Zitat von TiefeWurzel: Es liest sich nach Angekommensein und innerer Ruhe, die du gefunden hast.
Merkwürdigerweise fühle ich mich seither innerlich tatsächlich ruhiger und ich bin in der Realität angekommen. Träume von früher, unrealistische Wünsche sind wie weggeblasen. Vorher fühlte ich mich sehr unruhig, so als ob ich Sprungfedern unter den Füßen hätte, mit denen ich mal hierhin, mal dorthin sprang, ohne jemals anzukommen.
Die Stabiltät habe ich erst sehr spät gefunden, aber besser spät als nie.
Ich habe gelernt, das zu schätzen was ich habe, auch wenn es nicht perfekt ist. Und das betrifft auch den Partner. Wir kommen oft ganz gut miteinander aus, manchmal aber haben wir Kommunikationsprobleme, weil er anders denkt als ich und das kriegen wir nicht raus. Also leben wir damit, dass es des öfteren Missverständnisse gibt. Aber Umerziehungen sind nun mal nicht möglich. Jeder hat seine guten und weniger guten Eigenschaften und auch manche schlechte. Ist leider so, aber das ist wohl auch dem Menschsein geschuldet.
Zitat von TiefeWurzel: Im Moment ist alles so aufgewühlt durch die letzten Monate. Es fühlt sich für mich alles irgendwie so an, als wenn sich alles auf den Kopf stellt und ich noch nicht so richtig weiß wo und wie die Reise hingeht.
Wo die Reise hingeht, ist völlig offen und das ist gut so. Denn wir können nicht alles im Leben planen, auch wenn manche das glauben. Und derzeit bist Du schlicht und einfach durch den Wind, da vermisst man die Orientierung, das Ziel und den Weg.
Aber ich denke, das ist auch gut so. Denn sonst würdest Du wieder in festgefügten Bahnen gehen und das hast Du über Jahre getan, dass jetzt vielleicht mal ein Waldweg oder auch ein Steig richtig wären.
Lass es einfach fließen und schau, was kommt und welche Gedanken Dir durch den Kopf gehen. Und fühle in Dich hinein und nimm wahr, was Du brauchst und welche Bedürfnisse Du hast. Das ist wirklich sehr wichtig, denn das ist Selbstachtsamkeit.
Sich nicht gängeln lassen, nicht zwanghaft etwas erreichen wollen, sich nicht einpressen lassen in ein Schema, das sich Andere für Dich ausgedacht haben - Du bist individuell. Und was für den Einen gut ist, ist für den Anderen nicht gut.
Das geht alles ganz ohne Verkrampfung und Zwang. Denk Dir einfach, Du bist auf einem Fluss, der Dich trägt und dann irgendwo an ein Ufer spült. Oder suche Dir ein anderes Bild.
Es war schon eine merkwürdige Zeit damals, weil auf einmal so viel passierte. Was mit meiner Ehe werden würde, wusste ich nicht. Ich ließ es einfach laufen und dachte mir, es wird sich schon fügen oder vielleicht auch nicht. Beruflich taten sich neue Dinge auf. Noch einige Jahre zuvor hätte ich mächtig Angst gehabt, denn die Angst vor dem Nichtgenügen war immer bei mir da - auch ein Relkt der Erziehung. Sei so, aber nicht anders, dann bist Du in Ordnung. Und ich war eben leider nicht so, wie ich in den Augen vor allem meiner Mutter sein sollte. Ich war leider nicht perfekt, sondern vielleicht nur mittalmäßig, Gut in der Schule, aber kein Überflieger mit Bestnoten. Die Schule gefiel mir immer, ich mochte es Neues zu lernen und mich zu bewähren. Denn durch gute Noten fand ich Anerkennung und Bestätigung.
Ich traute mir oft nicht viel zu, was man von außen nicht merkte, aber ich fühlte die Selbstzweifel beständig. Und dann stand ich vor einer neuen Herausforderung - und nahm sie an. Erst dachte ich mir, so wild wird das schon nicht, aber es stürmte dann sehr viel Neues auf mich ein. Und dann merkte, es ist ja unglaublich, aber ich kann das ja auch. Immer hatte ich andere bewundert und mir gedacht, Du bist halt nur Schmalspur-Lieschen-Müller, Du könntest das nie und dann wunderte ich mich, wie gut es ging. Das pushte mein Selbstvertrauen und das blieb mir.
Dann die Sache mit den Briefen, die vielen Gedanken, die mir durch den Kopf ratterten, die wechselnden Gefühle, die ich wahrnahm. Von Heiterkeit und Freude bis zur Niedergeschlagenheit, von Zuversicht bis Trostlosigkeit, von Angst zu Mut - ich lebte einfach damit und ließ das zu und arbeitete nicht gegen negative Emotionen. Und dann die vielen Erkenntnisse, wie ich geformt, ja dressiert worden war, denn meine Mutter hatte Ansprüche an mich. Manchmal denke ich mir, im Grund genommen war ich selten so, wie ich sein wollte, sondern war so, wie andere mich haben wollten. Wer bin ich? Das weiß ich heute noch nicht, aber mit dieser fehlenden Erkenntnis komme ich doch ganz gut zurecht.
Lass alles zu und nimm die Zeit, die jetzt so ist, wie sie ist. Du kannst nicht gegen Trauer ankämpfen oder gegen Versagensangst oder Unsicherheit. Einfach so hinnehmen und daran glauben, dass wieder andere Phasen kommen.
Meine Ehe hat das überlebt, aber sicher auch, weil mein Mann mich sehr in Ruhe ließ. Ich brauchte Zeit zum Alleinsein und die gab er mir. Kein wie ist das jetzt mit uns und wie wird das? Kein wie geht es Dir denn jetzt?
Aber das tut er kaum, dass er in mich dringen will. Er merkt, wenn ich schlecht aufgelegt bin, gereizt und fragt dann mal nach. Es sind nicht alle Tage Sonnenscheintage.
Und dann passierte noch was. Zwei Jahre oder so waren nach der Affäre ins Land gegangen . Dieser Mann spielte keine Rolle mehr in meinem Leben. Ich dachte kam an ihn und er war mir gleichgültig geworden. Die Trauer, die Wut auf ihn waren vergangen. Und dann auf einmal fiel er mir ein. Das irritierte mich. Was war da los? Warum kommt er mir jetzt in mein Hirn?
Hatte ich immer noch nicht losgelassen? Doch, ich fühlte nichts mehr für ihn, weder positiv noch negativ.
War ich etwa neugierig, wie er jetzt lebte? Nein, das war es nicht, es war mir egal, was er machte oder auch nicht.
Und dann geschah etwas Seltsames: Ich sah diese defizitäre Beziehung auf einer Bühne, ein Zweipersonenstück, in dem erst jeder das Beste wollte und dann alles falsch machte. Ich sah, wie wir aufeinander reagierten und wie verflochten das alles wahr.
Und dadurch sah ich meine Rolle darin. Und es fiel mir wie Schuppen von den Augen. Er war damals in mein Leben gekommen, als ich mich in einer ausweglosen Situation befand. Ich war nicht direkt unglücklich, aber unzufrieden mit allem und jedem - am meisten mit mir selbst. Und das wollte ich mit ihm kompensieren. Er sollte Farbe in mein Leben bringen, das tat er, aber nicht mit warmen, sonnigen Farben. Er sollte mich aufmöbeln. Auch das tat er, aber ich empfand es als Stress. Ich war permanent in einem Unruhemodus und hnterfragte alles, was er sagte oder auch nicht sagte und was ich sagte oder verschwieg.Es war so viel Unehrlichkeit dabei, von beiden Seiten. Jeder spielte eine Rolle und lebte seine Defizite aus. Und ich war mit meiner Bedürftigkeit angekommen und hoffte auf Heilung. Da, hier hast Du mein trauriges Herz. Bitte mach es heil und dann gib es mir wieder. Er sollte Dinge für mich erledigen, die ich selbst nicht schaffte.
Er sollte mir das Gefühl geben, dass ich wertvoll war, etwas, was ich nie richtig glaubte. Er sollte mir zeigen, dass ich liebenswert war. Er sollte mich glücklcih machen wie der Märchenprinz, der Aschenputtel findet und aufs Schloss = in ein glückliches Leben führt.
All das verweigerte er mir und damit hatte er auch Recht. Er konnte nicht das für mich tun, was ich nicht tun wollte oder konnte.
Er ist nicht dafür zuständig, dass ich mit mir auskomme und mich akzeptieren kann. Das ist meine Angelegenheit und nicht seine. Das sah ich auf einmal und ich glaube, das kam aus dem Unterbewusstsein. Einiges drang an die Oberfläche und das kam recht blitzartig, als ich emotional längst nicht mehr tangiert war. Ein Fingerzeig, ganz sicher, eine Erkenntnis, die auf einmal da war. Keine schöne Erkenntnis, aber doch eine heilsame.
Und die Schuld relatvierte sich. Wer war nun Schuld am Scheitern? Keiner und Jeder.
Und dann wusste ich auf einmal, dass ich so nicht weitermachen kann. Entweder ich bin verheiratet und verhalte mich auch so und komme nicht irgendwann nach Hause, wenn mir gerade danach ist. Oder ich lasse es sein. Aber dieses Halbverheiratetsein war kein Modell für ewig. Ich entschied mich für das Verheiratetsein. Mit Verantwortlichkeiten, mit Verpflchtungen, mit Einschränkungen. Und diese Entscheidung war dann auch gut, denn sie war eine Orientierung.
Eines weiß ich sicher. Eine Affäre ist keine gute Sache, keine Option. Sie bringt nur Unordnung, Chaos und Unruhe.
Das Gegenteil von dem, was man braucht.
So was interessiert mich nicht mehr. Lektion schmerzhaft gelernt.
Liebes Wurzelchen, ich glaube, leben heißt auch lernen. Und das ist auch gut so, denn wir sind ja nie fertig.
Zitat von TiefeWurzel: Irgendwann holt ein alles ein und man muss sich mit seinem Gewordensein auseinandersetzen um das Hier und Jetzt leben zu können. Alte Muster ablegen und seine eigene Wege und Entscheidungen treffen. Verrückt (oder bloß gut) , dass mir das in diesem Bewusstsein mit 35 Jahren begegnet?! Das Erwachsen-Sein kann schon anstrengend sein, da beneide ich manchmal meine Kinder und Nichten/Neffen wie leicht sie das Leben nehmen und sich voll auf ihre Eltern verlassen dürfen...
Es ist doch ganz großartig, was das Leben bringt, oder nicht? Viele gute Dinge. Ja, und die Kinder und Nichten. Die sollen ihr Leben genießen, im Hier und Jetzt leben, alles Andere kommt später. Aber Eltern, auf die sie zählen können, sind ein sehr gutes Kapital fürs Leben, auch wenn Eltern nie perfekt sind. Die lernen jetzt, wie Leben geht. Sie schauen, sie nehmen wahr, sie sehen, Gutes und Schlechtes und sie übernehmen, was sie sehen, denn sie glauben, dass so das Leben ist.
Erwachsenwerden ist anders, nicht mehr so leichtfüßig und unbeschwert. Aber ohne Beschwernis und Mühe entsteht offenbar nichts Neues.
Ich freu mich für Dich, denn ich denke, Du bist an einem Wendepunkt angekommen. Wo er Dich hin führt, weißt Du noch nicht, aber das wird kommen.