter Missverständnisse und Werturteile, wo sie niemand braucht.

14.08.2025 05:32 • #4


Nur-ein-Mensch
Es ist halt wichtig, und sas fällt vielen schwer,auch die Bedürfnisse des Gegenübers zu erkennen,weil man sein Bedürfnisse erstmal Inden Vordergrund stellt.

Weiterhin darf man lernen,sich nict angegriffen zu fühlen,weil das nur zu einer Abwehr Reaktion führt.

Wichtig ist auch die Schuldfrage.

Anstatt über die Schuldfrage zu grübeln,ist es besser eine Lösung zu suchen,wie es besser gemacht werden kann.

Schuldgefühle bringen nur negative Gefühle hervor die sich im der Kommunikation dann niederschlagen.

14.08.2025 05:50 • x 2 #5


Löwenzeh
Ja, das stimmt. Ich dachte bisher, ich hätte kein Problem damit, mich zu entschuldigen.
Aber so manche Situation rückblickend betrachtet: ich habe ein Problem, die Schuld anzunehmen. Die Verantwortung zu schultern. Allein.
Wenn ich Konflikte nicht vermeiden konnte, waren für mich entweder beide schuld, der andere - oder ich des Kontakts ohnehin überdrüssig ...
Bin nicht perfekt...

14.08.2025 05:55 • x 2 #6


Löwenzeh
Je älter ich werde, desto mehr Frage ich mich: was ist schuld, wer ist schuld und was nützt es mir, das zu wissen? Vielleicht ist die Schuldfrage einfach nur Schublade und nicht zielführend

14.08.2025 05:57 • x 1 #7


Worrior
Gewaltfreie Kommunikation bedeutet ja nicht Konfliktscheue.

14.08.2025 05:59 • x 5 #8


Löwenzeh
In der aktuellen Situation hat es mich auf jeden Fall schneller ans Ziel gebracht (Harmonie und Verständnis), mich in ihn hineinzuversetzen und zu entschuldigen, als noch mehr (hab ich ja trotzdem) Zeit in die Schuldfrage zu stecken

14.08.2025 05:59 • #9


Löwenzeh
@Worrior
Sehe ich auch so. Vielmehr löst sie den aufkeimenden Konflikt. Im Idealfall

14.08.2025 06:01 • x 3 #10


Plague
Zitat von Löwenzeh:
was ist schuld, wer ist schuld und was nützt es mir, das zu wissen? Vielleicht ist die Schuldfrage einfach nur Schublade und nicht zielführend

Vergiss mal den Begriff Schuld - der ist ethisch-moralisch viel zu vorbelastet.
Ihr habt beide Anteile an der Dynamik der Situation. Und wenn jeder sich bemüht, diese Anteil zu erkennen und auch was dran zu tun, kann es besser werden. Eine Strategie dazu könne halt Modelllernen sein - funktioniert nicht nur bei kleinen Kindern, sondern auch bei erwachsenen Männern.

Zitat von Worrior:
Gewaltfreie Kommunikation bedeutet ja nicht Konfliktscheue.

Der Ton macht die Musik.

14.08.2025 06:13 • x 3 #11


C
Ich finde das Thema total spannend. Da steckt mE viel Potential drin.
Ich habe mir vor ein paar Wochen einen GFK-Navigator gekauft. Das sind so kleine Karten (A6), wo die Prinzipien von GFK azf einem Blick zusammengefasst sind. Und eine weitere Karte mit dem Bedürfnisrad/-kompass, einfach um mir besser bewusst zu werden und dann auch formulieren zu können, welches Bedürfnis gerade betroffen ist.
Die Karten sind halt superpraktisch, klein und somit schnell zur Hand.

14.08.2025 06:34 • x 4 #12


FrauDrachin
Zitat von Löwenzeh:
In der aktuellen Situation hat es mich auf jeden Fall schneller ans Ziel gebracht (Harmonie und Verständnis), mich in ihn hineinzuversetzen und zu entschuldigen, als noch mehr (hab ich ja trotzdem) Zeit in die Schuldfrage zu stecken

Ich finde es total toll, dass du dich damit auseinandersetzt, weil es ist auch ein Werkzeug, sich selber besser kennenzulernen, und freundlicher mit sich selber umzugehen. Ich habe mich damit auch beschäftigt, und versuche zumindest die Grundprinzipien anzuwenden. Die Standardisierte Redefigur ist mir tatsächlich zu steif, es fällt mir schwer, so zu reden.

Allerdings meint mein Bauchgefühl, dass die Situation, die du geschildert hast, nicht optimal gelaufen ist.
Wenn es für dich allerdings wirklich so gegessen und genau richtig ist, dann ignoriere gerne meine weiteren Ausführungen, das entscheidende ist, dass du mit der Situation im Reinen bist.

Mir kommt es so vor, als hättest du Harmonie und Frieden wieder hergestellt, indem du seinen Standpunkt hast gelten lassen, deinen eigenen allerdings übergangen hast. Tatsächlich kommt es mir so vor, als wäre das eine der Schwächen der Methode, dass dadurch, dass radikal in der Situation von JETZT geblieben werden soll, es schwierig ist, Muster und Dynamiken andäquat anzuschauen.

Ist es denn ein Muster, dass ihr aneinandergeratet, wenn seine Bedürfnisse und die Art, wie du die Bedürfnisse des Babies versorgst, kollidieren? Hast du denn wirklich öfter das Gefühl, nicht richtig zu sein, unfair behandelt zu werden? Wirst du grundsätzlich gehört, wenn dich etwas verletzt? Wenn da etwas im argen ist, würde ich das nicht so einfach übergehen.

14.08.2025 06:50 • #13


Löwenzeh
@FrauDrachin
Verstehe was du meinst; aber für mich ist die Situation wirklich geklärt, ohne schlechten Beigeschmack.

Wobei ich auch seine Anteile sehe.
Der Ton macht die Musik habe ich ihm auch schon oft gesagt. Ich empfinde seine Art, sich mitzuteilen, häufig als Affront.
Anfangs war es recht schwierig, als wir zusammenzogen. Unterschiedliche Bedürfnisse, Hygieneempfinden, Marotten...
Er beschwerte sich, er dürfe nichts sagen, müsse auf Eiern laufen. Ich beklagte, ich würde täglich mehrfach kritisiert. Dass schon die Begrüßungsworte zum Teil wie ein Stoß vor den Bug seien (Hier stinkts nach Essen! Hast du die Tür nicht zugemacht?)
Wir streiten, versöhnen, besprechen. Haben uns durchaus gemacht in unseren bisherigen 5 Jahren.
Aber bei einigen Dingen treten wir auf der Stelle. Ich wähne den Schlüssel nun in Gewaltfreier Kommunikation.
Natürlich darf er das Buch auch gerne lesen (oh, das wird ein Kampf, hehe) und dann versteht er vielleicht auch, was ich meine, wenn ich ihn zu fordernd, diktatorisch finde. Wenn ich aus Prinzip Ich muss gar nichts! rufe, weil er wieder mal den Satz mit Du musst das und das machen beginnt.

14.08.2025 08:32 • x 2 #14


Löwenzeh
@Plague
Schön, dass du dabei bist!
Genau wegen dieser Art wertigen Inhalts (Spoiler: meine Meinung) wollte ich dich gerne mit an Bord.

14.08.2025 08:35 • x 1 #15


A


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