Männlichkeit und Männlichkeitsbilder in Beziehungen sind in meinen Augen genauso ambivalent und individuell wie alle anderen Charaktereigenschaften auch (auch bei Frauen).
Ich denke, ich bin äußerlich ein verhältnismäßig gut trainierter Mann und versuche auf mich zu achten, was Ernährung, Hautpflege, Körperbehaarung etc. angeht. Wenn ich finde, dass der Bart zu viel ist (viel wächst eh nicht, Vollbart fällt aus) und ungepflegt aussieht rasier ich mich. Dasselbe gilt für alle anderen Körperhaare. Ich leg mir keine Gesichtsmasken oder so auf, weil ich dazu keine Lust habe, trotzdem versuche ich meiner Haut innerhalb eines für mich vertretbaren Zeitrahmens im Bad vernünftige Pflege zukommen zu lassen.
Für ein klassisches Männerbild wäre das wohl schon zu viel, für ein metrosexuelles zu wenig, ist mir aber ziemlich schnurz.
Ich setze mich mit Kleidung und Mode auseinander, aber eben nicht 24/7 sondern so viel damit ich gut angezogen bin und Klamotten habe die mir stehen und zu mir passen, ohne dass ich wie ein Pfau aussehe (aber auch nicht wie ein Schlumpf).
Wenn man als Mann einen Großteil seiner Zeit in klassischen Sportvereinen sozialisiert wurde (bei mir Handball seit der 1. Klasse bis Anfang 20, mittlerweile Gewichtheben) bekommt man auch gern mal die volle Dröhnung Machismo ab, mich hat dieses Rollenverständnis schon immer befremdet, einfach weil es mir von meiner Familie und den Familien von Freunden nie so vorgelebt wurde.
Ich bin 1988 in der Nähe von Dresden geboren, meine ersten bewussten Erinnerungen stammen also aus der Nachwendezeit.
In der DDR waren arbeitende Frauen systembedingt erwünscht und wurden auch gefördert (ausreichend staatl. Kindergärten, FDJ/Pionieraktivitäten nach der Schule, Sportförderung etc.). Natürlich nicht weil die DDR so menschenfreundlich war, sondern aus anderen Gründen, aber die Folge waren Frauen, die auf ihren eigenen Füßen stehen konnten.
Meine Oma hat meinen Vater neben der Arbeit unter der Woche allein betreut, da mein Opa auf Montage war.
Meine Mutter hat meinen großen Bruder und mich neben der Arbeit monatelang allein erzogen, da mein Vater zur See fuhr.
Als mein Vater dann ungefähr zur Wendezeit den Beruf gewechselt hat und wieder da war, hat er sich ganz natürlich am Haushalt beteiligt, saubermachen, Wäsche machen, kochen etc. meine Eltern sahen (und sehen) sich immer als gleichberechtigte Partner an, die sich die Aufgaben teilen. Auch von den Eltern von Freunden habe ich es nie anders erlebt.
Ich kenne Elternpaare, in denen im Zuge der hohen Arbeitslosenzahlen nach der Wende die Frauen mitunter die Alleinverdienerinnen waren, während die Männer den Haushalt schmissen.
Für mich war also eine gleichberechtigte Partnerschaft mit einer Frau die auf eigenen wirtschaftlichen Füßen steht schon immer die Normalität. Ich habe auch schon immer Männer mit zwei linken Händen und Frauen mit handwerklichen und mechanischen Begabungen erlebt.
Natürlich haben all diese Prägungen Einfluss auf mein Männlichkeitsbild von mir selbst und auf mein Weiblichkeitsbild in Beziehungen. Für mich ist es ganz selbstverständlich, dass man sich als gemeinsam lebendes Paar die Arbeit teilt. Ebenso käme für mich keine Beziehung in Frage, in der die Frau nicht wirtschaftlich unabhängig sein kann (es sei denn sie studiert/lernt gerade). Mit einer wirtschaftlichen Abhängigkeit der Frau hängt für mich auch eine Verantwortung für diese zusammen, welche ich nicht bereit wäre zu tragen.
Ob eine Frau viel oder wenig handwerkliches Geschick hat, besonders toll kochen kann oder nicht ist mir ehrlich gesagt völlig schnuppe. Ich fand es ehrlich gesagt auch schon immer ein wenig albern wie viel Zeit viele eigentlich emanzipierte Frauen investieren um Haare an Beinen, Armen, Augenbrauen, Oberlippen und was weiß ich zu entfernen, die keinem aufgefallen wären, meistens begründet mit dem Hinweis auf die Außenwirkung.
Das alles was nach Männlichkeit klingt öffentlich niedergemacht wird, finde ich nicht, nur das was nach männlichem Dominanzgehabe und Unterdrückung von Frauen klingt.
Mein charakterliches Männlichkeitsbild schließt auch ein, dass man durchaus mal Gefühle zeigen kann und sollte. Ich fang nicht bei jeder Kleinigkeit das Heulen an, aber wenn sowas raus muss, schäme ich mich nicht dafür (Geburt meiner Nichte, Verarbeitung des Todes von nahen Angehören, Trennung usw.). Ich finde es auch völlig in Ordnung wenn andere Männer näher am Wasser gebaut sind, das sagt ja nichts über deren Charakter aus. Auch das man für einen Freund da ist und diesen mal in den Arm nimmt, wenn er es nötig hat gehört dazu.
Ich erkunde auch gern aktiv meine S. und versuche nichts davon zu unterdrücken und mich auszuprobieren, was andere davon denken ist mir ziemlich egal.
Ich höre tendenziell meistens ziemlich männliche harte Rock/Punkrock/Metalmusik und schau mir eher einen hirnfreien Actionfilm als eine Liebeskomödie an. Trotzdem beschäftige ich mich auch gern mit bildender Kunst, Literatur, Naturwissenschaften und Arthousekino um meinem Hirn Futter zu geben.
Ich mag große Amischlitten und dicke Motoren, weil mich die Emotionen und die Ästhetik dahinter begeistern, trotzdem weiß ich dass sie unvernünftig und in deutschen Städten Unsinn sind.
Ich liebe weibliche Körper und Formen und die ero. die sie ausstrahlen, weibliche Charakterzüge und das Spiel miteinander und umeinander. Genauso weiß ich schöne männliche Körper und Ausstrahlung zu schätzen und fühle mich von der Direktheit, welche Männer zueinander bewegt angezogen, auch das habe ich gelernt als Teil von mir zu akzeptieren ohne mich schuldig zu fühlen.
Klingt vielleicht alles gegensätzlich, gehört aber alles zu meinem Charakter und mir geht deswegen auch kein Stück vermeintlicher Männlichkeit ab.
Letztlich ist das für mich Männlichkeit: Nichts darauf zu geben, was jemand anderes denkt, keine Scham Gefühle auch auszuleben. Stärke auszustrahlen, insofern es die Stärke ist für die eigenen Überzeugungen, Schwache und Andersdenkende einzustehen. Stärke auch ein Halt für Freunde und Familie zu sein, wenn sie dessen bedürfen. Die Stärke sich eben diesen Bedarf auch für sich selber einzugestehen und entsprechend zu handeln.
Achja und ganz wichtig B. statt Wein zu trinken