Den Spruch Gefühle sind nicht verhandelbar halte ich für eine der gefährlichsten und zwei-schneidigsten Aussagen hier im Forum.
Nicht, weil die wörtliche Bedeutung des Satzes nicht im Großen und Ganzen korrekt wäre. Tatsächlich sind die meisten (allerdings nicht alle, dazu mehr weiter unten) Gefühle nicht einfach verhandelbar bzw. weg-diskutierbar. Man kann einem Gefühl nicht befehlen zu verschwinden, weder als Partner oder als vom Gefühl selbst Betroffener. Man kann auch nur schwer die Intensität eines Gefühls kontrollieren und lenken. Grundsätzlich gilt also schon, dass Gefühl nicht oder besser kaum verhandelbar sind. Ich selbst leider unter eine (milden) Phobie und verstehe sehr gut, dass z.B. ein Panikgefühl, sei es auch noch so irrational, nicht einfach wegdiskutiert und wegrationalisiert werden kann. Der Adrenalinschub der Phobie kommt unweigerlich, aber.
Dennoch lassen sich Gefühle auf 2 Weisen nachhaltig beeinflussen. Beide Vorgehensweisen lernen wir von Kindesbeinen auf und sind Schwerpunkte der Kindererziehung. Allerdings lernen wir diese beiden Techniken im Rahmen unserer Sozialisierung nur auf negative Emotionen anzuwenden. Und tatsächlich kommen wir damit im Normalfall geistiger Gesundheit hervorragend durch den Tag und miteinander aus. Wir können unsere Wut, unseren Hass, unsere Enttäuschung, unsere Gier (auch 6uell gemeint), sogar unsere Trauer kontrollieren und überwinden, indem wir:
Gefühle erkennen und analysieren
Aktionen bewusst einleiten
In anderen Worten, Gefühle per se sind nicht verhandelbar, aber die Aktionen und Ursachen sehr wohl. Und die Ursachenforschung und die getroffenen Aktionen beeinflussen wiederum die Intensität des Gefühls. Um auf meine Phobie zurückzukommen: Trifft mich der Adrenalin-Schock hilft durchatmen und rationalisieren (Fehlalarm, keine Gefahr, alles Einbildung). Bewusste Aktionen einleiten hilft und nicht dem Flucht-Reflex stattzugeben. Und nach ein paar Sekunden oder Minuten ist der Schreck vorbei. Ähnliches gilt bei allen negativen Gefühlen (mit Ausnahme wirklich traumatischer Gefühle), wir alle haben Methoden entwickelt, mit Hass, Zorn, Wut und Gier umzugehen. Wir haben es tatsächlich geschafft, diese Gefühle verhandelbar zu machen. Tagtäglich.
Wo wir an unsere Grenzen stoßen, ist dieses Doppel-Konzept (Gefühle analysieren und Aktionen kontrollieren) bei positiven Gefühlen anzuwenden. Genau da stoßen an unsere Grenzen, weil uns unsere Erziehung und Sozialisierung nicht beigebracht hat, positive Gefühle (wie z.B. Verliebtheit) zu verhandeln. Erschwerend kommt hinzu, dass es keinen natürlichen inneren Belohnungseffekt dafür gibt, diese Gefühle zu bekämpfen. Im Gegenteil forciert man die Entstehung eines negativen Gefühls (Trauer, Liebeskummer) auf Kosten eines guten Gefühls. Leider ist uns knapp 20 Jahre lang eingetrichtert worden, negative Gefühle zu bekämpfen.
Und genau diese Grenzen machen die eigene Fremdverliebtheit oder die des Partners zu einem so großen Problem in der Beziehung (oder die klassisch einseitig unerfüllte, unglückliche Liebe). Uns fehlen die Mittel dafür. Aber nur vermeintlich, denn die o.g. Vorgehensweisen (Gefühle analysieren und Aktionen kontrollieren) sind hier genauso erfolgreich, wenn auch wegen des negativen Belohnungseffektes, schwerer. Daher werden sie auch leider selten angewendet, vor allem nicht vom betroffenen Partner. Häufig wird dagegen versucht, das Gefühl an sich kleinzureden oder weg zu diskutieren. Aber natürlich funktioniert diese Form des Verhandelns nicht, denn ein Gefühl lässt sich eben nur indirekt effektive beeinflussen.
Was funktioniert ist: Die Gefühle annehmen und klare Aktionen vereinbaren. Als betroffener Partner kann vor allem der erste Punkt schmerzlich sein, als Fremd-verliebter der zweite Punkt. Ich bin überzeugt: Der Kampf gegen ein positives, starkes Gefühl, wie Verliebtheit ist schwer, aber erfolgreich machbar. Er fordert aber (zumindest im Falle der Fremdverliebtheit) beide Partner stark.
(Wenn ich Zeit finde und der Thread wenigsten minimales Interesse weckt, schreibe ich mal zusammen, welche grundsätzliche Vorgehensweise ich ganz persönlich und ohne Garantie auf Korrektheit bei Fremdverliebtheit des Partners für richtig halte.)