Der Tag ist scheußlich. Mir geht’s seit geraumer Zeit nicht wirklich gut und ich bin nicht entsprechend dagegen vorgegangen. Ich weine schon morgens. Raffe mich zum Spazieren mit L. auf. Schlafe mit beim ersten Nickerchen. Werde unsanft geweckt. Raff mich zum Einkaufen mit L. auf. Breche danach heulend zusammen. War mir zu anstrengend. L. quengelt in einer Tour, die Zähne. Er quengelt und quengelt, obwohl ich alles mache, obwohl ich so müde bin, obwohl bei mir die Luft raus ist und ich nur noch heulen kann. Ich will schlafen.
Beim zweiten Nickerchen mache ich auch wieder mit. Wache nach einer Stunde auf, obwohl ich so müde bin. Ich muss auf Toilette, ich kann nicht liegenbleiben, ich hasse es. Ich will schlafen.
Ich stehe auf, 15 Uhr, Toilettentür geschlossen. T. sitzt drauf, ist gerade heimgekommen.
Jetzt bin ich es, die quengelt, ich muss so pinkeln. Er sagt, ja, warte, 5 Minuten, bin gerade erst rauf! Ich bin so genervt. Und will ihn aber auch nicht hetzen. Lass, ich *beep* in die Dusche. Ladylike.
Ich dusche alibihalber noch bei der Gelegenheit. Es war dringend, verdammt.
Seit der Schwangerschaft ist es immer so dringend. Immerzu. Ich muss Sport treiben…
Ich bin todesfertig, das bisschen Gedöse mit L. ersetzt keinen Nachtschlaf, der schon so lange so beschnitten ist. Ich bin eklig und grantig und mir dessen nicht bewusst. Murre, dass ich weiterschlafen will, L. nicht wecken möchte, auf dem Sofa schlafe, bis er aufwacht. T. sagt eigentlich gar nichts, ist still.
Wir gehen kurz darauf zusammen auf den Balkon rauchen. Wo ich ihn frage, ob es ein scheußlicher Tag war. Er ist so still. Dabei ist er eigentlich geladen. Und nun kommt`s raus. Dass der Tag erst scheußlich ist, seit er zuhause ist. Dass ich ihn auf dem Klo stresse zur Begrüßung, dann zum Stillsein verdonnere mit meinem Auf-dem-Sofa-Schlafen, er dürfe nichts machen. Ich verstehe, was er meint, ich rechtfertige mein Tun, nachdem ich mich dafür entschuldige. Ich solle nicht alles verdrehen, muss ich mir da wieder anhören, er wolle meine Rechtfertigungen nicht hören. Ich sage, ich rechtfertige mich ja gar nicht, es sei meine Sicht der Dinge. Wir drehen uns im Kreis, wie wir uns immer im Kreise drehen.
Das Karussell hat gestartet und es nimmt jedes Mal ein wenig rasanter Fahrt auf. Gut geölte Maschinerie. Wir schweigen kurz, dann kotzt T. wieder los. Was das für Wäsche sei in der Waschmaschine. Er muss jetzt waschen und immer ist Wäsche in der Maschine. Ich höre es beim ersten Mal und lasse ihn sich wiederholen. Weil er mich nervt, die Frage, diese tägliche Frage, mich so ankotzt. Und er regt sich auf, wie es ihn nervt, hier jeden Tag die gewaschene, nicht aufgehängte Wäsche vorzufinden. Ich verliere langsam die Nerven, die ich verdammt nochmal schon den ganzen Tag nicht hatte. Ich reiße mich zusammen. Es macht mich so wütend. ICH WILL DIE WÄSCHE AUCH NICHT!, erkläre ich. Diese schei. jeden Tag, über die er sich aufregt, aber die ich wasche und aufhänge, wenn auch acht Stunden dazwischen liegen mögen.
Weil ich ja nichts mache!, regt er sich auf. Und das hört er immer und ich sage es nie und natürlich steckt ein „Mach mehr“ drin, aber kein „Nie machst du“. Und wir sind so blöde, jetzt ist es nicht mehr die Wäsche, nun ist es das nie gesagte Nie-machst-du, ein Wort jagt das nächste, keiner von uns beiden kann die letzten Worte des anderen auf sich beruhen lassen.
Irgendwann, zeitlich nicht mehr richtig einordbar, fällt der vorwurfsvolle Satz: Dann esse ich jetzt Brezel Nr.3 und 4 des Tages!
Er, der immer sagt „das Essen muss nicht fertig sein“, „Du musst nicht kochen“ und „Ich bedanke mich immer“, sagt jetzt das. Ich stürze mich darauf wie ein Geier, der ihm die Augen auspicken will. Dass er sich verdammt nochmal etwas zu essen machen kann, dass ich verdammt nochmal tagtäglich für einen gefüllten Kühlschrank sorge, dass er verdammt nochmal 38 Jahre alt und älter als ich ist und sich sein verdammtes Essen selbst machen kann. Ich glaube, da wechselte er das Thema.
Es ist egal. Wir reden aneinander vorbei. Ich will nur noch gelassen werden, verpiss mich aufs Klo und kann einfach nicht fassen, was jetzt hier schon wieder Phase ist, wieso? Wieso muss so ein schei. noch beschissener werden…
Ich glaube, ich heule. T. kommt und will es beenden. Ich sitze aufm Klo und ich glaube, ich heule. Er kommt auf mich zu und will mich in den Arm nehmen, Versöhnung. Nichts liegt mir gerade ferner. Allein die Vorstellung, berührt zu werden, JETZT, wo ich so unbedingt um mich schlagen will. Wo er mich so wütend macht. Und ich heule richtig los und sage, schreie, dass ich das jetzt nicht kann, dass ich um mich schlagen will und ich wedele mit den Armen, ohne mir zu erlauben, gegen die Toilettenwände links und rechts zu schlagen, aber ich darf nicht, das verwendet er gegen mich, dass wird er mir vorhalten, mich als irre denunzieren. Zumindest ist das meine Angst.
Er lässt mich nicht. Er stellt sich vor mich und erzählt mir, dass man halt nicht immer kriegt, was man will, dass andere einen halt nicht in Ruhe lassen und man sich dem stellen muss.
Zehnmal am Tag sagt dieser Mann er würde mich lieben, aber er kann mich nicht lassen, wenn ich vor seinen Augen einen Nervenzusammenbruch habe.
Mein Tonfall entgleist. All meine Wut, mein Hass, meine Hilflosigkeit liegt in dem nächsten Schrei und der ist nicht hoch und weinerlich, der ist guttural, tief und voller Aggression. Und ich stehe.
Die Botschaft verändert sich indes nicht. Ich schreie immer noch „Lass mich in Ruhe“, bloß knalle ich diesmal auch die Tür zu und schließe ab und versuche, meine Contenance wiederzufinden.
Es ist hier kurz vor Allem-was-wir-nicht-wollen und ich hole dann nur L. aus seinem Bett (er ist wieder wach) und verfrachte ihn in den Laufstall.
Zuvor darf ich mir zum dritten Male insgesamt anhören, T. würde mir beim nächsten Mal bei so einem Ausraster L. wegnehmen, ganz ehrlich, er beantragt das alleinige Sorgerecht. Ich sage ihm zum wiederholten Male, dass er Schwachsinn labere, rechtlich gar keine Grundlage bestünde und er die Klappe halten solle. Er muss dann noch einen Spruch drücken, man wisse ja nicht, ob ich nicht irgendwann mit dem Messer vor ihm stünde. Und dieser Spruch…. Dieser dumme Spruch bohrt sich wie ein Messer in mein Herz. Ich finde es so mies. Das Alles. Das Ganze. Ihn.
Wie traurig, wie erbärmlich. Gegen „Ich nehm dir das Kind weg“ bin ich schon abgestumpft beim dritten Mal hören. Was Neues muss her.
Ich habe so den Verdacht, dass das im nächsten Streit wiederkommt. Dieses ich-sei-vielleicht-gewalttätig. Es funktioniert so schön. Und wenn? Dann ist alles Masche und Manipulation?
Ich verpisse mich zu einem Kumpel. Ich bettle um Einlass und bin erleichtert, Zuflucht gewährt zu bekommen.
Ich bin dort 1,5 Stunden, ehe ich einen verpassten Anruf entdecke. 25 min her. Es ist unüblich, normalerweise stört T. mich nicht, wenn ich außer Haus bin. Ich versuche dreimal mit Abständen zurückzurufen, schreibe auch „Alles okay?“ bei WA, alles bleibt ohne Antwort. Ich fühle mich von den Worten und Trost meines Freundes gestärkt, habe bereits den Plan für die nächste Zukunft mit ihm erörtert. Ich bin unruhig; ist was mit L.? Kommt T. klar?
Ich sage zwar zu meinem Kumpel, dass ich mich ehrlicherweise gerade wie ein Hündchen an der Leine fühle und indem er mich in Unklaren lässt, pfeift T. mich zurück. Benutzt meine Angst um mein Kind. Das kann mein Freund auch nicht negieren, wirkt ein wenig so.
Zuhause frage ich: warum hast du angerufen. Der Blick meines Mannes ist voller Dinge, die ich nicht verstehe. Hat jetzt keine Relevanz mehr, antwortet er und geht auf den Balkon.
Ich widme mich meinen Sohn und sage zu ihm: Genau. Hündchen zurück, Feierabend gesichert.
Einen Tag später gab es bereits mehrere Gesprächsanläufe, Versöhnungsversuche. Er möchte es wie immer machen, ab unter den Teppich kehren, lass uns küssen und vergessen.
Ich lehne das gerade sehr ab, ich bin es so leid, das immer Gleiche daran, das in fünf Tagen wieder aufploppt. Es fühlt sich an wie nachtragend sein, als wäre ich jetzt der Ar., der ihn leiden lässt, ihn hinhält und quält und den Streit aufrecht erhält. Tue ich das? Sind das Heiß-Kalt-Spielchen? Dass ich mich einfach nicht öffnen mag, weil dann tut es nächstes Mal wieder so weh.
Ich sage nicht, dass mein Verhalten so toll war. Aber ich habe nichts Böses gesagt, immer verteidige ich mich nur. Nie entschuldigt er sich für solche Aussprüche wie „Ich nehme dir das Kind“, im Gegenteil, das ist sein Standpunkt, ich war ja so ausgerastet. Die einzigen Entschuldigungen die ich bekomme, sind pauschale („Für alles“) oder vorgekaut und nachgesagt. Und ich will keine mehr. Sie ändern rein gar nichts.
Das ist so der Stand der Dinge, das hab ich ihm größtenteils auch alles so ins Gesicht gesagt (bis auf Anruf/Hündchen). Ich habe weitere Gespräche, wo sein Anteil aus „Ich weiß nicht, was wir ändern können“ und „Ich weiß nicht, was wir machen sollen“ besteht, verweigert und mich zurückgezogen, um es mit mir auszumachen. Er weint auch. Hat einen Kuss erbeten im Gegenzug fürs Kind-ausm-Bett-holen. Ich wollte noch fertig schreiben.
Ist Erpressung, sage ich und beuge mich zu ihm. Er dreht den Kopf weg und sagt, er möchte nicht, wenn ich nicht möchte. Ich küsse ihn innig und sage, dann würde ich es auch nicht tun. Er kriegt noch einen Kuss und seine Augen sind tränenfeucht. Er weint ganz selten, eigentlich nur, wenn wir uns übel streiten und nicht vertragen kriegen.
Wieso läuft es so?
Nun versiegt der Streit wieder klammheimlich im Sande, festhalten will ich ihn so wenig wie vergessen und merke – das ist paradox und unmöglich. Keiner lernt was, die üblichen Lehren (Er kriegt eine Stunde nach Feierabend, wenn ich sage Lass Mich, lässt man mich) haben wir ja längst gezogen und nicht angewandt.
Er sagt, ich darf so nicht entgleisen. Ich sage, er darf mich nicht so triezen. Dass niemand außer ihm diesen Ton je gehört hat. Ich sage, es ist traurig, dass es diesen Ton braucht, um in Ruhe gelassen zu werden. Darauf kam nichts weiter, nur die Kussbitte weit später.
Was denkt ihr dabei?
Ich, ich, ich, MIMIMI?
Ich würde gerne Meinungen hören. Zu was auch immer davon ihr eure Meinung abgeben mögt. Habt Dank fürs Lesen.
13.11.2025 16:38 •
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