Zitat von Blonder: Ich verstehe das nicht, das scheint ein Muster zu sein, was viele Fremdgeher haben...
Er war ein Bindungsvermeider wie aus dem Bilderbuch, wenn ich es mit meinen laienhaften Psychologiekenntnissen richtig eingeordnet habe. Seine Kindheit war ein Drama, ich vermute körperlichen Missbrauch durch den Vater, zu dem er keine gute und warme Beziehung hatte. Der war auch so, dass er keinen an sich ranließ. Familie hat man zwar, aber darum soll sich die Frau kümmern. Der Mann kümmert sich um die wirklich wichtigen Dinge im Leben wie die, zwei Häuser zu bauen, damit Mann ja gut und sinnvoll damit beschäftigt ist und sich nicht mit Frau und Kindern befassen muss. Diese Welt ist ihm eh fremd. Kindergeschrei, Kinderlachen und dann noch die Frau, die wieder so unglücklich aussieht. Nein danke.
Der Vater hat ihn nicht gemocht, nicht bestärkt, nicht bestätigt, sondern abgewertet. Geh weg, Du machst alles nur kaputt, du bist zu nichts zu gebrauchen. Vermutlich hat er den Sohn auch geschlagen. Sein Vater hasste sich selbst und projetzierte diesen Selbsthass dann auf den Sohn, denn gegen sich selbst Hass zu empfinden, ist schwer auszuhalten. Und wer ist ihm am Nächsten? Der Sohn, der ihm noch dazu wie aus dem Gesicht geschnitten ist, sogar Statur und Größe stimmten überein. Das habe ich mich aus seinen spärlichen Erzählunen zusammen gereimt, denn er hatte das meiste aus der Kindheit vergessen. Ein Psychologe würden sagen, er hat es ausgeblendet, verdrängt, weil es zu schwer auszuhalten war.
Die Mutter kümmerte sich um das Essen und die Wäsche, aber gab sie ihren Kindern auch Wärme und Geborgenheit? Das weiß ich nicht. Sie war eh überfordert, als er klein war. Denn eineinhalb Jahre nach ihm kamen Zwillinge zur Welt. Zwei Säuglinge, die alle Pflege und Aufmerksamkeit brauchen und dann noch er, das Kleinkind, das dann vermutlich hintenan stand. Und keine Hilfe.
Mit dieser Kindheit voller Abwertung und Lieblosigkeit geht er dann ins Erwachsenenleben und etabliert sich beruflich sehr gut. Wenigstens etwas, was ich gut kann, die Bits und Bytes gehorchen mir und wenn nicht, drangsaliere ich sie solange, bis sie gehorchen.
Beziehungsleben alles andere als Glück bringend. Glück empfinden konnte er glaube ich gar nicht, er war immer gedämpft, seltsam lauwarm, zurückhaltend, fast zaghaft, unsicher wirkend und hatte wenig bis keine Mimik. Ich habe damals etwas in ihm gefunden, was mir bekannt war und das zog mich magisch an. Scheol würde sagen, Traumabonding.
Der ist ja wie ich, dachte ich mir manchmal, der versteht mich und ich ihn, wir sind wie seelenverwandt. Ja, was unsere Defizite anging, waren wir tatsächlich sehr verwandt.
Er hatte gelernt, Achtung vor engen Bindungen, das gibt nur Probleme. Bindungen sind gefährlich und tun eh nur weh. Das Unterbewusstsein speichert genau das ab. Also lieber keine Bindung oder allenfalls eine Schmalspurbindung.
Gleichzeitig ist in den Menschen ja immer eine große innere Sehnsucht nach Bindung, nach Verbindung, nach Verstanden sein, nach einer Seelenverwandtschaft.
Aber Beziehungen, also Bindungen zu leben und auszuhalten, steht auf einem anderen Blatt. Denn das Unterbewusstsein arbeitet ja dagegen und das ist mächtiger als vieles andere.
Und dann kommt es also nach einer gefühlten symbiotischen Verbindung, die man voller Glück einging, sehr schnell zu den ersten Störfaktoren und es kommt eine zunächst nicht spürbare Abwärtsspirale in Gang, die sich im Lauf der Zeit immer schneller dreht und die anfangs noch ausgeblendet wird. Weil was nicht sein darf, das ist nicht..
Symptomatische Verhaltensweisen sind alle, die eine enge Bindung boykottieren. Und dafür gibt es viele Möglichkeiten.
Die Flucht in die Arbeit, die Flucht in zeitaufwändige Hobbies, denen man ohne den Partner nachgeht, Engagement in Vereinen oder für wohltätige Zwecke, körperliche Anwesenheit bei mentaler Abwesenheit (Rückzug hinter das Smartphone, den PC, ein Buch, eine Zeitung z.B.), wenig echter Austausch und der starke Wunsch, zumindest das Gefühl zu haben, dass man selbst über sein Leben entscheidet. Hauptsache, körperlich und emotional vom Partner weg, im Idealfall biedes.
Unternehmungen werden geplant ohne den Partner einzubeziehen, der Partner wird evt.noch informiert, dass er im März auf ein Konzert nach Sonstwohin fährt. Natürlich allein oder zumindest wird das so kommuniziert. Ob es stimmt oder nicht, kann der Partner ja kaum nachprüfen. Er hofft es halt dann, denn das Misstrauen hat sich längst eingeschlichen.
Verwandtschaftsbesuche nur wenn es nicht anders geht. weil man da ja als Paar eingeordnet werden könnte und das ist ihm dann doch zu viel, wenn Tante Frieda fragt, wann denn Hochzeit ist. Überhaupt langfristige Planungen, nein danke, lass uns das lieber spontan entscheiden! Das weckt den Anstrich von Freundlichkeit, in Wirklichkeit will er sich aber alles offen halten, weil er eh keine Lust auf einen Kinobesuch zu zweit hat.
Da und dort kann er nicht, weil .... Ach so, da ist die Kommunion vom Neffen. Echt blöd, dass ich da jetzt da und dort hin muss, ich muss es wohl vergessen haben. Vergessen ist auch eine Form von Verweigerung.
Urlaub mit 24-h-Dauerpartnerschaftsbetrieb hält er eh nicht aus. Das ist too much für ihn, da wird er unleidlich (wie so oft).
Und dann noch das Kommunikationsverhalten. Nein, das habe ich so nicht gesagt, das habe ich nie behauptet, das hast Du falsch verstanden, falsch eingeordnet. Das heißt, dem Partner wird seine Wahrnehmung abgesprochen, er wird gefühlt in die Ecke gestellt, weil er wieder mal Flöhe husten hörte oder wieder mal was falsch verstanden hat, wie so oft. Der Partner fragt sich verduzt, ob er selbst blöd ist oder wieder mal was falsch eingeordnet hat und traut seiner Wahrnehmung nicht mehr.
Und dann die Geheimniskrämerei, denn man muss ja dem Partner nicht alles sagen. Er trifft sich mit Meiers, ja toll, aber man selbst kennt die Meiers nicht, denn denen wurde man ja nie vorgestellt und umgekehrt. Es sind nämlich SEINE Freunde und die gehören ihm, ätsch. Und auf das Festival fährt er dann allein. Kann stimmen, denn er fühlt sich allein eh am wohlsten oder auch nicht, wer weiß das schon.
Oder er sagt nicht, mit wem er sich am Mittwoch Abend getroffen hat und allenfalls nur dann, wenn die Partnerin aus der Ferne anruft und er am Telefon komisch ist. Das behält man dann lieber für sich, denn die Partnerin ist dann eh wieder beleidigt, das kann man sich sparen. Was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß.
Und dann schreibt er mit Sandra, die er irgendwo wieder getroffen hat und aus den Augen verloren hatte. Aber man hat sich so gut mit Sandra unterhalten, dass man sie gleich nach dem Kongress kontaktieren muss. Die dumme Kuh glaubt dann noch, dass er echtes Interesse hat und erfährt erst ein paar Wochen später, dass er eigentlich gebunden ist (aber nur eigentlich, denn er ist ja ein freier Mensch). Auch Fremdgehen ist letzendes ein Mittel um Distanz zum Partner herzustellen.
Ein Drama jagt das nächste und glücklich wird keiner damit. Überall Lug und Trug und Verbergen und Verschleiern und So-tun-als-ob. Beide sind unehrlich, keiner von beiden spielt mit offenen Karten, schreit seine Wut und Enttäuschung raus Er schon gar nicht, denn er ist ja kühl und behält Contenance. Und die Frau heult allenfalls heimlich auf dem Klo, weil sie wieder eine Klatsche eingefahren hat mit ihrer suchtartigen Suche nach Nähe. Würde er ihre Nähe suchen, würde sie sich entziehen, weil es ihr zu eng und zu viel wird. Die inneren Abwehrreaktionen sind sehr stark, bei beiden, sie leben sie nur unterschiedlich aus.
Solche Beziehungen können nicht funktionieren, denn was bleibt denn noch, wenn das Grundlegende nicht da ist? Guter Sx vielleicht, denn es ist für beide das Mittel, eine Intimität und Nähe auszuleben, die sie im normalen Leben nicht aushalten können. Weil sie beschädigt sind und beide erfahren haben, dass Bindung und Schmerz miteinander einher gehen und dass man Bindungen nicht trauen kann. Daher macht man sie lieber unabsichtlich und unbewusst aber doch absichtlich kaputt.
Zitat von Blonder: Oder will man sich dem Ex-Partner gegenüber nicht öffnen und zieht Energie aus dem Geheimnis
Ja,natürlich will man sich nicht öffnen, denn das hat man vielleicht nie gelernt. Also macht man es mit sich selbst aus und findet für sich allerlei Rechtfertigungen. Ich habe auch ein Recht auf ein Glück, ich darf mich auch mal angenommen und lebendig fühlen etc. Die Vorgeschichte einer Affäre beginnt ja schon früher,Unzufriedenheit, eine eingeschalfene, eingefahrene Beziehung, mangelndes Vertrauen gegenüber dem Partner mt dem man längst nicht mehr über sein Denken und Fühlen redet. Langeweile, Lebens- und Eheüberdruss ... Ganz zu schweigen von Zärtlichkeit und dem anderen ...
Der Partner rückt bei dem ganzen Hormonschub ohnehin aus dem Blickfeld. Den hat man zwar, man ist sogar freundlich zu ihm (weil man sich dank der Affäre ja gut fühlt), aber ehrlich ist man nicht. Wer würde es auch sagen? Ich bin übrigens mit der Kollegin ein Verhältnis eingegangen, weil wir uns ja so gut verstehen?
Also macht man es heimlich, was ja auch noch den Reiz erhöht. Denn alles Verbotene reizt einen Menschen mehr als das Gebotene. Sieht man ja schon an kleinen Kindern. Nein, Du darfst die Herdplatte nicht anfassen. Hilft nichts, es muss ausprobiert werden und dann kommt das Geschrei und das Selbstmitleid.
Und dieses Geheimnis beflügelt ungemein und es gibt auch Energie. Mensch, ist das jetzt toll mit diesem Menschen. Das habe ich ja noch nie erlebt, diese Übereinstimmung, dieses Lachen über dieselben Dinge, diese Nähe, diese Begierde.
Dass man früher vielleicht auch mal glücklich eine Ehe eingegangen ist, hat man vergessen. Denn das Glück wurde vom Alltag aufgefressen.
Das hält die ersten Wochen, vielleicht sogar Monate, dann verändert sich der Hormonhaushalt wieder und es kommen die ersten Bedenken und Gewissensbisse. Wo soll das noch hinführen, ich kann den Ehepartner doch nicht verlassen, es hängt zu viel dran und den Affärenpartner kennt man ja eh nur von der Schokoladenseite. Der Realitätssinn kehr wieder ein, aber die Affäre besteht, weil sie wichtig geworden ist und immer noch mehr gibt als nimmt. Ein paar schöne und gestohlene Stunden zu zweit, wer kann dazu schon Nein sagen. Auch wenn es hundert Mal falsch ist und dafür gelogen und verschwiegen wird.
Eigentlich müsste ich das ja aufgeben, weil es verlogen ist, aber ....
Entweder Affären gehen zu Ende wenn sie auffliegen, denn dann kriegt es zumindest der eine mit der Angst. Oder sie sterben einen langsamen Tod, weil der Reiz des Neues verfliegt und sie nützen sich ab. Oder einer von beiden kriegt kalte Füße und sagt, Du, sorry, äh, aber meine Ehe ist mir leider doch wichtiger als Du.
Affären ähneln einem Müllplatz, auf dem man sich eigentlich nicht aufhalten will und es doch tut, weil auch Müllplätze einen Reiz haben können.