Du hast weiter oben in die Runde gefragt, was andere am Tiefpunkt getan haben, sozusagen um Tipps zu erhalten.
Bei dem, was ich mitgelesen habe, hast du einen tragfähigen, belastbaren Freundeskreis, der dich stützt, mit dir etwas Geselliges unternimmt, Freundinnen oder auch Angehörige, die du in düsternen Momenten der Niedergeschlagenheit auch mal anrufen kannst, um nicht durzudrehen oder zusammen zu brechen. Gerade die Unterstützung von verständnisvollen Freunden, die einfach in der Notlage für dich da sind, erachte ich als das Wichtigste. Denn die sind dir vertraut, die gehören zu deinem sozialen Umfeld, denen kannst du deine neue Lebenslage und deinen Schmerz am ehesten vermitteln. Diese bleibenden Verbindungen, die Beistand leisten, Halt geben, Trost spenden, sind die beste Lebensversicherung.
Die lebensgeschichtliche Hauptaufgabe, neben der praktischen Anforderung des Aufbaus einer (vorläufigen) Existenz als Alleinstehende, dürfte psychologisch und emotional in der Ausfüllung bzw. Überbrückung der Leerstelle sein, die die Trennung hinterlassen hat. Abrupt aus einer vertrauten Beziehungsgemeinsamkeit, aus einer geschlossenen Gesellschaft zu Zweit, die immerhin Gewißheit gestiftet hat, sich plötzlich einsam und allein auf einer einsamen, unbekannten Insel wiederzufinden, muß er einmal realisiert werden. Der Dimension des Verlusts, nach dem ersten Schock, kommt nur allmählich zu Bewußtsein.
Noch nach fast 10 Jahren verfalle ich manchmal in Wehmut, wenn mich eine Erinnerung heimsucht, ausgelöst z.B. durch die Erwähnung irgendeines fernen Ortes, was ein gemeinsames Reiseerlebnis aufflackern läßt. In meinem Fall ist das Island, wo ich ein paar schöne, aufregende Wochen mit der Frau meiner Liebe verbracht habe. Ereilt mich eine Assoziation an diese Zeit - eine verdammte Nachricht über brodelnde Vulkane - schließe ich melancholisch die Augen, lasse eine Sequenz verklärten Bilder passieren, sehe noch einmal den Sonnenaufgang hoch oben, schroff einsam auf einem Vulkanhang am Rand eines tosenden Wasserfalls, wo wir gar nicht hätten im Auto übernbachten dürfen, schließe dann die Revue mit einem Seufzer ab, öffne die Augen und bin wieder fröhlich in meinem Alltag.
Eine eigene Bleibe wirst du sicherlich alsbald finden. Ein stabiles eigenes Selbst, die Ich-Stärke, einen anderen Lebensinhalt, der dich auch ohne den Mann, den es nun nicht mehr in deinem alltäglichen Dasein gibt, ist die eigentliche Herausforderung. Oben hatte ich beschrieben, was mich durch den Verlust am heftigsten getroffen hat: Es war der Wegfall der emotionalen Geborgenheit in ihrer Nähe. Alles andere, die sozioökonomschen, lebenspraktischen Belange der neuen Trennungskonstellation habe ich zügig in den Griff bekommen, wenn auch der Scheidungsprozeß eine nervenaufreibende, langwierige und kostspielige Angelegenheit war.
Das Gefühl der inneren Verwaisung hingegen hat mir noch lange zu schaffen gemacht und es hat Jahre gedauert, das zu kompensieren, mühsam zu lernen, auch aus eigener Kraft, ohne die Sicherheit einer Liebesbeziehung, glücklich zu sein.
Das wird dich auch beschäftigen und auf welchen Weg es dir hoffentlich gelingen mag, das Trennungsleid immer nehr zu lindern und wieder auf die Beine zu kommen, wirst du sicherlich durch eigene Anstrengungen herausfinden.
Was mir geholfen hat, das gedankliche Karussell der marternden Selbstvorwürfe zu verlassen, war die kognitive Psychologie. Eine Methode der bewußten Wahrnehmung und Reflexion der eigenen Gedanken, die unausweichlich um die vergangen Beziehung kreisen: wieso, weshalb, warum? Quasi von der Metaebene die eigene Rolle betrachtet, habe ich mich selbstkritisch gefragt, was habe ich beigetragen, weshalb es zum Bruch gekommen ist? Dabei habe ich mich ausschließlich mit meinem Anteil am Scheitern beschäftigt, mein Fehlverhalten begriffen und mir selbst eingestanden. Nicht im Sinn einer moralischen Verurteilung, sondern rational analytisch, um aus den Fehlern zu lernen. Die Trennung war mir eine schmerzhafte Lektion, die mein Seelenheil gefährdet hat, doch war es mein Lebenswandel, der mir die unangenehme Erfahrung eingebrockt hat. Mit der Erkenntnis und Einsicht des eigenen Anteils am Desaster konnte ich anfangen, über mein zwischenmenschliches Verhalten nachzudenken und es korrigieren. Und das hat geklappt.
Naja, das war halt mein Weg.
Liebe Grüße