Hallo liebes Forum,
ich habe mich hier nun nach Wochen des Mitlesens dazu aufgerafft, meine Geschichte mit euch teilen. Hier sind so viele wunderbar einfühlsame und selbstlose Menschen unterwegs. Das ist einfach toll. Ihr seid alle großartig. Schon das Lesen in ähnlichen Threads und die Auseinandersetzung mit ähnlichen Schicksalen hat mir in den dunkelsten und einsamen Stunden viel Kraft gegeben. Mittlerweile ist es fast ein Ritual geworden, hier bei dunklen Gedanken kurz reinzuschauen. Danach geht es mir häufig besser.
Ich glaube, dass mir der Austausch mit euch und mit euren Trennungserfahrungen helfen kann, um das Erlebte besser zu reflektieren und kluge Entscheidungen zu treffen.
Meine Geschichte beginnt vor elf Jahren im zweiten Semester. Ich habe damals erstmalig allein in einer neuen Stadt gelebt und mich eher durch Zufall in meine Partnerin verliebt. Wir waren beide 20 und sie meine erste große Liebe. Sie hatte zuvor schon einige ernsthaftere Beziehungen, sofern man davon in diesem Alter sprechen kann. Ich hatte bis dato nur ein paar lose Liebschaften gepflegt.
Die ersten Monate waren bilderbuchartig und haben sich einfach perfekt angefühlt. Unsere Beziehung wurde dann sehr schnell erwachsen. Nach einem guten Jahr sind wir zusammengezogen. Wir sind gemeinsamen durchs Studium gegangen und haben uns zusammen weiterentwickelt. Nach der Uni sind wir in eine neue Stadt gezogen, weil ich dort einen Job gefunden habe. Sie ist mitgegangen und hat noch ein Jahr aus der Ferne fertigstudiert. Als sie dann fertig war, hat sie einen Job in einer anderen Stadt gezogen, wo wir dann hingezogen sind, weil ich meine Arbeitsstelle auch von da binnen 60 Minuten anpendeln kann. Für sie wäre es 90 Minuten Arbeitsweg gewesen.
Nach der beruflichen Stabilisierung (kurzzeitig arbeitslos, endlich unbefristeter Vertrag etc.) haben wir uns dazu entschlossen, ein Kind zu kriegen. Der Wunsch war zu dem Zeitpunkt in ihr stärker, ich hätte auch gerne noch das Leben mit der finanziellen Unabhängigkeit genossen (Lebenstraum: Reise nach Kuba). Aber auch ich wollte ein Kind und glaubte an unsere gemeinsame Zukunft. Parallel mit der Geburt unserer Tochter habe ich einen neuen Job im gleichen Unternehmen angetreten. Trotzdem habe ich mir kurz nach der Geburt und nach einem Jahr jeweils ein paar Monate Elternzeit genommen. Es war mir einfach wichtig. Die Kleine ist jetzt drei Jahre alt und geht ganztags in eine Kita. Mein Job ist so, dass ich häufig reise, ca. 70 Tage kommen da pro Jahr zusammen. Viele Außenstehende meinen, der Job sei abgehoben, weil es im Wesentliche Unternehmensberatung ist. Man wirkt da in den Anzügen und den Business-Floskeln schnell arrogant. Meine Partnerin hat einen normalen Bürojob mit geregelten Arbeitszeiten.
Ich war eigentlich recht glücklich mit meinem Leben, ohne jemals groß darüber nachgedacht zu haben. Am Wochenende gab es viel schöne Familienzeit und unter der Woche waren wir eigentlich zufrieden damit, wenn die Kleine im Bett war und wir uns einen schöne Serie angeschaut haben. Ich habe zwei bis dreimal pro Woche Sport gemacht und meine Partnerin immerhin an einem Nachmittag. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie etwas vermissen würde. Wir haben nicht viele, dafür aber sehr enge Freundschaften. Ich denke, fünf befreundete Paare, die meisten mit Kindern im gleichen Alter, und jeder für sich 2-3 gute, eigenständige Freunde, bereichterten unser Leben. Auch wenn wir uns manchmal wünschten, es wären mehr in der neuen Stadt, da viele zum Teil weit entfernt leben. Die haben wir dann meistens in Urlauben oder zu Feiertagen besucht.
Vor einem halben Jahr sind wir in eine größere Wohnung gezogen, weil wir ein zweites Kind wollten. Auch hier war ihr Wunsch initial und ich hatte wieder nur einfach kein Problem damit. Ich war glücklich und liebte mein Kind. Was sollte da gegen ein zweites Kind sprechen, wenn es meine Partnerin gern wollte?
Vor sechs Wochen kam dann der Schock. Ich hatte bemerkt, dass sie etwas verschlossen war und sie bei einem Besuch bei Freunden darauf angesprochen. Ihr Kommentar: Hast du nicht bemerkt, dass hier etwas schon länger nicht so gut läuft? Lass uns heute Abend reden. Da rückte sie dann mit der Sprache mehr raus. Sie wolle sich trennen, weil sie keine Gefühle mehr für mich habe. Sie fühle sich wie einem golden Käfig und von mir nicht genügend wertgeschätzt. Nach ca. 60 Minuten und zahlreichen Nachfragen und Angeboten von mir (Lass uns daran arbeiten, Es steht viel auf dem Spiel, Nimm dir Zeit, überstürz nichts) rückte sie mit der Sprache raus, dass sich in einen Arbeitskollegen verliebt habe. Es gab bis dahin wohl auch schon Intimitäten, angeblich nicht bis zum Äußersten, was auch immer das heißen soll.
Ich reagierte verletzt und habe bitterlich geweint, sie hatte mich in den Arm genommen und mit mir geweint. In der Nacht habe ich keine Minuten geschlafen und bin übers Wochenende erstmal zu meinen Eltern geflohen. Dann, mein großer Auftritt: Ich will kämpfen. Das hatte sie nicht erwartet und schien beeindruckt, zugleich aber kühl. In der Folge hatten wir berufs- und urlaubsbedingt viel getrennte Zeit. Sie ist mit unserer Tochter allein zu einer gemeinsamen Freundin gereist, wo wir ursprünglich zusammen hin wollten. Aber das wäre nicht gut gewesen. Nach diesem Urlaub wollte sie wieder zu mir zurück. Sie meinte, sie fühle noch etwas, wisse aber nicht ob das was für mich sei oder nur für unsere Familie/ unser gemeinsames Leben. Das wolle sie herausfinden und sich dabei versuchen, von ihrem neuen Typen zu distanzieren. Nach ca. einer Woche, die angespannt verlief aber auch schöne Momente hatte, habe ich sie darauf angesprochen, dass etwas mit ihr nicht stimme. Daraufhin räumte sie ein, dass sie mich einfach nicht mehr lieben könne und den anderen vermissen, sie hatten sich wohl auch schon wieder getroffen. Mit uns sei endgültig Schluss. Sie wolle sich eine eigene Wohnung in der Nähe nehmen, was bei dem lokalen Wohnungsmarkt schwierig wird. Ich erlebte also die gleiche Hölle nochmal. Diese Woche bin ich mit meiner Tochter zu meinen Eltern gefahren. Am Vorabend, wir leben noch in der gleichen Wohnung (sie schläft im Gästezimmer) hatte sie hier einen Nervenzusammenbruch mit starkem Heulen. Wenn sie bei dem neuen Typen sei, fühle es sich nicht gut an, sie vermisse meine Tochter und mich. Bei mir bzw. uns vermisse sie ihn. Sie habe Angst einen Riesenfehler zu machen, mich zu verlieren, Freunde und Familie zu enttäuschen, etc.
Ich habe sie dann Montag zum Arzt gebracht, Diagnose: seelische Erschöpfung. Ich habe ihr geraten, zu ihren Eltern zu fahren und sich dort auffangen zu lassen und bin dann mit meiner Kleinen zu meinen Eltern gefahren. Am Donnerstag habe ich ihr die Kleine gebracht. Sonntag kommen die beiden wieder nach Hause. Unter der Woche hatten wir, auch dank der Empfehlungen hier, nur kindbezogenen Kontakt.
Dank eurer Ratschläge in anderen Threads war ich Donnerstag Nachmittag bei einem Familienrechler. Ich strebe für unsere Tochter das Wechselmodell an, meine Ex hatte schonmal angedeutet, damit einverstanden zu sein. Beruflich kriege ich das irgendwie hin, auch wenn es anstrengend wird (viel Gehetze in den Wochen mit Kind, viel Arbeit in den Wochen ohne Kind um das zu kompensieren, dass ich sie zur Kita bringen und holen kann). Die neue Wohnung ist eigentlich viel zu groß (112qm, 4 Zimmer, 2 Bäder) und zu teuer für mich, aber zum einen will ich meiner Tochter nicht noch ihr zu Hause wegnehmen und zum anderen ist der Mietvertrag für drei Jahre nicht kündbar. Der Anwalt meint, die Trennung sei in der Regel kein wichtiger Grund.
Gestern habe ich mir dann einen wunderbaren Tag ganz allein in einer Therme gemacht und dabei das Buch Das Café am Rande der Welt in die Hand bekommen. Darin wird die Frage nach dem Sinn des Lebens gestellt, die ich mir selber noch nie ernsthaft gestellt habe. Ich hoffe, dass mir ein künftig reduzierteres Leben dabei hilft, das für mich herauszufinden.
Bis dahin nutze ich die Zeit, ich bin für zwei Wochen arbeitsunfähig geschrieben, weil ich nicht schlafen konnte, für Dinge, die mir gut tun. Viel Sport, kleine Projekte im Haushalt, häufiger Freunde treffen, etc.
Obwohl ich im Verarbeitungsprozess ganz gut vorangekommen bin (Einschlafen klappt schon wieder, auch wenn ich nun früher wach werde und dann nicht mehr einschlafen kann) und meine Familie und Freunde für mich da sind, fiebere ich dem Sonntag entgegen. Ist es wirklich endgültig? Was hat die Woche Ruhe mit ihr gemacht? Würde ich ihr noch eine Chance geben? Bin ich enttäuscht, wenn sie es nicht noch einmal versuchen will? Kann ich nein sagen, wenn sie es noch einmal versuchen möchte? Ich glaube, dass es nicht gut wäre, das alles noch einmal von vorne zu beginnen. Ihre Gefühle für den neuen Stecher verschwinden doch nicht einfach und für mich kommen die doch nicht sofort wieder. Ich will keine FRau, die mich nicht liebt und nur mit mir zusammenbleibt, weil es bequemer ist. Ich will aber auch nicht, dass sie geht. Ich weiß gar nicht mehr, ob ich sie noch liebe. Ich habe immer ihre Loyalität, Ehrlichkeit und Lebensfreude geschätzt. Das ist zur Zeit alles weg. Es tut aber gut, wenn ich sie rieche und wenn ich sie so wie bei ihrem Nervenzusammenbruch in den Arm nähe. Ich wünsche mir einfach, dass hier endlich Klarheit eintritt.
06.07.2019 09:51 •
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