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Wie erstarrt seit Trennung

B
@DurchdenWind2
Die Frage nach der Wahrhaftigkeit der LIebe kannst nur du selbst beantworten.

Nach einem grausamen Trennungsakt im Sommer 2017 habe ich ein Jahr lang furchtbar gelitten, war die ersten drei Monate wie gelähmt, konnte nicht mehr arbeiten, habe meine finanziellen Reserven aufgebraucht, bin jedes Wochenende auf eine Stadtreise gegangen, weil ich es im Ort mit ihr nicht nicht ausgehalten habe, zumal sie überdies eine Affäre mit einem anderen Mann angefangen hat.

Das einzige, was ich im Alltag noch vermochte, war tagsüber exzessiver Sport bis zur besinnungslosen Erschöpfung und abends zur Betäubung eine Flasche Rotwein, dennoch kaum Schlaf gefunden, aus Appetitlosigkeit in zehn Wochen 12 kg abgenommen, psychotischen Realitätsverlust erlebt, im immergleichen Gedankenkarussel gefangen gewesen und am Tiefpunkt mit Puls über 200 kollabiert. Einweisung in die Stroke Unit. Was fälschlicherweise als Schlaganfall vermutet wurde, erkannte eine erfahrene Psyhoanalytikerin nach drei Tagen vergeblicher Untersuchungen als septische Dissoziation. So nennt sich klinisch der schlagartige Zerfall der Persönlichkeit nach einem traumatischen Ereignis, das die Psyche nicht verkraftet. Nach dem Klinikaufenthalt ging es wieder bergauf, weniger Sport und Alk., das Schreiben intensiviert und auf eine einfühlsame Korrespondenz als Therapie eingelassen. Die Nothilfe hat funktioniert und im gewissen Sinn findest du das auch in diesem Forum.

Wenn mich jedoch jemand in dem Jahr des abgrundtiefen Schmerzes gefragt hat, ob ich die Frau trotz des Trennungsleids liebe, habe ich wahrheitsgemäß mit ,,Ja! geantwortet und das ganz sicher nicht aus emotionaler Abhängigkeit, sondern aus Überzeugung und Gewißheit. Ist die Liebe nicht immer mit Abhängigkeit verbunden, das stärkste und tiefste aller Gefühle? Zuneigung ist eine starke Bindung. Die Frage stellt sich allerdings, ob es eine schöpferisch produktive oder eine verhängnisvoll zerstörische Bindung ist?

Eine Aussage aus der Jugendlektüre des Kultbuchs von Erich Fromm, Die Kunst des Liebens, die deine Überlegung der Abhängigkeit aufgreift, ist mir verhaftet geblieben:,,Brauche ich den Menschen, weil ich ihn liebe oder liebe ich ihn, weil ich ihn brauche? Die Antwort gibt Aufschluß über die Qualität der Abhangigkeit, ob sie den Liebenden auf Dauer gut tut oder nicht.

Wenn du sagen kannst, du bist durch ihn zu einem besseren Menschen geworden, hättest du einen verläßlichen Hinweis auf eine liebevolle Zuneigung, die wohlwollend war.

Diese eher theoretischen Reflexionen über die Liebe ändern leider jedoch nichts am Leid des Verlusts dergleichen, denn damit geht viel verloren, was schließlich auch Bedürfnisse befriedigt hat, die Nähe bedürfen und allein nicht zu erfüllen sind - bei mir war es der Verlust der Geborgenheit, was mich aus der Bahn geworfen hat.

Die Leere nun, die sich bei dir nach geglückter Ablenkung gleich wieder einstellt, vermag ich sehr gut nachvollziehen und das weckt meine Anteilnahme.

Herzliche Grüße

14.09.2025 22:25 • x 4 #61


DieSeherin
Zitat von DurchdenWind2:
Wie kann man nur so endlos traurig sein, auch wenn man selber diejenige war, von der die Trennung ausging?


die frage hast du dir ja schon selber beantwortet:

Zitat von DurchdenWind2:
Bei mir ging mit dem Partner ein ganzer Lebensentwurf, Familienplanung (mit fast Ende 30), ein ganzes soziales Umfeld, ein geliebtes Haustier, ein Zuhause, …


deswegen glaube ich ja, dass es jetzt ganz wichtig ist, dass du dir anschaust, wo du stehst (nicht das, was du verloren hast!) und mal drauf schaust, was daran alles positiv ist. und dann anfängst pläne zu machen... für dich selber. kleine meilensteine, kleine ziele, große ziele. herausfordernd, aber erreichbar.

15.09.2025 09:09 • x 2 #62


A


Wie erstarrt seit Trennung

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D
@Baltazar Danke, dass du deine Erfahrungen mit uns teilst. Dein Schicksal hat mich sehr bewegt. Und was die Diskussion um echte Liebe angeht, hast du sicher recht.

15.09.2025 13:07 • #63


D
@DieSeherin Ja, genau. Deshalb bin ich auch sehr auf die Wohnungssuche fixiert. Die Wohnung ist für mich der erste Schritt in mein neues Leben und immerhin kann es ja auch Spaß machen, eine Wohnung einzurichten. Ich habe jetzt auch noch ein paar Besichtigungstermine, ich wünschte allerdings, das alles würde schneller gehen.

15.09.2025 13:17 • #64


D
Ich merke, dass ich gerade an einem Punkt bin, an dem ich mich gedanklich nur noch so wenig wie möglich mit ihm, der Trennung, der Beziehung usw. auseinandersetzen mag. Ich habe nämlich das Gefühl, es wird dann immer und immer schlimmer und mein Körper fühlt sich an wie ein überhitzter Motor.
Deshalb möchte ich euch fragen, was euch aus dem Tief geholfen hat. Morgen habe ich wieder einiges vor, aber heute ist ein verregneter Tag, an dem nichts mehr für mich ansteht und es sehr schwer ist, sich „bei Laune“ zu halten.
Ich bin heute Morgen schon wieder eine große Runde laufen gegangen (da hatte es noch nicht geregnet) und das hat mich aus dem schlimmen Morgentief etwas rausgeholt.

15.09.2025 13:23 • #65


E
Zitat von DurchdenWind2:
Ich merke, dass ich gerade an einem Punkt bin, an dem ich mich gedanklich nur noch so wenig wie möglich mit ihm, der Trennung, der Beziehung usw. auseinandersetzen mag. Ich habe nämlich das Gefühl, es wird dann immer und immer schlimmer und mein Körper fühlt sich an wie ein überhitzter Motor. Deshalb möchte ich ...

- Sport: Laufen, Joggen, Gym, Ausdauer, Kraftsport etc...
- gutes Essen
- gute Gespräche mit Freunden
- Kino
- self care (Nägel, Füße, Haare, Therme, Mass.)

15.09.2025 13:34 • x 1 #66


DieSeherin
Zitat von DurchdenWind2:
Ich merke, dass ich gerade an einem Punkt bin, an dem ich mich gedanklich nur noch so wenig wie möglich mit ihm, der Trennung, der Beziehung usw. auseinandersetzen mag.


dann stell dir einfach schon mal vor, wie du eine kleine, eigene wohnung einrichten würdest. wühl dich durch den IKEA-katalog im netz, schau dir deko-kram an, gestalte in gedanken einen balkon... ist ja egal, was für eine wohnung du findest, aber träumen kann man schon ziemlich konkret

15.09.2025 13:58 • x 1 #67


B
Du hast weiter oben in die Runde gefragt, was andere am Tiefpunkt getan haben, sozusagen um Tipps zu erhalten.
Bei dem, was ich mitgelesen habe, hast du einen tragfähigen, belastbaren Freundeskreis, der dich stützt, mit dir etwas Geselliges unternimmt, Freundinnen oder auch Angehörige, die du in düsternen Momenten der Niedergeschlagenheit auch mal anrufen kannst, um nicht durzudrehen oder zusammen zu brechen. Gerade die Unterstützung von verständnisvollen Freunden, die einfach in der Notlage für dich da sind, erachte ich als das Wichtigste. Denn die sind dir vertraut, die gehören zu deinem sozialen Umfeld, denen kannst du deine neue Lebenslage und deinen Schmerz am ehesten vermitteln. Diese bleibenden Verbindungen, die Beistand leisten, Halt geben, Trost spenden, sind die beste Lebensversicherung.

Die lebensgeschichtliche Hauptaufgabe, neben der praktischen Anforderung des Aufbaus einer (vorläufigen) Existenz als Alleinstehende, dürfte psychologisch und emotional in der Ausfüllung bzw. Überbrückung der Leerstelle sein, die die Trennung hinterlassen hat. Abrupt aus einer vertrauten Beziehungsgemeinsamkeit, aus einer geschlossenen Gesellschaft zu Zweit, die immerhin Gewißheit gestiftet hat, sich plötzlich einsam und allein auf einer einsamen, unbekannten Insel wiederzufinden, muß er einmal realisiert werden. Der Dimension des Verlusts, nach dem ersten Schock, kommt nur allmählich zu Bewußtsein.
Noch nach fast 10 Jahren verfalle ich manchmal in Wehmut, wenn mich eine Erinnerung heimsucht, ausgelöst z.B. durch die Erwähnung irgendeines fernen Ortes, was ein gemeinsames Reiseerlebnis aufflackern läßt. In meinem Fall ist das Island, wo ich ein paar schöne, aufregende Wochen mit der Frau meiner Liebe verbracht habe. Ereilt mich eine Assoziation an diese Zeit - eine verdammte Nachricht über brodelnde Vulkane - schließe ich melancholisch die Augen, lasse eine Sequenz verklärten Bilder passieren, sehe noch einmal den Sonnenaufgang hoch oben, schroff einsam auf einem Vulkanhang am Rand eines tosenden Wasserfalls, wo wir gar nicht hätten im Auto übernbachten dürfen, schließe dann die Revue mit einem Seufzer ab, öffne die Augen und bin wieder fröhlich in meinem Alltag.

Eine eigene Bleibe wirst du sicherlich alsbald finden. Ein stabiles eigenes Selbst, die Ich-Stärke, einen anderen Lebensinhalt, der dich auch ohne den Mann, den es nun nicht mehr in deinem alltäglichen Dasein gibt, ist die eigentliche Herausforderung. Oben hatte ich beschrieben, was mich durch den Verlust am heftigsten getroffen hat: Es war der Wegfall der emotionalen Geborgenheit in ihrer Nähe. Alles andere, die sozioökonomschen, lebenspraktischen Belange der neuen Trennungskonstellation habe ich zügig in den Griff bekommen, wenn auch der Scheidungsprozeß eine nervenaufreibende, langwierige und kostspielige Angelegenheit war.

Das Gefühl der inneren Verwaisung hingegen hat mir noch lange zu schaffen gemacht und es hat Jahre gedauert, das zu kompensieren, mühsam zu lernen, auch aus eigener Kraft, ohne die Sicherheit einer Liebesbeziehung, glücklich zu sein.

Das wird dich auch beschäftigen und auf welchen Weg es dir hoffentlich gelingen mag, das Trennungsleid immer nehr zu lindern und wieder auf die Beine zu kommen, wirst du sicherlich durch eigene Anstrengungen herausfinden.

Was mir geholfen hat, das gedankliche Karussell der marternden Selbstvorwürfe zu verlassen, war die kognitive Psychologie. Eine Methode der bewußten Wahrnehmung und Reflexion der eigenen Gedanken, die unausweichlich um die vergangen Beziehung kreisen: wieso, weshalb, warum? Quasi von der Metaebene die eigene Rolle betrachtet, habe ich mich selbstkritisch gefragt, was habe ich beigetragen, weshalb es zum Bruch gekommen ist? Dabei habe ich mich ausschließlich mit meinem Anteil am Scheitern beschäftigt, mein Fehlverhalten begriffen und mir selbst eingestanden. Nicht im Sinn einer moralischen Verurteilung, sondern rational analytisch, um aus den Fehlern zu lernen. Die Trennung war mir eine schmerzhafte Lektion, die mein Seelenheil gefährdet hat, doch war es mein Lebenswandel, der mir die unangenehme Erfahrung eingebrockt hat. Mit der Erkenntnis und Einsicht des eigenen Anteils am Desaster konnte ich anfangen, über mein zwischenmenschliches Verhalten nachzudenken und es korrigieren. Und das hat geklappt.

Naja, das war halt mein Weg.

Liebe Grüße

16.09.2025 10:36 • x 2 #68


D
Danke euch für eure Vorschläge und Berichte eurer Erfahrungen!

Ich merke, dass ich inzwischen abends das alles oft besser ertragen kann. Es gibt so eine ganz deutliche Entwicklung im Laufe des Tages. Morgens ist der innere Druck am größten, ich verspüre so eine krasse innere Unruhe und regelrechte Panik, wenn ich morgens aufwache und das hält auch noch ziemlich lange an. Ich bin jedes Mal kurz vorm Durchdrehen. Auch jetzt wieder. Normalerweise bin ich die letzten Tage immer direkt nach dem Aufstehen eine große Runde laufen gegangen, das hat geholfen. Aber heute habe ich dafür keine Zeit und muss gleich los zu einem Termin.
Kennt ihr diese krasse Unruhe/Panik am Morgen auch? Habt ihr Ideen, was dagegen helfen könnte?

17.09.2025 08:33 • x 1 #69


B
Bei mir war der Tagesverlauf im Trennungsschmerz genau anders herum als du ihn bei dir beschreibst. Nachdem ich nach einer unruhigen Nacht am Morgen gerädert und schlaftrunken erwacht bin, war die Welt noch in Ordnung. Erst im Lauf des Tages kamen quälend depressive, manchmal psyhotischen Zustände, allerdings selten panische Gefühle.

Was mir geholfen hat und ich dir in sochen emotionalen Ausnahmesituationen des droheneden Kotrollverlusts auch empfehlen kann: Triff eine Absprache, bspw. mit einer oder meherer guter Freundinnen, Angehörige - um die Bemühung auf mehrere Schultern zu verteilen - die du dann anrufen kannst. Ein Gespräch, auch ganz banal über das Wetter und alltägliche Belange, kann helfen, in der Wirklichkeit zu bleiben bzw. einen Verankerung für einen Tag zu bewirken. Die nahestehenden Personen, die das leisten könnten, sollten den Zwecks des Ánrufs kennen und sich der Aufgabe bewußt sein, die sie eingehen. Sie sollten also von deinen Panikschüben wissen und dir Halt geben können. Gemäß meiner Erfahrung bringt es nichts bzw. trägt womöglich zur Verschlimmerung bei, das Unheil im Gespräch auch noch zu vertiefen, jedoch kann eine spürbare Beruhigung eintreten, einfah über unverfängliche Angelegenheiten zu plaudern, die dich auf andere Gedanken bringen können.

17.09.2025 15:45 • x 1 #70


D
@Baltazar Ich finde den Vorschlag gut, mit einer oder mehrerer Freundinnen zu vereinbaren, sie im Notfall anrufen zu können. Kann mir auch gut vorstellen, dass es hilft, wenn man in der emotionalen Notlage erstmal über was anderes plaudert.
Bloß in meinem Fall geht es mir ja meist am Morgen am schlechtesten. Morgens arbeiten die meisten aber und ich kann sie nicht einfach so anrufen. Für schlechte Stimmungen am Abend wäre das aber natürlich praktikabel.

18.09.2025 17:58 • #71


D
Heute ist tatsächlich so ein Abend, an dem mir das ganze Ausmaß meines Verlustes mal wieder allzu bewusst ist. Ich war heute wieder in der gemeinsamen Wohnung und warte noch auf eine organisatorische Absprache von ihm. Das triggert natürlich alles ungemein und ich fühle mich wieder hundeelend heute Abend, obwohl ich gestern Abend noch Spaß mit zwei Freundinnen auf dem Jahrmarkt hatte.

18.09.2025 18:01 • #72


B
@DurchdenWind2
Oh je, das habe ich nicht bedacht. Ich war in meiner Krise freiberuflich tätig umd die meisten meiner Freunde ebenso bzw. konnten sie sich für ein Telefonat feimachen. Mein Gesprächsbedarf bestand in der Tat aber auch meist gegen Abend. Ich weiß nicht, wie detailliert du hier im Forum deine Lebenslage dargstellt hast, deswegen die Frage: bist du gerade berufstätig und wenn ja, in deiner akuten Verfassung auch arbeitsfähig?

18.09.2025 21:33 • #73


B
@DurchdenWind2
Die Frage nach deinem aktuellen Status habe ich gestellt, weil es bei einer Krankschreibung, sofern die psychische Belastung und die panischen Ausnahmesitutionen konstatiert werden, die Möglichkeit besteht, als Krankenkassenleistung verschiedene therapeutische Angebote wahrzunehmen, wie bspw. eine Gesprächstherapie oder ambulante Betreuung durch einen psychiatrischen Dienst. Ich selbst habe das nicht in Anspruch genommen, habe aber eine Bekannte, die einer psychiatrischen Tagesklinik arbeitet und weiß deswegen von dieser Praxis.

19.09.2025 12:02 • #74


D
@Baltazar Vielen Dank für den Tipp. Ich bin tatsächlich schon in einer Gruppentherapie.

23.09.2025 20:28 • x 1 #75


A


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