Also ich für meinen Teil sehe das etwas anders...
Wer in der Lage ist, jemandem zu sagen, dass man ihn liebt, Stunden bevor man sich trennt, wer mit einem schläft, Stunden bevor man sich trennt, obwohl man in seinem Inneren kurz davor ist, mit dem Gegenüber abzuschließen, oder, emotional, sogar schon abgeschlossen hat, der spielt mit den Gefühlen von Menschen.
Dann zu sagen: "ich liebe dich" soll meiner Meinung nach nur verhindern, dass der Partner etwas von dem Vorhaben merken könnte.
Ist der Prozess des Entliebens einmal vorangeschritten, kann man mir nicht erzählen, dass derjenige das "ich liebe dich" in dem Moment noch spürt. Er/Sie wird in dem Moment selber merken, dass das nicht mehr ganz der Wahrheit entspricht.
Außerdem bin ich der Meinung, dass vor dem Entlieben, Zweifel aufkommen. Wo ist da das Problem sich mit dem Partner hinzusetzen und zu sagen: "ich fühle mich nicht gut... irgendwas fehlt mir in der Beziehung. Ich denke viel nach"
Das wäre dem Partner gegenüber fair, weil es Bereitschaft signalisiert an der Beziehung zu arbeiten, herauszufinden, was das Problem ist.
Es zeigt Respekt und Wertschätzung.
Selbst wenn am Ende dieses Prozesses eine Trennung steht, war der/die Partner/in wenigstens involviert.
Man wird nicht bei 180 km/h vor den Zug geschubst und fällt aus allen Wolken, weil man nichtsahnend davon ausgeht der/die Partner/in empfindet das Gleiche.
Für mich sind die inneren Prozesse, das ausmachen mit sich selber, eine Folge unserer Gesellschaft. Wir haben nicht mehr drauf von Angesicht zu Angesicht mit dem Gegenüber über unangenehmes zu sprechen, weil wir uns viel zu oft hinter Bildschirmen verstecken und Unangenehmes lieber über WhatsApp klären, weil man dann nicht die unmittelbare Reaktion des Anderen mitbekommt.
Ich glaube so verhält es sich zu oft auch mit inneren Prozessen in Partnerschaften. Man will zu einem gewissen Zeitpunkt nicht mit dem Gegenüber über seine Zweifel reden, weil man selber noch zu sehr emotional gebunden ist. Die Reaktion dann mitzubekommen würde einem selbst auch wehtun. Also wartet man lieber, bis man selbst ausreichend emotionalen Abstand hat und es einen nicht mehr so hart trifft den Anderen zu verletzen. Für mich ist das kein Akt der Selbstbestimmung, sondern einer des Egoismus.
In meinen Augen hat dieses Abrupte beenden, nach wochen- oder monatelangem, inneren Prozess des Entliebens, bei gleichzeitigem "ich wiege den Partner in Sicherheit", mit Charakterschwäche zu tun.
Viele von denen, die eine Beziehung auf diese Art beenden, wollten sich vorher in eine möglichst komfortable Situation bringen, um den letzten Schritt, die Aussprache der Trennung, nur noch wie ein Pflaster abziehen zu müssen.
Zurück bleiben ahnungslose Verlassene, die nichts geahnt haben, weil in keinster Weise, auch nur ansatzweise, am Verhalten des Verlassenden zu erkennen war, dass er diesen Schritt gehen möchte. Das hat nichts mit "freier Mensch" sein zu tun und auch nicht mit "jeder hat das Recht eine Beziehung jederzeit zu beenden" zu einer Beziehung gehören immer zwei Menschen. Man sollte sich jederzeit darüber im Klaren sein, dass man mit Gefühlen eines anderen Menschen jongliert.
Ab einem gewissen Alter kann ich auch eine gewisse Reife voraussetzen, die beinhaltet, dass man den Menschen, den man ja dann auch irgendwann mal geliebt hat, respektvoll behandelt.
Außerdem hat man ja, auch bei dem inneren Prozess des Entliebens, Gründe die man mit sich selber ausmacht. "Dies oder das fehlt mir, es entwickelt sich eher freundschaftlich, ich fühle mich körperlich nicht mehr hingezogen, mich nervt xy".
Derjenige der sich entliebt, geht aber nicht in die Offensive und spricht diese Dinge offen an, sondern beobachtet, bis die Gefühle immer mehr weichen und einer Art Gleichgültigkeit Eintritt, oder eben der Wunsch nach Veränderung.
Für mich zeugt dieses ganze Prozedere eher von einer Art Beziehungsunfähigkeit. Entweder ich möchte mich binden, oder ich möchte es nicht. Man merkt doch recht schnell, ob der/die andere der/die Richtige ist, oder nicht. Ist man über diesen Punkt hinaus und glaubt, jemanden gefunden zu haben und lässt das Verliebtsein nach, dann bedeutet eine Beziehung auch Arbeit. Gibt es keine negativen Einflüsse, häufige Streits, auseinanderleben wegen erheblicher persönlicher Veränderung, etc. dann gibt es mMn nichts, an dem man nicht auch arbeiten kann. Nur dazu gehören eben zwei. Wenn man dann natürlich nicht gesagt bekommt was stört, oder fehlt, dann kann man auch nicht arbeiten.
Ich habe selber schon Beziehungen beendet, aber ich war nie in der Lage Dinge zu sagen, die ich nicht fühle, da ich mich selber belügen würde.
07.04.2021 23:21 •
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