Zitat von Mietzimaus:Mal fernab von all dem aber für's Verständnis: Ist Bindungsangst und unheimlich viel investieren nicht widersprüchlich? Also ich meine, Bindungsängstliche würden doch nicht investieren sondern eher wegrennen?
Nein, das ist kein Widerspruch. Bindungsängstliche sehnen sich oft unglaublich nach Nähe, Liebe und Vertrauen und gehen dann auch Beziehungen ein. Sie funktionieren oft bestens, solange die Beziehung noch im Werden ist. Befinden sich beide Partner noch in der Werbungsphase, geben sie alles, reden von der großen Liebe, die nun endlich in ihr Leben getreten ist (meist ist es die so und so vielte Liebe) und tun alles um die Beziehung gedeihen zu lassen.
Wenn dann allerdings der/die Partner/In eingewoben ist und auf Wolke 7 von einer langfristigen Beziehung ausgeht, dann beginnen meist die Distanzmanöver.
Denn jetzt wird es ernst. Der Partner (ich schreib jetzt mal nur die männliche Form, weil alles Andere zu umständlich ist) geht nun von etwas Langfristigem, einer sog. festen Beziehung aus. Und meistens dann beginnen die Bindungsängste zuzuschlagen.
Das geht oft relativ harmlos an. Der Bindungsängstliche braucht mehr Zeit für sich und der Partner denkt sich, okay, wir kommen jetzt in die Konsolidierungsphase und akzeptiert das. Dabei bleibt es nicht. Während sich der Bindungsängstliche anfangs oft gemeldet hat und von Sehnsucht sprach, geht er jetzt auf Rückzug. Er investiert weitaus weniger und der Partner fragt sich verwirrt, was denn jetzt los ist? Kaum mehr Mitteilungen einfach so, keine schwärmerischen Reden mehr von Sehnsucht, im Gegenteil, eine merkwürdige Kühle ist eingekehrt.
Und ab da entwickelt sich dann das typische Beziehungsmuster, das sich oft gleich. Der aktive Teil bleibt für sich, fängt an, seinen Freiraum zu verteidigen oder wieder auszudehnen, zieht sich zurück, macht Pläne für sich und hält den Partner auf Abstand. Dazwischen gibt es wieder schöne Phasen, die den Partner, der zunehmende Enttäuschung spürt, bei der Stange Der fängt an, sich in Sicherheit zu wiegen, sich alles schön zu reden. Er ist doch nicht so, eine vorübergehende kleine Krise, sonst nichts!
Aber es folgen dann wieder Distanzmanöver. Der passive Teil, der sich mittlerweile an die Beziehung geklammert hat, tut alles, um diese am Laufen zu halten. Macht tolle Vorschläge, die dem Abtrünnigen vermeintlich gefallen könnten, ist lieb und nett, weil er begriffen hat, dass alles Andere sinnlos ist.
Menschen, die weniger geschickt sind, wählen andere Strategien und kommen mit Tränen und Vorwürfen. Nie hast Du Zeit für mich, wo ist denn nur alles hin, was uns verband? Liegt Dir denn überhaupt noch was an uns? Usw., usw.
Es hilft alles nichts, denn egal ob man nun sozusagen Eigenwerbung betreibt (weil man dem Bindungsängstlichen signalisieren will, dass man ganz toll ist) oder jammert und klagt, man erntet vielleicht so was wie Mitleid und ein paar warme, aber letztendlich nichts sagende Worte.
Und je mehr der eine tut, desto weniger tut der Andere. Der eine ist frustriert, weil seine Bemühungen umsonst sind, der andere ist frustriert, weil er weiß, dass er einem anderen Menschen Hoffnungen gemacht hat, die er jetzt nicht halten kann. Seine Ängste sind viel stärker und die haben die Oberhand.
Die Beziehung wird im Lauf der Zeit seltsam lau und ist vor allem sehr fragil. Der Eine hat beständig Angst vor einer Trennung und der Andere überlegt sich, wie lange er die Beziehung noch aushält.
Meist trennt sich der aktive Teil, der in der Beziehung die Oberhand hatte, weil er sich weniger stark gebunden hat als der schwächere Teil.
Es sind unglückliche Beziehungen, die meistens irgendwann enden. Manchmal beginnen daraus aber auch On_Off-Beziehungen. Der aktive Teil trennt sich, macht sein Ding und freut sich, weil er jetzt keinem mehr verantwortlich ist. Aber nur auf Zeit, denn dann fühlt er wieder die Einsamkeit und vermisst Wärme und Zuspruch. Dann dockt er oftmals wieder an und alles beginnt von vorne. Glück zu zweit, gefolgt von Frust und Ängsten und erneuter Trennung.
Glücklich wird damit keiner.
Es ist erstaunlich, was solche Beziehungen mit einem machen. Ein ständiges Wechselbad der Gefühle ist typisch. Heute ist er so und morgen so und der unterlegene Part passt sich an und leidet, oft im Stillen und wartet auf bessere Zeiten.
Mein Ex. sagte mal zu mir: Ich bin ein guter Verliebter, aber kein Liebender.
Tja, das war leider die Wahrheit. Mehr als glänzende Verliebtheit gab es letztendlich nicht.
Begonie