Hallo Martha,
Es ist schön zu lesen, daß Du Dich wieder gefangen hast.
So eine Erfahrung vollständig zu überwinden, wird allerdings Zeit kosten.
Vermutlich wirst auch Du gelegentlich mit Rückfällen zu kämpfen haben.
Meine Rückfälle fand ich immer ganz furchtbar und steckte dann so tief unten, daß ich mir eingebildet habe, ich wäre kein Stück weiter gekommen. War aber natürlich nicht so. Waren nur die schwarzen Gedanken und trüben Tagen.
Ich bin nicht mehr so viel im Forum, deshalb meine Antwort erst jetzt. Sorry für den Verzug. War schwierig für mich, mich hier rauszulösen, doch das ganze erreichte irgendwann das Ausmaß einer beginnenden Online-Sucht. Forum als Familien-Ersatz. Nicht gut. War gezwungen, die Notbremse einzulegen.
In den letzten Wochen habe ich begonnen, mich auf andere Beschäftigungen zu konzentrieren, die mir viel Freude machen. Habe jetzt eine gut sortierte eBook-Bibliothek und begonnen, für mich selber ein Buch des Lichts zu schreiben, zu dem ich immer wieder zurück kehre, wenn dunkle Gedanken sich meiner bemächtigen wollen. Ich schreibe sie dann auf und rufe nach meiner inneren wohlwollenden Beraterin.
Die lasse ich dann die trüben Gedanken betrachten und mir hilfreiche, aufbauende Worte dazu schreiben. Dieser Umbau des inneren Dialogs funktioniert sehr gut für mich und hilft mir dabei, mir selber eine gute, aufbauende Freundin zu sein. Erstaunlicherweise fällt meiner inneren Beraterin auch fast immer etwas ein, was mich aufmuntert. Habe festgestellt, daß meine Löcher ganz oft daran liegen, daß ich mir zu wenig Gedanken darüber mache, etwas leckeres und gesundes für mich im Kühlschrank vorzuhalten.
Echt schräg - so wie in der Snickers-Werbung - ich bin nicht ich, wenn ich Hunger habe Aber wenn es einem nur schlecht genug geht, dann gibt es offenbar tatsächlich einen Punkt, wo man selbst so elementare Dinge nicht mehr bewußt im Blick hat bzw. mein innerer Dialog war zeitweise so verquer, daß mich irgendwann jedes ungute Gefühl im Bauch an meine Konflikte mit meinem Ex erinnert hat. Und ich dann gar nicht auf die Idee gekommen bin, daß eine warme Mahlzeit mir aus dem gröbsten Loch raushelfen könnte.
So kann frau sich irren bzw. selber hinters Licht führen
Mit meinem Ex selber läuft es inzwischen, naja, so lala. Die zunehmende Konzentration auf mich selber, läßt ihn aus dem Fokus rücken. Was auch sehr gut für mich ist. Wir haben immer noch gelegentlichen Kontakt, was auch meinem Wunsch entspricht. Aber ich werde wieder bestimmter. Habe bei unserem letzten Treffen den Terminkalender gezückt und ihn gefragt, wann wir uns denn das nächste Mal sehen. Ich war es so leid, daß diese Freundschaft immer irgendwie in der Luft hängt.
Er hat ziemlich dumm aus der Wäsche geguckt, aber dann einen Termin für den nächsten Monat vorgeschlagen. Fand ich gut. Damit hat er jetzt auf meinem Terminplan einen Ort, wo ich ihn lassen kann, ohne daß ich mir in der Zwischenzeit einen Kopf drum machen muß, ob und wie es denn freundschaftlich zwischen uns weiter gehen soll. Wie soll ich sagen - er ist jetzt sozusagen gut verpackt in einer Ecke meines Lebens, die so klein ist, wie es ihm gebührt. Ich will ihm gegenüber in der Liebe bleiben. Nicht zu verwechseln mit ihn-haben-wollen. Haben (als Partner) will ich ihn nicht. Und es scheint, als ob es tatsächlich endlich für mich funktioniert und ich weit genug voran geschritten bin auf meinem Weg.
Zwischendurch beschäftigt er mich noch immer innerlich. Aber dies kann ich gut von dem realen Menschen abtrennen und sehen, daß hinter dem, was da hochkommt, eher allgemeine Wünsche sind. Wünsche nach Verbundenheit, sozialem Kontakt, Zärtlichkeit etc. und sehe, daß ich mir diese so gut ich es vermag auf den Kanälen erfülle, die mir zur Verfügung stehen oder ich weiter ausbauen muß.
Habe mich in letzter Zeit auch wieder auf alte, feministische Literatur besonnen. In meiner Jugend habe ich damit recht intensiv auseinander gesetzt. Aber dann überrollte mich irgendwann das Leben und ich hatte das Gefühl, daß dieses Thema doch überholt sei. Stimmt aber nicht. Ich bin, wie wir alle, doch sehr geprägt von einer Kultur, die mich als alleinstehende Frau unvollständig und einbeinig wirken lässt. Nicht falsch verstehen. Vom Kopf her habe ich ja klar, daß es anders ist. Aber emotional und auf einer tiefen Ebene wirken alte Stereotype, die es mir als Frau erschweren, mich mit dem Status Quo anzufreunden.
Mir dieses bewußt zu machen, z.B. indem ich die gute alte Simone de Beauvoir mal wieder zur Hand genommen habe, hat gut getan. (siehe oben - meine neue eBook-Bibliothek ). Was bewusst ist, kann innerlich leichter gelöst und losgelassen werden. Ganz zaghaft stellt sich inzwischen sogar gelegentlich Freude über meinen Status ein. Es ist tatsächlich schön, sich nur auf sich selber zu konzentrieren. Aber diese Freude tatsächlich empfinden zu können, war ein Weg des inneren Aufbaus. Ich gehe diesen Weg jetzt weiter und freue mich mit mir selber über jeden Moment, in dem ich wirklich bei mir und in meiner inneren Mitte bin.
Gelegentlich denke ich, daß es gut war, diese Trennungserfahrung jetzt zu machen und nicht erst in 20 Jahren. Denn irgendwann kommt doch für jeden von uns der Punkt, wo wir wieder auf uns selber zurück geworfen werden. Und dann wohl dem, der gelernt hat, mit sich selber in Frieden zu sein.
Ich wünsche Dir alles Gute und ein schönes Wochenende
30.04.2016 16:27 •
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