Zitat von Wiederda:Ich oute mich jetzt mal.Ich bin beruflich in einem Bereich tätig, in dem es darum geht Menschen emotional und seelisch zu stärken. Was mir in ...
Ich kann mich gerne auch outen, denn ich arbeite auch in so einem Bereich.
Allerdings trenne ich mein berufliches Ich und mein privates Ich soweit es geht.
Damit will ich sagen, während ich in meiner beruflichen Funktion Professionalität wahre, zeige ich im Privaten durchaus das gesamte Repertoire meiner Emotionen.
Zum einen, weil ich es für mich als gesund erachte Emotionen zu haben und zu zeigen und leben zu dürfen und nicht jederzeit meine Professionalität leben zu müssen.
Zum anderen aber bin ich der Meinung, dass Menschen in Not von verschiedenen Menschen verschiedene Dinge brauchen.
Natürlich brauchen sie von einem Profi eine gewisse Distanz. Es ist wichtig, dass sie das Gefühl haben können, dass sie da loslassen können, der Profi aber die Kontrolle über die Situation behält und ein Auffangnetz bildet und schafft.
Im Privaten brauchen Menschen aber ganz unterschiedliche Dinge. Und dazu gehören durchaus auch das Mitschwingen von Gefühlen, aber auch das Zeigen von Gefühlen, die man sich selbst vielleicht verbietet. Wie zum Beispiel Wut. Oder tiefes Entsetzen, Traurigkeit.
Menschen , die davon überfordert sind sind nicht selten die Menschen, die sich diese Gefühle verbieten mussten. Die nicht gelernt haben sie zu fühlen. Denen es deshalb erstmal nicht stimmig erscheint.
Gleichzeitig können aber genau diese Menschen davon profitieren, wenn sie zulassen und erleben, dass ihre Geschichte in anderen genau diese Gefühle hervorholt. Die dabei lernen dürfen, dass ihre unterdrückten Gefühle eine Berechtigung haben. Die sich dadurch gesehen fühlen.
Nicht selten öffnet grade dieser Moment die Tür zu den versteckten Gefühlen, löst reinigende Tränen aus und man fühlt erstmals richtig, was so lange begraben war.
Sich gesehen fühlen auf der emotionalen Ebene ist etwas komplett anderes, als wenn jemand rational das Trauma erfasst.
Aber natürlich bleiben wir dabei individuell und auch tagesform abhängig.
Was ich zum Beispiel schreibe kann bei A etwas auslösen, aber bei B nicht. Oder es löst an einem Tag etwas positives aus, an einem anderen verschreckt es eher.
Foren haben dabei den positiven und negativen Aspekt, dass die vielfältigen Antworten immer wieder Treffer anbieten. Mal mehr, mal weniger. Bei einem mehr, beim anderen weniger.
Foren sind kein geschützter Raum. Das muss sich auch jeder klar machen. Hier kann man keine Professionalität erwarten, man trifft auf Menschen, die einen triggern, die einen nicht verstehen, die man selbst triggert und die Gleiches durchgemacht haben.
Verallgemeinerungen, vor allem mit dem Zusatz, dass man ja vom Fach sei, sind dabei niemals hilfreich. Möchte man damit doch nur eine Art der Kontrolle herstellen. Die einem aber nicht zusteht. Denn man weiß am Ende nie, was wem wann und wie helfen würde. Das kann nur jeder für sich herausfinden. Alles andere ist übergriffig.
Mich erinnert das immer daran, dass mittlerweile gesellschaftlich ständig Menschen dafür verurteilt werden, wenn sie andere nach ihrem Kinderwunsch fragen. Du weißt nicht, was du damit auslöst, was du damit triggerst heißt es dann. Also lieber nicht fragen, bloß nicht fragen.
Als eine Frau über 40 mit sehnlichstem Kinderwunsch kann ich dazu nur sagen: mich macht das extrem einsam. Ich will gefragt werden, weil es mir die Türen öffnet reden zu dürfen. Weil ich sonst das Gefühl habe mich aufdrängen zu müssen, wenn ich reden will. Ich will gefragt werden, weil es mir hilft. Und wer weiß: vielleicht bin ich nicht die einzige, die so fühlt.
Es kommt immer darauf an ein Interesse daran zu haben die Reaktionen und Schwingungen des anderen zu spüren und entsprechend einen Schritt vor oder zurück zu machen.
Klappt das immer? Auf keinen Fall. Aber so ist das Leben. Wir sind alle nur Menschen.