Lieber Schnauzevoll,
ich wollte dein Thema nicht kapern. Eigentlich wollte ich dir mit meiner Geschichte nur aufzeigen, dass falls du dein Leben noch einmal ändern möchtest, es jetzt dafür an der Zeit wäre. Auch wenn die Statistiken inzwischen eine Lebenserwartung von 80 Jahren und mehr suggerieren, heißt das nicht, dass du die letzten 20 Jahre garantiert aktiv und bei guter Gesundheit erleben wirst. Meiner Erfahrung nach ist das eher die Ausnahme. In der Regel nehmen die Erkrankungen ab ca. 60 Jahren zu. Und wenn es auch, wie in meinem Fall nicht immer die schwere, todbringende Krankheit sein muss, so ist es doch oft so, dass die Lebensqualität ab 60 stetig abnimmt. Und sei es nur eine ordentliche Kniearthrose, hoher Blutdruck oder ein Rückenleiden, dass dich heimsuchen wird.
Natürlich wünsche ich dir alles das nicht. Ich wünsche dir, dass du dich von deiner Frau ordentlich und fair trennst, dass ihr weiterhin einvernehmlich für eure Kinder da sein und trotzdem noch einmal eine positive Wendung in euer Leben bringen könnt. Ich wünsche dir, dass du dich vielleicht noch einmal verliebst, eine tolle, liebevolle neue Partnerin gewinnst, mit der du die letzten Jahre glücklich verbringen kannst. Dazu aber bedarf es einer Entscheidung, bzw. Deiner Entscheidung.
Ich verstehe, dass du diese Entscheidung vor dir her schiebst. Zu schwer erscheint dir die Tragweite und zu unwahrscheinlich das von mir oben beschriebene Happy End. Vielleicht ist es auch unwahrscheinlich. Vielleicht endest du auch nur als einer der zahlreichen Singels in Deutschland, der in seiner kleinen 50m2 Wohnung vor sich hinschimmelt. Vielleicht musst du dann Alter und Krankheit alleine ertragen. Vielleicht wird dann die ambulante Pflegekraft, die 2 mal täglich kommt, um dir die Stützstrümpfe an und wieder auszieht deine einzige Bezugsperson sein.
Um ehrlich zu sein, ist es sogar wahrscheinlicher, dass du das 2. Szenario erleben wirst und eben nicht den Happy-End-Ritt in den Sonnenuntergang, von dem hier so viele träumen. Ich verstehe also sehr gut, dass du statt dieses Risiko einzugehen lieber in deiner jetzigen Situation verharrst. Und ich verstehe auch, dass dieses Forum dir einfach nur dazu dient, deinen Frust und deine Unzufriedenheit einfach einmal zu äußern. Dieses Forum ist eigentlich nichts weiter als ein großer, weltweit vernetzter Kummerkasten.
Niemand hier hat das Recht, dir zu einer Trennung zu raten und den Vollzug umgehend von dir zu erwarten. Es ist und es bleibt dein Leben und deine Entscheidung. Egal was auch immer du tust oder nicht tust.
Ich jedenfalls wünsche dir, dass du deine Entscheidung für dich richtig triffst. Lass dich nicht von einem Internetforum unter Druck setzen. Wir beide hatten leider kein Glück bei der Wahl unserer Ehepartner. Niemand kann sich vorstellen, wie es ist, mit einem Menschen zu leben, der in dieser Weise psychisch und in seinem Sozialverhalten gestört ist. Wir wissen es, lieber TE und wir leben damit.
Manchmal, wenn mich die Last fast erdrückt, erinnere ich mich daran, wie mein Mann früher war. Auch damals hatte er schon seine Marotten. Doch nie hätte ich gedacht, dass diese sich mit zunehmendem Alter derart auswachsen und uns das Leben zur Hölle machen würden. Damals dachte ich, wenn ich ihm nur genug von meiner Liebe geben würde, würde er sich ändern. Ich hatte gehofft, er würde ein freier, unbefangener, glücklicher Mensch werden können. Doch zu schwer wiegen seine Traumata und seine frühkindlichen Prägungen. Keine Liebe dieser Welt kann ihm diese schweren Ketten nehmen. Wahrscheinlich wäre es auch heute noch für mich richtig und wichtig, ihn damit allein zu lassen, um mich selbst zu retten.
Ich denke aber, dass das inzwischen auch für mich zu spät ist. Ich habe keine großartige Zukunft mehr vor mir. Ich habe keine Perspektive mehr, mein Leben noch einmal von Grund auf zu ändern. Vielleicht hätte es diese Chance vor 15 Jahren gegeben. Ich weiß es nicht aber es kam eben anders. Damit zu hadern macht heute keinen Sinn mehr. Mein Leben ist wie es ist. Alles kam so, wie es eben sein musste. Vielleicht hätte es Weggabelungen gegeben, die ich ignorierte. Aber vielleicht hätten mich diese anderen Wege nur auch wieder an genau den Punkt gebracht, an dem ich heute stehe. Vielleicht dann nicht mit meinem Mann sondern mit einem anderen Partner, der aber sicher auch kein Prinz auf einem weißen Pferd mit goldener Krone und rotem Mantel gewesen wäre.
Ich glaube, das Leben stellt den Menschen vor Aufgaben, die es zu lösen gilt. Wir alle sind hier, um zu lernen. Ich stehe nun vor den schwierigsten Lektionen, die das Leben zu bieten hat. Das wird meine Meisterprüfung werden. Ich habe so wie alle anderen Menschen auch kein Grundrecht auf Glück. Es wäre aber undankbar, mein Leben nur als Unglück zu sehen. Ich hatte immerhin das Glück in einem der reichsten Länder dieser Erde leben zu dürfen. Ich habe gesunde Kinder, die alle zu wunderbaren Menschen herangereift sind. Ich habe eine Ehe geführt, die mehr als 40 Jahre nun schon hält. Vielleicht habe ich damit mein Glückskonto aufgebraucht. Und vielleicht war es meine wichtigste Aufgabe, die Kriegswunden meiner Eltern weiter zu ertragen und heilen zu lassen.
Vielleicht ist es auch meine Aufgabe, diesen Hass und die Verbitterung, die Hartherzigkeit und Selbstgerechtigkeit dieser Generation heilen zu lassen und eben nicht mehr weiter zu geben. Das immerhin habe ich geschafft und vielleicht ist das genug für ein einziges Leben. Vielleicht ist es jetzt auch noch meine Aufgabe, einfach meinen Mann und seine Marotten weiter zu ertragen, ihm hin und wieder Grenzen zu setzen, wenn er über das Ziel hinaus schießt und dabei gut für mich zu sorgen, damit ich stark genug bin, alles das zu ertragen.
Vielleicht bin ich da, wo ich jetzt bin, genau richtig?! Vielleicht gehe ich deshalb nicht von hier weg?! Vielleicht ist mein Leben gar nicht so wichtig, wie ich annehme?! Vielleicht geht es um etwas ganz anderes, viel größeres?!
Ich hoffe, die Antworten darauf irgendwann zu finden. Hier aber, in diesem Forum finde ich sie mit Sicherheit nicht. Deshalb verabschiede ich mich nun noch einmal und vollständig.
Euch wünsche ich Zufriedenheit, Glück und Liebe! Und ich wünsche Euch, dass ihr dieses Forum eines Tages nicht mehr braucht, weil ihr verstanden habt, dass die Antworten im Grunde genommen in euch selbst liegen und eben leider nicht hier. Niemand hier geht wirklich in den Schuhen der Themenersteller. Und das Bild und die Einblicke, die diese hier in ihr Leben geben können, sind mehr als bruchstückhaft. Das anzuerkennen ist vielen Ratgebern aber offensichtlich nicht möglich. Seien wir nachsichtig mit ihnen!
Alles Liebe!