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Offene Fragen klären oder stehen lassen?

V
Liebes Forum,

vor 3 Monaten habe ich (w, 35) via Datingapp jemanden (m, 33) kennengelernt. Nach einiger Schreiberei folgte das erste angenehme date. Ich war nicht hin und weg, was ich aber generell nie bin, da es ja erstmal viel am anderen zu entdecken gibt und ich mir bewusst bin, vorerst nur einen Teil präsentiert zu bekommen.

Es folgten weitere Treffen, bei denen ich mich sehr wohl fühlte, schließlich kamen wir uns auch körperlich näher. Es war leidenschaftlich, jedoch auch liebevoll und zärtlich.

Prinzipiell fand ich unseren Kontakt zu wenig zwischen den Treffen. Ich habe es nie thematisiert und schnell von mir aus, mich zurückgehalten, weil ich ihn nicht bedrängen wollte und kein Drama veranstalten. Es gibt eben unterschiedliche Kommunikationstypen. Und Nähe darf sich auch entwickeln.

Nun zum Knackpunkt. Ich hatte mich schon vor unserem Kennenlernen auf eine Stelle beworben, die 450 km weit weg ist. Er wusste recht bad davon und war natürlich nicht begeistert von der eventuellen Aussicht, dass das eine zeitliche Begrenzung haben könnte. Wir haben beide nicht das Gespräch über die zukünftigen Optionen gesucht. Es war ja nur ein vielleicht.
Letztlich habe ich den Job bekommen und nach einigem Hadern auch angenommen. Ich hatte von vornherein das Gefühl, dass damit für ihn ein Endpunkt gesetzt ist, auch wenn er sagte, ich sei nicht aus der Welt.
Wir hatten noch kurz angedacht, ob wir die Zeit bis zu meinem Weggehen miteinander verbringen sollten, es dann aber verworfen.

Ich habe ihm nie die Pistole auf die Brust gesetzt und wollte dem Kind einen Namen geben, sondern habe ihm klar gemacht, dass ich ihn auch über die Entfernung gern weiter kennenlernen möchte, auch wenn ich natürlich selbst nicht wissen kann, ob es funktioniert.
Ich möchte noch dazu sagen, dass der Job vor allem eine Kopfentscheidung war, eine Chance, mich in eine neue berufliche Richtung zu entwickeln.

Sein Hauptargument dagegen war, dass er schon einmal eine Fernbeziehung über 100 km geführt hat und das nicht klappte. Er hätte Angst.

Es war ein kurzes Gespräch, das bei mir nicht alle Fragen geklärt hat. Ich würde beispielsweise gern wissen, wovor er konkret Angst hat. Auch hatte ich immer mal wieder das Gefühl, dass für ihn das Körperliche im Vordergrund stand, obwohl er das verneinte. Er hat nur wenige persönliche Fragen gestellt, was ich schon als gewisses Desinteresse interpretiert habe. In meiner Welt kann man eine zeitlang die Distanz überbrücken, wenn es einem wichtig genug ist. Es ist nicht für immer angelegt.

Diese und noch ein paar weitere Fragen würde ich ihm gern stellen (wir hatten seit dem Gespräch keinen Kontakt mehr). Ich möchte diese Fragen nicht los werden, um ihn umzustimmen. Von vornherein habe ich ihm klar gemacht, dass ich nicht versuchen werde, ihn davon zu überzeugen, wenn er nicht dahinter steht. Auch habe ich ihn nicht gebeten es sich noch einmal zu überlegen.

Mir geht es um etwas ganz Grundlegendes. Ich bin immer bestrebt, mein Gegenüber ganz zu verstehen und zu erfassen. Ein Ende mit Interpretationsspielraum finde ich unbefriedigend, schon allein für meine eigene Entwicklung und die Fähigkeit, Menschen einschätzen zu können.

Was meint ihr? Die Fragen stehen lassen oder noch einmal das Gespräch suchen? Im Grunde habe ich nicht die Angst, unsouverän zu wirken. Ich kann dazu stehen, mir noch Gedanken über die Situation zu machen. Dennoch bin ich unsicher, ob man überhaupt so tief in einen Menschen vordringen darf, den man so kurz kennt. Und selbst ist da auch ein bisschen die Angst, bedürftig zu wirken.

Ich danke euch fürs Lesen und freue mich über Meinungen, Erfahrungen, einen Blick von außen. Danke.

10.09.2020 15:34 • x 1 #1


K
Hi - Du hast Deine Situation sehr gut geschildert.

Wenn Du mit einer Abweisung leben kannst und kein offenes Ende willst, dann spricht doch nichts gegen einen Gesprächsversuch. Selbst wenn jedoch sein vermutliche Desinteresse nur mangelnde Kommunikationsfreudigkeit sein sollte (wenig persönliche Fragen gestellt...) dürfte eine Fernbeziehung eine Herausforderung sein. Denn sie lebt von Kommmunikation stärker als von Körperlichkeit. Und seine Erfahrung mit einer Fernbeziehung bei einer Distanz von 100km spricht nicht gerade für die größte Flexibilität im Namen der Liebe - das ist doch nun wirklich keine nennenswerte Entfernung.

Alles Gute!

10.09.2020 17:02 • x 2 #2


A


Offene Fragen klären oder stehen lassen?

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monchichi_82
Zitat von Violaaa:
Ich habe ihm nie die Pistole auf die Brust gesetzt und wollte dem Kind einen Namen geben, sondern habe ihm klar gemacht, dass ich ihn auch über die Entfernung gern weiter kennenlernen möchte, auch wenn ich natürlich selbst nicht wissen kann, ob es funktioniert.

Das müsste für mich schon ein unübertrefflicher Bomben Typ sein, dass ich daran interessiert wäre über so eine Distanz ein Kennenlernen weiter aufrecht zu erhalten. Ich würde genauso wie er den Rückzug antreten.

Du klingst abgeklärt, nüchtern, distanziert, was ja nichts Negatives ist aber willst dann ganz genau wissen was in ihm vorgeht. Du kannst es versuchen, du kannst ihn anschreiben aber ich würde mir keine großen Hoffnungen machen, dass du darauf eine ausführliche Antwort erhältst.

10.09.2020 17:02 • x 2 #3


A
Zitat von Violaaa:
Was meint ihr? Die Fragen stehen lassen oder noch einmal das Gespräch suchen?


So stehen lassen, dafür ist dein Interesse nicht groß genug wohl und du sprachst von einem Versuch.
Er scheint mir auch schon viel mehr drin zu sein als du .
Finde es auch gut, dass du den Job angenommen hast und die Chance ergriffen, anstatt für jemanden darauf zu verzichten , mit dem sowieso nichts klar ist .

Nimm auch seine Worte ernst:

Zitat von Violaaa:
Sein Hauptargument dagegen war, dass er schon einmal eine Fernbeziehung über 100 km geführt hat und das nicht klappte. Er hätte Angst.


Überzeug ihn von nichts und überrede ihn auch nicht.
Seine Aussage ist Erklärung genug.
Und ich finde es wiederum super von ihm , dementsprechend auch klar zu sagen wie er das findet, anstatt auf cool zu machen und dir vorzugaukeln alles sei kein Problem.

10.09.2020 17:07 • x 3 #4


V
Vielen Dank schon einmal für die Antworten.

Ja, ich merke selbst, dass ich sehr nüchtern wirke und es fiel mir auch schwer, ihm gegenüber romantische Abwandlungen zu zeigen. Das lag aber vor allem daran, dass ich bei ihm da keinen Anknüpfungspunkt gefunden habe und ich das Gefühl hatte, dass er das (noch) nicht zulassen kann oder will.

@anker: interessant, dass bei dir der Eindruck entstanden ist, er wäre mehr involviert als ich. Ich habe das nie so empfunden und ihm auch meine Emotionen mitgeteilt. Es war kein Abschied ohne Tränen.

Versteht bitte die Situation nicht falsch: er hat eine Entscheidung getroffen, an der ich überhaupt nicht versuchen möchte etwas zu ändern. Ich kann nicht erzwingen, was nicht da ist. Mir geht es viel mehr darum, dass ich abschließend gern einsortieren können möchte, was seinerseits an Gefühl vorhanden war.
Das wäre mir wichtig.

Ich würde es ihm übrigens auch ähnlich mitteilen, dass er keine Angst vor Vorwürfen haben bräuchte oder befürchten müsste, dass ich ihn um einen Versuch bitte bzw. ihn überreden will.

Einfach gesagt, will ich bloß wissen, was ich und die gemeinsame Zeit ihm bedeutet haben. Für mich und meine Entwicklung hätte ich darüber gern Klarheit, nicht um nochmal einen Anknüpfungspunkt erschaffen zu wollen. Obwohl ich mir klar darüber bin, dass man nicht automatisch eine ehrliche Antwort darauf erwarten kann.

10.09.2020 17:32 • #5


tlell
Ich würde an der Stelle mal einwerfen, wenn er dir mehr erklären wollte, hätte er die Gelegenheit gehabt dieses zu tun. Er hat es gelassen. Das ist doch Antwort genug oder?

Ein Gedankengang wenn ihn die Aussicht das euer kennenlernen zeitlich begrenzt ist nicht erfreut hat, würde ich denke es war für ihn nicht nur rein körperlich.

10.09.2020 17:41 • x 1 #6


V
Das Gespräch war definitiv zu knapp aber ich habe es dann auch abgebrochen und bin gegangen, weil ich emotional überfordert war (mit meinem Weggehen lasse ich nämlich noch mehr als ihn hinter mir und das fällt mir nicht leicht)

@monchichi: ich kann deine Ansicht voll und ganz nachvollziehen und verstehe die Einstellung. Für mich stellt sich das anders dar. Wenn ich einen Menschen gern um mich habe, mich wohl mit ihm fühle, dann ändert die Entfernung nichts daran. Ich möchte ihn trotzdem weiter kennenlernen, mich nicht in Unverbindlichkeiten verlieren. Natürlich ist das mit sehr viel mehr Aufwand verbunden, aber zu so einem frühen Zeitpunkt weiß man ja nie, wohin die Reise letztlich geht, selbst wenn man Tür an Tür leben würde.

Das ist auch eine Frage, die sich mir stellt. War es wirklich Angst, die ihn abhält oder eben doch Bequemlichkeit. Und wenn es die Bequemlichkeit war, dann frage ich mich, ob er ganz Allgemein so eingestellt ist, oder ob es für mich nicht gereicht hat.

10.09.2020 17:49 • #7


S
Zitat von Violaaa:
Das ist auch eine Frage, die sich mir stellt. War es wirklich Angst, die ihn abhält oder eben doch Bequemlichkeit. Und wenn es die Bequemlichkeit war, dann frage ich mich, ob er ganz Allgemein so eingestellt ist, oder ob es für mich nicht gereicht hat.
Wie wäre mit : Es war Erfahrung ? Fernbeziehungen sind schwierig und schlicht nicht jedermanns Sache. Wozu also sich in eine reinstürzen, wenn man so eine Situation schon kennt und nicht mag .

10.09.2020 17:52 • x 2 #8


D
Zitat von Anker1:
Seine Aussage ist Erklärung genug.

So sehe ich das auch.
Mehr Erklärung benötigt es im Grunde nicht.
Würde mir jemand so kommen,
Zitat von Violaaa:
Ich würde es ihm übrigens auch ähnlich mitteilen, dass er keine Angst vor Vorwürfen haben bräuchte oder befürchten müsste, dass ich ihn um einen Versuch bitte bzw. ihn überreden will.

dann hätte ich erst recht keinen Bock mehr noch irgendwas zu erklären.
Abgesehen davon bin ich der festen Überzeugung das man für seine eigene Entwicklung, Vorankommen etc. keinen Abschluß vom Ende benötigt.
Meiner Meinung nach hat man den Abschluß längst und eine weitere Runde Gedankenkarussell bringt einen nicht weiter voran, sondern hindert einen am Ende der Fahrt auszusteigen ohne zu torkeln.

10.09.2020 18:13 • x 1 #9


BlueApple
Ich sehe das irgendwie anders.... Ihr ward in der Kennlernphase. Du ziehst weg, Kennlernphase beendet. Punkt. Um es mal ganz nüchtern zu sagen. Für mich scheint der Typ nicht zu sehr involviert zu sein, sondern eher das Gegenteil ist der Fall. Auch liebe TE, hast du mitgeteilt, dass für ihn das körperliche mehr im Vordergrund stand als alles andere....
Ich denke nicht, dass es auf Dauer zu einer Beziehung geworden wäre, bzw denke, dass es den Typen nicht sonderlich juckt, dass die Kennlernphase vorbei ist. Weitere Erklärungen würde ich nicht fordern, dafür war eure Beziehung zu unverbindlich. Er ist die da leider zu nichts verpflichtet. Und genau so hat er es auch gehandhabt: keine Fernbeziehung - bumm, Thema erledigt.
Tut mir leid für meine harte Meinung

10.09.2020 21:13 • x 2 #10


V
Danke an alle Antwortenden. @blueapple: ja, deinen Eindruck teile ich auch.
Wahrscheinlich ist es auch das, was in mir arbeitet, dass ich schon für mich selbst eine gewisse Verpflichtung spüre, wenn ich jemanden so nahe komme und an mich ranlasse. Ich meine damit die Verpflichtung, sich auseinander zu setzen, nicht im Sinne von wir führen jetzt eine Beziehung.
Insofern würde ich auch nicht genervt etc. reagieren, wenn jemand nochmal mit Fragen auf mich zukommt.

That's the name of the game. Wahrscheinlich muss ich mir da eine etwas härtere Schale zulegen. Merci für deine Einschätzung - lieber hart als unehrlich.

10.09.2020 22:12 • x 1 #11


BlueApple
Zitat von Violaaa:
Danke an alle Antwortenden. @blueapple: ja, deinen Eindruck teile ich auch.
Wahrscheinlich ist es auch das, was in mir arbeitet, dass ich schon für mich selbst eine gewisse Verpflichtung spüre, wenn ich jemanden so nahe komme und an mich ranlasse. Ich meine damit die Verpflichtung, sich auseinander zu setzen, nicht im Sinne von wir führen jetzt eine Beziehung.
Insofern würde ich auch nicht genervt etc. reagieren, wenn jemand nochmal mit Fragen auf mich zukommt.

That's the name of the game. Wahrscheinlich muss ich mir da eine etwas härtere Schale zulegen. Merci für deine Einschätzung - lieber hart als unehrlich.

Wobei natürlich nicht gesagt ist, dass meine Einschätzung die richtige ist.
Tatsächlich finde ich es aber gut, dass er so reagiert hat und dich nicht hingehalten hat. Auch wenn es für dich leider unbefriedigend ist.
Eine härtere Schale würde ich mir nicht zulegen. So ist nun einmal dein Wesen.

10.09.2020 22:20 • #12


V
Das stimmt natürlich. Er hätte auch noch ein paar Wochen mitnehmen können und dann einräumen, dass es nichts für ihn ist. Das rechne ich ihm auch hoch an.

10.09.2020 22:27 • x 1 #13


T
Ich kapiere es nicht. Er hat klar gesagt, was er nicht will und ihr habt es beendet. Punkt! Ende der Geschichte!

Würde nun eine Frau auf mich zukommen, in der Art wie du es vorhast und mit dem Kontext eurer Story, würde ich nur denken: puh, bin froh, dass ich die los bin. Die schafft es sogar, dass aus Händewaschen eine Wissenschaft und Debattierrunde zu machen.

Weißt du, ich mag anregende Gespräche, tausche mich gerne auf einem gewissen Level intensiv aus. Aber ihr kennt euch nicht richtig und du willst eine psychologische Abhandlung seiner Beweggründe, Sorgen und Ängste haben, die eine Entscheidung für ihn herbeigeführt haben? Echt jetzt?

Nebenbei: es wäre sehr egoistisch und egozentrisch, wenn du einen Seelenstrip von ihm erwartest, damit DU dich weiterentwickeln kannst. Was hätte er davon, ausser das Wiederaufrufen von (vielleicht schmerzlichen) Erinnerungen?

10.09.2020 22:41 • x 5 #14


Tatiana
Meine Meinung:

Wenn man eine romantische jeglicher Art Beziehung mit einem Menschen eingeht, dann schuldet man dem so ein Gespräch bei Bedarf. Sehen sicher viele anders, aber ich bin es leid- Warum sollen wir da immer mit Würde rausgehen, bloß nicht bedürftig wirken?!? Damit wir Männern wie meinem Vorredner auch bloß nicht zur Last fallen? Ach Herrje. Wenn du mit mir ins Bett steigen kannst, dann kannst du mir auch nochmal erklären, was passiert ist oder was du denkst.

Klar sollte man damit nicht 'over board' gehen und nerven, aber davon redet ja auch keiner. Ich hab beim Lesen gedacht Ja, mach's! Hold dir deine Antworten!. Ein Mal darfst du es versuchen und hoffentlich gibt er dir das, was du suchst. Sein Recht ist natürlich auch, das zu blocken. Aber du hast auch das Recht zu fragen, ohne gleich als bedürftig gesehen zu werden.

10.09.2020 23:01 • x 1 #15


A


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