Hallo!
Ich möchte, weil ich hier des öfteren lese, die Ex-Partner hätten kein Charakter gehabt, hätten nur belogen und betrogen, um ans Ziel zu kommen, usw., etwas Grundsätzliches zu bedenken geben.
Es gibt Menschen, die haben - aus welchen Gründen auch immer - kein eigentliches, stabiles Selbst entwickelt oder nur ein rudimentäres. Das führt dazu, daß sie nicht anders können, als ein Selbst zu spielen, und dieses ist natürlich entsprechend veränderlich.
Das bedeutet aber nicht, daß sie bewußt lügen und betrügen (das gibt es natürlich auch). Sondern sie spielen eben meinetwegen den in Liebe Entflammten und steigern sich in diese Rolle so hinein, daß sie es dann auch tatsächlich sind. Nur ist das nicht dauerhaft aufrechtzuerhalten, sondern irgendwann fällt der Vorhang und das Schauspiel ist zu Ende.
Man kann sich das etwa vorstellen wie bei einem echten, also beruflichen Schauspieler, der sich so in einer Rolle hineinlebt, daß er etwa bei einer tragischen Szene echte Tränen weint.
Das Schlimme ist nun, daß ein solches Schauspiel, das ein an sich leerer Mensch aufführt, gleichsam grenzenlos schön und entsprechend beeindruckend sein kann (weil es eben kein Selbst gibt, das Grenzen setzen würde), und wenn man dann selber echte Gefühle entwickelt, die in ihrer Tiefe jenem des Schauspielers entsprechen, dann wird es zur großen, unvergleichen Liebe. Allerdings sind die Gefühle bei dem einen Partner echt, beim anderen geschauspielert (aber, wie gesagt, unbewußt, er hat sich voll und ganz in diese Rolle hineingesteigert). Geschieht dann etwas, das dem Schauspieler mißfällt oder verliert er die Lust an der Rolle, dann verabschiedet er sich, manchmal auch ganz plötzlich, und der andere steht fassungslos mit seinen echten Gefühlen da und kann diese auch nicht - im Gegensatz zum Schauspieler - einfach abstellen, sondern leidet oft sehr schlimm und lange daran.
Leider läßt es sich zunächst kaum unterscheiden, ob es sich um authentische oder geschauspielerte Gefühle handelt, weil auch diese sehr authentisch wirken können, obwohl sie es nicht eigentlich sind, weil der Betreffende selber über kein Selbst und damit auch über keine Authentizität verfügt.
Vorsichtig sollte man auf jeden Fall sein, wenn jemand ganz plötzlich in Liebe entflammt, sehr schnell von glücklichen Zukunftsvisionen schwärmt, einen in den Himmel hebt und maßlos idealisiert, einem sogleich alles Mögliche von sich erzählt, von Seelenverwandtschaft spricht, von endlich gefunden usw., wenn er in Superlativen spricht und natürlich, wenn er eine entsprechende Biografie hat (wie viele gescheiterte Beziehungen (immer war der Partner schuld) oder eine Beziehung oder Ehe, die nie tatsächlich eine war (sondern gleichsam eine potemkinsche Ehe/Partnerschaft zwecks gesellschaftlicher Entsprechung und Erwartungserfüllung anderer), wenn er in allem immer verkannt worden ist, wenn er gerne, also auch im Freundeskreis, Show macht und bei möglichst allen beliebt sein will und sich entsprechend verhält, wenn er sich erhöht und andere runtermacht, wenn er viel kritisiert, aber selber keine Kritik verträgt, wenn er starre Prinzipien hat und nur die eigene Meinung gelten läßt, selbstgerecht, anmaßend, distanzlos, verurteilend ist usw.)
Irgendwann erkannt man unweigerlich, wenn man an einen Selbst-Schauspieler geraten ist - nur ist es dann in der Regel schon zu spät. Was man aber tun kann, ist, die Konsequenzen zu ziehen (auch wenn es hart ist) und vor allem, wenn er nach einer Trennung in das Schauspiel wieder einsteigen will, dann standhaft bleiben. Ein Selbst-Schauspieler bleibt auch einer, weil er gar keine andere Möglichkeit hat, und wenn er etwa Besserung verspricht, dann kann er auch diese schauspielern, allerdings nicht lange ...
Liebe Grüße
13.09.2014 17:33 •
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