Meine liebe Johanna,
eigentlich kann ich Dir im Moment nichts Neues sagen, nichts, was wirklich hilft und den Schmerz verschwinden lässt.
Ich hatte es damals leichter, denn mein Ehemann war ja noch da. Ich war also nicht ganz allein.
Aber der Trost daraus war auch nicht groß. Ich hatte die Ehe über Monate vernachlässigt, nicht gepflegt und alle Energie in diesen Affärenmann gesteckt, der nicht zu dem wurde, was ich mir erhoffte.
Wie bei Dir kamen danach große Selbstzweifel und Selbstvorwürfe. Denn ich hatte mich in etwas verloren, aus dem ich freiwillig und obwohl es mit Angst besetzt war, nie selbst heraus gefunden hätte. Ich brauchte, um mich endlich an meiner Nase zu packen, einen Schock. Der kam dann auch in einer Trennung des AM per Mail.
Wie Du habe ich nicht nur unter einer immensen Traurigkeit und Enttäuschung gelitten und unter einer Sehnsucht, die innerlich brannte, sondern nach einiger Zeit auch unter Selbstvorwürfen. Ich hatte mich auch belogen, mir alles schön geredet. die Realität, die jeder hätte erkennen können, ausgeblendet. Schließlich hing mein Lebensglück davon ab, dachte ich.
Dann kam natürlich auch die Wut auf den AM, der mich schmählich abserviert hatte. Eine volle Breitseite für mein Ego, das durch die vorherigen Monate eh schon stark beschädigt war!
Was mir damals half, war ein gewisser Trotz. Wegen Dir lasse ich mir nicht mein Leben vermiesen! Es ist noch nicht zu Ende, es geht weiter., auch für mich und eines Tages werde ich lache und Du wirst vlt. weinen, wenn auch nicht über mich!
Trotz ist ein Hilfsmittel, aber er tut nicht gut. Da es nur ein Konstrukt ist, hilft er nicht. Nichts weiter als eine Krücke, um mit dem emotionalen Tief besser umgehen zu können.
Auch Hass ist keine Lösung. Es gibt Menschen, die hassen ewig. Das ist dumm und ungesund, denn Hass schadet nur dem, der ihn empfindet.
In der Phase, in der Du bist, ist er normal und auch nachvollziehbar. Hass bedeutet immer noch, ich habe Energie! Ebenso Wut! Ein Zeichen dafür, dass noch Ressourcen da sind. Und genau diese Ressourcen wirst Du für später brauchen, für Dich selbst.
Du darfst und sollst die Wut und den Hass ausleben, auch die Selbstzweifel sind ein Zeichen für einen gewissen Selbsthass. Aber warte ein paar Wochen und Monate und Du wirst merken, kein kann ewig hassen. Es ist ein Gefühl, das einen selbst schädigt und keinem sonst schadet, nur einem selbst.
Wichtig ist nur, dass diese Phasen nicht ewig andauern. Irgendwann kommt die Zeit, wo Du die Sache gelassener betrachten kannst. Ja, ich habe mir damals was vorgermacht, das gehört, was ich hören wollte, mich belogen usw. Aber das war, weil dieser Mann für mich sehr bedeutsam war und ich dann auf einmal nur noch mit mir beschäftigt war. Vor der Trennung warst Du mit dem Mann beschäftigt, ihm gehörten Deine Gedanken, Deine Gefühle, Deine Energie. Du warst eine Marionette, mit der umsprang, wie er wollte.
Das war alles Andere als gut und ja, ich habe damals einfach auch versagt. Aber ich bin ein Mensch, der nicht schlecht ist. Der niemandem was Schlechtes wollte, ich wollte doch auch nur ein Stück vom Glück. War das zuviel verlangt? Nein, aber wenn man dort sucht, wo kein Glück zu erwarten ist, dann liegt das auch an einem selbst. Du weißt schon, innere Muster, Eltern usw.
Muss man sich dafür auf ewig Vorwürfe machen? Ich sage nein.
Wer in Selbstvorwürfen verharrt, macht etwas Schlechtes mit sich. Der Mensch verbaut sich einen Blick auf eine Zukunft, auf bessere Zeiten, die kommen werden und die man dann sozusagen mit einem halbwegs geheilten Herzen annehmen kann. Selbsthass verhindert Weiterentwicklung. Und auch ewige Trauer verhindert Weiterentwicklung, weil man sich eine Opferhaltung zuweist. Die hat auch ihr Positives, denn ein Opfer muss ja nichts tun, es verharrt im Leiden. Opferhaltung ist Stillstand und auch Bequemlichkeit, denn sie verlangt nichts außer dem Verharren in einem negativen Zustand, der irgendwann Normalität wird.
Eines Tages, in einigen Monaten, beobachte Dich selbst. Schau und erkenne an, was Du fühlst. Aber irgendwann muss sich was ändern. Dein Leben ist nicht vorbei und es gibt auch in Deinem Leben Lichtblicke, auch wenn Du sie jetzt nicht siehst und würdigst. Denn sie sind normal und werden daher nicht geschätzt. Und überhaupt helfen sie Dir jetzt sowieso nichts. Was helfen mir meine Eltern, was mein Kind, was meine Freunde, wo ich so viel leide!
Falsch. Suche das Positive und lerne es zu schätzen. Es ist nicht selbstverständlich! Richte Deinen Blickwinkel auch immer auf das Positive, Du weißt schon, Gefühle folgen den Gedanken.
Ach, uns noch was! Ehrlichkeit gegenüber sich selbst ist eine gute Sache, auch wenn sie weh tut. Aber manchmal braucht es eben die Breitseite, ehe man gegenüber sich selbst ehrlich ist. Was habe ich mitgemacht, warum das alles hingenommen, von etwas geträumt, was niemals eingetreten ist?
Du hast den Mann, der dafür nicht geeignet ist, in eine Rolle gedrängt, der er nicht gewachsen ist, und die er nicht erfüllen will.
Natürlich ist das auch Deine Schuld, aber manche Dinge erkennt man erst hinterher.
Das Wichtige ist doch, dass man sie erkennt. Der Mann war falsch, ich folgte nur meinen Träumen und Illusionen und es ist auch gut, dass mich das Leben vor Schlimmeren bewahrt hat. Was hätte Dir eine Heirat geholfen? Du wärst noch unglücklicher geworden.
In diesem Sinne, permanente Selbstvorwürfe, die sich eh nr im Kreis drehen, sind zwar normal, aber sie dürfen keine Dauereinrichtung werden. Denn Selbstzweifel beeinträchtigen Dich nur im vor allem, sie halten Dich im Status quo. Damit ist Dir nicht geholfen.
Hey, streichle Dich auch mal selbst. Lob Dich doch mal! Finde irgend etwas, was Du heute gut gemacht hast und denke daran!
Du bist die Meisterin Deiner Gedanken und Gefühle.
Du bist Exklusivware, auch wenn der Eine Dich wie Ramsch behandelt hat. Er hat Deinen Wert nicht gesehen. Selbst schuld! Er fährt ja eh lieber auf Malle und rennt sich dort selbst davon.
Du bist eine topp Frau! Vergiss das nicht!
Begonie
11.10.2019 13:49 •
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